Wer holt sich die Streckenrekorde? Das ist die große Frage beim Marathon des Rennsteiglaufs 2016. Denn der Kurs von Neuhaus nach Schmiedfeld wurde verkürzt – auf die klassische Marathondistanz von 42,195 Kilometern. Neue Bestmarken sind damit garantiert. Zwei Erfurter haben die größten Siegchancen bei den Männern und Frauen. Auch „Rennsteiglegende“ Christian Seiler ist am Start – dürfte nach einer unglaublichen Serie von zehn Siegen bei zehn Starts aber erstmals das Podest verfehlen.
Viele Jahre war der Rennsteig-Marathon einer der „kürzesten Ultraläufe“ der Welt – stets etwas länger als die olympische Marathondistanz. Mal 45 Kilometer, in den vergangenen Jahren dann 43,5. Das hat ein Ende: Die Organisatoren haben die Strecke auf die Standard-Länge von 42,195 Kilometer verkürzt. Die magische Zahl soll mehr Marathonis auf den Rennsteig locken. Ob das gelingt? Die Teilnehmerzahlen jedenfalls stimmen optimistisch: Derzeit sind schon rund 3.095 Läufer gemeldet (Stand: 12. Mai), 2015 kamen nur rund 2.700 ins Ziel.
Bei vielen Dauerstartern am Rennsteig dürfte nun das Rechnen beginnen: Wenn die Strecke 1,3 Kilometer kürzer ist, sollte ich doch fünf bis zehn Minuten schneller sein? So einfach ist es nicht. Denn die Organisatoren haben den Kurs auch neu vermessen – und festgestellt, dass er wohl früher nicht ganz 43,5 Kilometer lang war. So viel kürzer ist die Strecke also nicht, und der Zeitvorteil damit auch geringer. Lediglich an zwei Stellen wurde der Kurs leicht verändert: Vor der Turmbaude Masserberg bei Kilometer 15,5 und hinter dem Monument in Frauenwald nach Kilometer 37, wo er jeweils kurzzeitig über Parallelwege führt und so ein paar Meter spart.
Auf dem Kamm des gefürchteten Burgbergs (km 31), dem härtesten Anstieg der Strecke, klafft derzeit wegen Bauarbeiten noch ein großes Loch in der Strecke. Bis zum Wettkampftag soll das aber überbrückt sein, versichert der Veranstalter.
Erstmals könnte sich ein Thüringer wieder den Streckenrekord sichern. Fünfzehn Jahre lang war die Bestmarke in der Hand des Ukrainers Stanislav Lazyuta, der 2001 bei seiner einzigen Teilnahme die Marke von 2:36:32 Stunden aufstellte. Jetzt werden die Uhren wieder auf Null gestellt. Und Marcel Krieghoff vom USV Erfurt hat die besten Aussichten, sich als Erster in die Rekordliste einzutragen. In diesem Frühjahr eilte er bei Thüringer Volksläufen von Sieg zu Sieg, zuletzt beim Gothaer Citylauf. Beim hügeligen Halbmarathon von Apolda brachte er im Alleingang mit 1:10:46 Stunden eine Klassezeit auf den Asphalt und holte mit großem Vorsprung den Landesmeistertitel. In Gießen steigerte er seine Halbmarathonbestzeit auf 1:08:43 Stunden, wieder im Alleingang. Der 32-Jährige dürfte nur schwer zu schlagen sein – wenn er denn das Missgeschick von vor zwei Jahren gedanklich ausblenden kann. Gemeinsam mit Christian König lag er damals schon einmal auf Streckenrekordkurs und kam dann vom Wege ab. Nach vielen Extrakilometern joggte er als 29. ins Ziel. „Ich habe mir vorgenommen, mich diesmal nicht zu verlaufen“, sagt er und lacht. Zum ersten Mal sei er ohne Erkältung durch die Vorbereitung gekommen. Seine Taktik? „Ich bin kein Freund vom Taktieren, ich werden von Anfang an Vollgas geben.“
Bei dem kuriosen Lauf im Jahr 2014 ging der Titel am Ende völlig überraschend an Heiko Ludewig vom LTV Erfurt. Auch er ist 2016 wieder gemeldet, trat aber in der bisherigen Laufsaison kaum in Erscheinung. Wenn er fit an den Start geht, dürfte der AK-40-Athlet dennoch im Kampf um die Podestplätze mitmischen.
Noch aussichtsreicher geht der Vorjahreszweite Christoph Weigel ins Rennen. Er hat mit seiner neuen Halbmarathon-Bestzeit von 1:11:47 Stunden in Berlin viel Selbstvertrauen getankt. Ein Podestplatz wäre diesmal keine Überraschung mehr, er zählt zu den Favoriten. Für einen Angriff auf seinen Vereinskameraden Marcel Krieghoff sollte es aber in diesem Jahr noch nicht reichen.
Und die Rennsteiglegende Christian Seiler? Zehn Starts, zehn Siege, ein Streckenrekord: Er ist am Rennsteig unerreicht. Nach seinem letzten Triumph im Mai 2015 gab er das Ende seiner leistungssportlichen Karriere bekannt. So ähnlich hatte er sich aber auch schon nach seinem Fabellauf im Supermarathon 2014 geäußert – und griff dann 2015 doch noch einmal den Marathon-Rekord an. Wiederholt sich das Spiel? Eher nicht. „Ankommen ist das Ziel“, sagte er Laufszene Thüringen. Seit seinem letzten Sieg trainiere er nur noch zwei bis drei Mal pro Woche, also insgesamt 30 bis 40 Kilometer. „Somit wird das Ankommen eine echte Herausforderung!“ Oder kommt der Ehrgeiz unterwegs doch noch einmal durch? Eine tolle Zeit wäre bei seinem Talent keine Überraschung – auch ohne viel Training.
Mit Markus Koch geht auch ein alter Dauerrivale von Christian Seiler an den Start. Der mittlerweile in Norwegen lebende Steinheider wurde dreimal Zweiter hinter Seiler, ein Sieg blieb ihm bislang verwehrt. Allerdings hatte er ursprünglich mit dem Halbmarathon geplant, verpasste aber den diesmal frühen Meldeschluss. Hinter seiner Marathonform steht deshalb ein Fragezeichen, ein Podestplatz ist aber nicht völlig ausgeschlossen. In den Kampf um die Top 10 können außerdem die Erfurter Adrian Panse und Max Breuer eingreifen.
Klare Verhältnisse gibt es im Frauenrennen: In Abwesenheit der Vorjahressiegerin Nora Kusterer ist Kristin Hempel vom USV Erfurt die Favoritin. Ihre Vorbereitung war nicht optimal: „Ich habe seit Januar mit Oberschenkelproblemen zu kämpfen, die mich immer wieder zur Pause oder Alternativtraining zwingen.“ Ursprünglich wollte sie ihren Supermarathontitel verteidigen, stieg dann aber auf die kürzere Strecke um. Dass die Form dennoch stimmt, zeigte sie mit einem Sieg beim Oberelbe-Marathon Ende April, bei dem sie die 3-Stunden-Marke knackte. Und so geht sie optimistisch ins Rennen: „Ich rechne mit einer Zeit von 3:05 Stunden.“
Anders als im Vorjahr haben sich viele schnelle Läuferinnen für den Halbmarathon entschieden. Deswegen ist die Vergabe der weiteren Medaillenränge offen. Die erfahrene Anja Jakob vom VSC Klingenthal, Vorjahresvierte, könnte davon profitieren und sich ihren mittlerweile fünften Podestplatz beim Marathon sichern. Auch Rennsteig-Neuling Marie Brückner vom USV Erfurt, Zweite der Thüringer Halbmarathonmeisterschaft (in 1:33:50 Stunden), und Jana Schönlebe vom SC DHfK Leipzig sind vordere Plätze zuzutrauen.
Nicht ausgeschlossen aber, dass kurzfristig noch Frauen vom stark besetzten Halbmarathon ummelden und die guten Chancen auf einen Podestplatz nutzen. Vor einem Jahr taten das einige Männer, nachdem sie unsere Vorschau auf Laufszene Thüringen gelesen hatten – und liefen beim Marathon vorne mit …
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