Die Harzquerung von Wernigerode nach Nordhausen gilt vielen Rennsteigläufern als letzter großer Test vor dem Rennsteigsupermarathon. In diesem Jahr war der Abstand von zwei Wochen sehr knapp bemessen, aber dennoch passte es bei mir nach sechs Jahren Pause mal wieder gut in die Wettkampfplanung und so stand ich am Morgen des 25. Aprils in der alten, kleinen Sporthalle in Wernigerode und wurde nicht enttäuscht: Wirklich nichts hat sich seitdem geändert – wer noch richtige Lauf-Nostalgie erleben möchte, ist hier genau richtig. Daran wird sich hoffentlich auch nach Fertigstellung der neuen Sporthalle bei der 37. Auflage im nächsten Jahr nichts ändern.
Für den Gepäcktransport gibt es einen liebevoll mit Wollfaden gebastelten Anhänger. Den Fußweg zum Start findet man, in dem man einfach den anderen Läufern folgt. Begrüßt wird das Feld von einem älteren Sportfreund vom Laufteam Oker, den keiner versteht, weil der mobile Lautsprecher überfordert ist. Ein Zeitmess-System gibt es nicht. Die Stoppuhr (so erzählt man) wird vom Start mit einem Auto (Marke unbekannt) ins Ziel nach Nordhausen transportiert. Es wirkt als wäre die Zeit stehengeblieben und was soll ich sagen, es funktioniert und keiner regt sich auf.
Nicht über die Teilnehmer, die bereits beim ersten Anstieg gehen und sich trotzdem vorn angestellt haben (schließlich war die Harzquerung ja auch in ihrer Anfangszeit mehr eine Wanderung), nicht über die Bäume die im Weg liegen und überklettert werden müssen, nicht über die schmalen, steilen Wege – dies alles gehört dazu, wird von den Teilnehmern freudig erwartet oder zumindest kritiklos hingenommen. Wer hierher kommt, hat die Anmeldehürden über eine gefühlt 20 Jahre alte Internetseite erfolgreich genommen (immerhin – bis vor einigen Jahren waren Anmeldungen lediglich per Post oder Fax möglich) und freut sich auf einen Lauftag in wundervoller, ursprünglicher Natur. Für Rennsteiglauf-Urgestein Roland Winkler aus Berlin, den ich unterwegs treffe, ist es sogar der „schönste Lauf“. Der Rennsteiglauf sei ihm der „wichtigste“ – fügt er allerdings erläuternd hinzu.
Der erste Verpflegungspunkt kommt erst bei Kilometer 10. Dafür gibt es den Tee dort in braunen Plastebechern, die noch aus NVA-Beständen stammen dürften – ein echter Hingucker! Liebevoll geschmierte Bemmen, Obst und Schokolade – verhungern muss hier keiner.
Bis zum Verpflegungspunkt bei Kilometer 20 rollt es bei besten Wetterbedingungen super. Dann biegen die 25 Kilometer-Läufer nach Benneckenstein ab. Wir bleiben vorerst oben. Es gibt steile, anspruchsvolle Trails, die volle Konzentration erfordern. Ich hake mich mit meinen Hokas an einer Wurzel ein und bekomme so Bodenkontakt mit dem zum Glück weichen Waldboden. Entspannt und schmerzfrei durchlaufen, ist das Ziel.
Auf dem Poppenberg angekommen, sehe ich gerade noch meinen Sohn Adrian vorbeihuschen, der sich auf der 28-Kilometer-Strecke ein Duell um Platz 2 mit Sven Franke vom Brockenlaufverein Ilsenburg liefert. Der anschließende steile Bergablauf ist fast noch anstrengender als der Aufstieg. Eine Woche zuvor habe ich mir hier beim Halbmarathon zum Harztorlauf, der auf weitgehend identischer Strecke verläuft, einen heftigen Muskelkater in den Oberschenkeln eingebrockt. Diesmal lasse ich es deshalb deutlich langsamer bergab rollen und mein Körper dankt mir die Schonung vor dem Rennsteigsupermarathon.
Die restlichen 10 Kilometer bis in Ziel nach Nordhausen (tatsächlich ist die Harzquerung laut GPS nur 49 Kilometer statt der angegeben 51 Kilometer lang) sind heute auch kein Problem. Ein leichter Nieselregen macht den Lauf fast noch angenehmer. Die 5:33:57 Stunden sind rund 25 Minuten mehr als vor 6 Jahren, aber ich bin dennoch sehr zufrieden.
Auch mit dem Ergebnis meines Sohns, der am Ende hinter Stefan Gebser von der SG Dynamo Drebsdorf und Sven Franke Rang 3 auf der „kurzen Distanz“ von Benneckenstein nach Nordhausen belegt und damit der einzige Thüringer auf dem Podium ist. Bei den Frauen siegt auf dieser Strecke Stephanie Hecht (Dresden) in 2:43:41 Stunden.
Die Sieger der Strecke von Wernigerode nach Benneckenstein über 25 Kilometer kommen mit Thomas Kühlmann (Wernigerode) 01:36:54 Stunden und Jenny Engelmann (Benneckenstein) 02:18:14 Stunden aus der Region. Den langen Kanten gewinnt Martin Schugg vom VfL Lichtenrade Berlin in 04:01:29 Stunden. Schnellste Frau ist Nadja Koch (Scharmede) in 04:41:11 Stunden.
Wer am Ende gewonnen hat, scheint hier aber ohnehin nicht ganz so wichtig zu sein. Für die Begrüßung und die Ehrung im Ziel fehlt auch hier eine entsprechende Beschallungsanlage. Statt der inzwischen üblichen Finisher-Medaille gibt es traditionell lediglich einen Aufnäher für den Wanderrucksack, dafür aber Fettbrote und eingelegte Gurken satt. Fazit: wer hier läuft, will das gerade so und nicht wie in Hamburg oder Düsseldorf. Möge uns die Länder verbindende Harzquerung und ihr Organisatorenteam noch lange erhalten bleiben.
NVA? Vielleicht auch FDGB? Danke für Deinen Bericht. Gruß, Norman
Danke für die Erwähnung, schöner Bericht. LG aus Dresden.
Leider findet dieser schöne Lauf in der Thüringer Presse so gut wie keine Erwähnung. Eigentlich sehr schade…
Wir sind die Strecke an 2 Tagen gewandert (1. Etappe bis Sophienhof) und haben uns an an der hervorragenden Kennzeichnung der Strecke orientiert. Da können sich aber die meisten Läufe eine Scheibe abschneiden, auch der Rennsteig und Rennsteigstaffellauf. Der Streckenlauf ist teilweise sehr knifflig, aber da kann man sich wirklich nicht verlaufen. Großes Lob an die Orginisatoren.