Hochspannend waren die Marathon-Entscheidungen des Rennsteiglaufs 2014. Im Männerrennen lagen zwei Athleten auf Streckenrekordkurs, kamen aber tragischerweise vom Kurs ab und verpassten das Podest. Bei den Frauen ging ein historisch starkes Feld an dem Start. Die Favoritin siegte souverän, doch der Kampf um Bronze entschied sich erst am Schlussanstieg. Wie viel Dramatik verspricht der Marathon diesmal?
Eines steht jetzt schon fest: Die Vorjahresersten werden ihre Titel nicht verteidigen. Heiko Ludewig vom LTV Erfurt, Überraschungssieger des turbulenten Rennens im vergangenen Jahr, hat seinen Start wegen einer Verletzung abgesagt. Und die schnellste Frau, Nicole Kruhme vom Rennsteiglaufverein, hat sich für den Halbmarathon entschieden. Werden sich die geschlagenen Favoriten des Vorjahres also diesmal den Traum vom Triumph am Rennsteig erfüllen? Es sieht nicht danach aus.
Bei den Männern sind die großen Pechvögel von 2014, Christian König und Marcel Krieghoff, nicht gemeldet. Während Krieghoff sein Glück auf der Halbdistanz versucht, plant König mit dem Kassel-Marathon. Von den Top-10 des Vorjahres taucht derzeit nur der Zehnte, Patrick Ratzka, in den Startlisten auf. Einige haben sich für andere Rennsteig-Strecken entschieden. Das gilt auch bei den Frauen, bei denen die mehrmaligen Podestläuferinnen Anna Herzberg (diesmal Halbmarathon) und Kristin Hempel (Supermarathon) umgestiegen sind.
Doch Langeweile und schwache Leistungen drohen nicht. Denn der unangefochtene Rennsteig-König Christian Seiler kehrt auf die Marathonstrecke zurück. Auf dem 43,5-Kilometer-Kurs kann er bereits drei Siege vorweisen – wie auch auf der Halbdistanz und im Supermarathon. Sein erster Erfolg auf dem Thüringer Kammweg ist mittlerweile elf Jahre her, doch noch immer bestimmt er das Geschehen. Auf dem „langen Kanten“ pulverisierte er im Vorjahr den Streckenrekord. Und bei der Deutschen Halbmarathonmeisterschaft stellte er kürzlich als 13. seine gute Form unter Beweis. Vor einem erneuten Sieg könnte ihn wohl nur eine Krankheit oder Verletzung stoppen.
Ernsthafte Gegner haben sich jedenfalls noch nicht angekündigt. Zwei Thüringer Spitzenläufer, die Seiler einen harten Kampf um den Sieg bieten könnten, sind Marcel Bräutigam (3 Rennsteig-Siege) und Stefan Hubert (2 Siege). Doch beide haben dieses Jahr andere Pläne. Auf so ein „Rennen der Rennsteig-Giganten“ müssen die Fans der Thüringer Langstreckenszene weiter warten. Für Seiler wird es also ein Lauf gegen die Uhr. Schafft er es im Alleingang, die 2:40-Stunden-Marke zu knacken? Das ist bisher nur fünf anderen Läufern gelungen.
Am Streckenrekord von 2:36:32 Stunden sind dagegen schon mehrere Läufer gescheitert. Für einen Christian Seiler ist diese Zeit nicht unantastbar, doch er hat seine Ziele zurückgeschraubt: „Ursprünglich hatte ich mich früh für den Marathon entschieden, um den Streckenrekord anzugreifen“, sagt er. Doch dieses Jahr habe er unter anderem wegen einer Zerrung nur sehr wenig trainieren können. Er werde deshalb „nur auf Sieg laufen“ und eventuell seine Rennsteig-Bestzeit von 2:40:49 Stunden angreifen.
Im Frauenrennen könnte dagegen einer Rennsteig-Debütantin der ganz große Coup gelingen. Die Wahl-Thüringerin Nora Kusterer (SV Oberkollbach) hat sich im Frühjahr in glänzender Form präsentiert. Einer 10-Kilometer-Bestzeit von 35:15 Minuten in Dresden ließ sie einen Halbmarathonsieg in Leipzig folgen. Dabei blieb sie in 1:17:41 Stunden deutlich unter der 1:20-Stunden-Marke – eine Schallmauer, die auch Rennsteig-Vorjahressiegerin Nicole Kruhme noch nicht durchbrochen hat. „Ich lebe schon vier Jahre in Thüringen und bin so oft gefragt worden, wann ich den Rennsteig laufe. Jetzt ist es an der Zeit und ich freue mich darauf“, sagt die Jenaerin. Ihr Ziel: „Ich möchte meine Vorleistungen bestätigen.“
Nora Kusterer ist marathonerfahren, lief als Vierte der Deutschen Meisterschaft 2013 ihre Bestzeit von 2:48 Stunden. Bei kluger Renneinteilung könnte sie sogar die Klassezeit der Vorjahressiegerin attackieren und so das Niveau des Frauen-Marathons weiter steigern. Seit 2011 gab es jedes Jahr eine schnellere Siegzeit.
Außer Sichtweite von Kusterer, aber auf einem Podestplatz, dürfte eine alte Bekannte einlaufen: Anja Jakob vom VSC Klingenthal (zwei Marathonsiege und weitere Podestplätze). Sie kehrt nach Platz 2 im Supermarathon zurück auf ihre Paradestrecke. Die erfahrene Langstrecklerin (Jahrgang 1975) blickt auf zehn erfolgreiche Teilnahmen zurück, die Premiere war einst ein 826. Platz im Halbmarathon. Hinter ihr ist das Rennen völlig offen.
Angesichts der übersichtlichen Favoritenfelder könnten sich manche Halbmarathonläufer noch für einen Wechsel auf die Marathondistanz entscheiden. Nachmeldungen sind wie immer bis kurz vor Start möglich, Überraschungen also abermals nicht ausgeschlossen. Knapp 2.700 Läufer wollen sich das Spektakel nicht entgehen lassen (Stand: 25. April).