Udo Pitsch ist mit 146 Marathons und Ultras ein äußerst erfahrener Läufer auf den langen Strecken. Auf seiner Internetseite berichtet er nicht nur über seine Läufe sondern stellt auch einen fundierten Ratgeber für den Einstieg in das Marathon- und Ultralaufen zur Verfügung. Er läßt uns an seiner Begeisterung über den Bleilochlauf teilhaben:
Saalburg-Ebersdorf, Samstag, kurz vor 9 Uhr: Realistische Selbsteinschätzung sollte mich vor dem Abenteuer „Bleilochlauf“ eigentlich mit Sorge und Skepsis überziehen. Drei Tage nach Rückkehr aus dem Südafrikaurlaub stehe ich mit Trainingsrückstand am Start und muss überdies ein gutes Stück „Udo“ für morgen reservieren. Morgen bedeutet: Oberelbe Marathon in Dresden. Also wieder einmal ein Marathon-Double. Nicht neu dieses zweifache Langzeittraining, nur steht es diesmal unter einem anderen Stern. Mangels adäquater Vorbereitung plane ich insgeheim das Scheitern ein. Demnach eine „Mission impossible“?
46 km Natur mit viel Wasser, mehr weiß ich nicht. Weder die anfallenden Höhenmeter, noch – letztlich von größerer Bedeutung – der Charakter des Geläufs sind mir bekannt. Es war einfach keine Zeit im „Vor- und Nachurlaubsstress“ solche Daten zu erheben. Schicksalsergeben und mit guten Wünschen ausgestattet mache ich mich folglich auf den Weg.
Der beginnt am Campingplatz in Sichtweite zum Bleilochstausee, in Saalburg-Ebersdorf, Landkreis Saale-Orla, im thüringischen Vogtland, nur ein paar Kilometer abseits der Autobahn A9. Die Welt ist klein. Das habe ich gerade wieder erfahren. Ein paar Flugstunden und schon läufst du einen Marathon an der Südspitze Afrikas. Und heute? Ein Rundblick fängt vollkommen unbekannte Bilder ein, obwohl ich seit Jahren an vielen Orten, nicht zuletzt in Thüringen, laufend unterwegs war. Einmal mehr erlebe ich die wahre Ausdehnung meiner Heimat.
Phase 1: Wachwerden und Einlaufen. Im Ort, anschließend den Stausee per Brücke überquerend. Bereits von hier aus ergeben sich reizvolle Ansichten auf die weiten, dunklen, kaum bewegten Wasserflächen beidseits der Brücke. Eine Ahnung der Naturschönheiten, die mich in den nächsten Stunden erwarten, wird von unerwarteter Wahrnehmung abgelöst. Eine ausgewachsene, von Autos befahrene Betonbrücke, die unter Läuferfüßen zu schwingen beginnt? Wo gibt’s denn so was?
Die lockere Läuferkette folgt dem Seeufer, überwindet erste unbedeutende Buckel. Für mich noch nicht der erhoffte Genuss, weil meine Beine hinhaltenden Widerstand leisten. Schöne Durch- und Aussichten zum See, immer wieder unterbrochen von Bäumen und Buschwerk. Frisches Frühlingsgrün und blühendes Buschwerk machen den langen Winter vergessen. Die Morgensonne rollt einen aufmunternden Hell-Dunkel-Teppich vor mir aus. Dazu etwa 10°C und Windstille, ideale Laufbedingungen also. Weitere Buckel und kurze Anstiege prüfen meine Verfassung. Leider nähren sie den Verdacht einen formschwachen Tag erwischt zu haben. Unablässig drücke ich den Auslöser meiner Kamera, um möglichst viele der schönen Ansichten zu konservieren. Mehr als ich mit eigenen Augen zu sehen bekomme, denn die kleben notwendigerweise am abschnittsweise mit Wurzeln oder groben Steinen übersäten Boden. So entstehen viele Fotos blind: Eine hübsche Ansicht ahnen, Kamera halten, auslösen und hoffen, die Elektronik möge ihre Aufgabe hinreichend erfüllen.
Die wahre Ausdehnung dieses Stausees (größtes Fassungsvermögen aller deutschen Stauanlagen) erschließt sich dem Läufer erst nach und nach. Mit jedem Zipfel, jeder Ausuferung, die meine Schritte abmessen, bieten sich neue, zauberhafte Eindrücke. Und Geheimnisse birgt das undurchdringlich dunkle, über einstigen Taleinschnitten stehende Wasser ganz sicher auch. Nicht schwer sich vorzustellen, wie hier zwischen dämmrigen Novembernebeln Spukgestalten ihr Unwesen treiben.
Mein Tun gestaltet sich allerdings vollends diesseitig und in hohem Maß schweißtreibend. Immer wieder verlegen uns kurze, teils heftige Anstiege den Weg, die manche meiner Mitläufer bereits gehend hinter sich bringen. Den Rest besorgt die Sonne. Zwar blinzelt sie oft durch milchigen Wolkendunst, vermag mir dennoch mächtig einzuheizen. Von fünf Beutelchen Energiegel abgesehen, verlasse ich mich auf die Verpflegungspunkte und trinke dort reichlich.
Zwischen Kilometer 10 und 15, genauer kann ich es wirklich nicht eingrenzen, passt sich meine körperliche Verfassung endlich der mentalen an. Wie zuletzt beim Two Oceans Ultra in Kapstadt, liefert ein Anstieg die Bestätigung nach längerer „Ladehemmung“ endlich physisch unbehindert laufen zu können. An meinem Tempo ändert das ebenso wenig, wie an der Taktik aufwärts übertrieben langsam zu tippeln. Energiesparen lautet die Devise und nichts kostet mehr Körner als schnelle Anstiege.
Mit beginnendem Anstieg wendet sich der Kurs vom Bleilochstausee ab und ausgedehnten Wäldern zu. Noch etwas zaghaft sprießt frisches Grün an Büschen und Laubbäumen. Dafür ziehen Frühlingsblüher, von Schlüsselblume bis Veilchen, meine Blicke magisch an. Nichts Seltenes. Überhaupt nicht. Hundertfach zuvor gesehen und doch großartig in Form und Bedeutung. Freu dich auf die warme Jahreszeit rufen sie mir zu! Stapel frisch geschlagener, akkurat auf Länge gesägter Fichtenstämme verströmen den würzigen Duft von Harz, Vogelstimmen bitten aus allen Richtungen um Gehör. Natur pur, alle Sinne zugleich ansprechend. Kein noch so attraktiver Stadtmarathon wäre dazu imstande.
Im Wald queren wir eine Straße und überschreiten zugleich den höchsten Punkt in diesem Forst. Abwärts jetzt und den Kurven eines langen, elegant geschwungenen Tales folgen. Seit mehreren Kilometern Waldwege im Bestzustand – Labsal für meine von Wurzeln und kantigen Steinen geschundenen Füße. Ein mageres Rinnsal begleitet unseren Weg, verleiht sich alsbald den Titel „Bach“, unterhält an einer Stelle sogar mit plätschernder Idylle.
Abwärts, immer weiter abwärts. Längst muss das Niveau des Bleilochstausees unterschritten sein. Unvermittelt vor mir, durch Bäume auszumachen, eine spiegelnde Wasserfläche. Nicht breit. Vielleicht ein Waldsee? Dann eine irgendwie irrationale Wahrnehmung, wie aus einem Märchenbuch der Gebrüder Grimm: Jenseits des Wassers, auf bewaldeter, steiler Anhöhe thront eine Burg. Keine Zeit diese Bilder zu verinnerlichen. Jäh wendet sich der Kurs nach rechts und gewinnt sofort an Höhe. Besser wird er leider nicht, ganz im Gegenteil. Waldarbeiter hinterließen mit ihren Maschinen reichlich Gelegenheit zu stolpern: Äste, Steine, Kuhlen, Schrunden, Matsch. Endlich wechsele ich auf einen scheinbar harmlosen Pfad. Der Schein trügt und Udo stolpert. Erste Warnung! Die nehme ich superernst, denn hundert Meter weiter droht Gefahr: Wer hier stolpert, kann sich am supersteilen Abhang leicht den Hals brechen. Tief drunten leuchtet Wasser durch die Bäume und endlich kapiere ich: Das muss die Saale sein! Genauer gesagt: Eine ihrer vielen Schleifen.
Einen Kilometer weiter begreife ich noch mehr: Auf den Bleilochstausee folgen weitere, aufgestaute Abschnitte der Saale. Unwiderlegbarer Beweis: Unterhalb der stolzen Burg wechseln wir die Seite und nutzen dazu eine Staumauer. Meine Begeisterung für die ständig wechselnden Ansichten wächst und erreicht in Höhe einer überdachten Holzbrücke einen Höhepunkt. Ich nutze sie, um die Saale zu überqueren …
… und folge drüben, in Sichtweite anderer Läufer, dem Flussufer. Der Schmerz im rechten Fuß, ausgelöst durch das Stolpern und ein paar Fehltritte auf kantige Steine oder Wurzeln, beruhigt sich auf fein geschottertem Uferweg. „Fluss“ kommt von „fließen“. Doch die Saale fließt auch entlang dieses Abschnittes nicht. Sie steht in ihrem Bett, höher und breiter als von Mutter Natur einst vorgesehen. Offensichtlich aufgestaut. Kilometer 24 und 25. Halbzeit längst vorbei. Ich registriere es beiläufig und kalkuliere grob die Zeit. Auch wenn ich nicht weiß, was mich noch erwartet, scheint unter fünf Stunden zu bleiben reine Formsache …
Die erste lange und wirklich steile Rampe verpasst meiner voreiligen Einschätzung einen ziemlichen Dämpfer. Immerhin so steil, dass der Weg in Serpentinen verläuft. Außerdem wurde er asphaltiert, um ihn nicht nach schweren Regenfällen jedes Mal instand setzen zu müssen. Alle gehen, außer einem. Der will nicht gehen, weil es seinem Verständnis vom Laufsport widerspricht. Der will alles laufen, auch wenn das im Hinblick auf die morgige zweite Etappe des Marathon-Doubles alles andere als hilfreich ist.
Kein Verweilen auf höherem Terrain; sofort geleitet uns der Weg abwärts, bis neuerlich das Ufer der Saale erreicht ist. Ich schreibe „uns“, weil ständig Mitläufer in Sichtweite sind, die mir die Orientierung erleichtern. Doch auch ohne diese Hilfe bestünde kaum Gefahr sich zu verlaufen. Zahllose Tafeln und Sprühpfeile auf dem Boden geben die Richtung überdeutlich vor. – Tausend Meter flach und bretteben, dann wechseln wir die Flussseite. Schlagartig drängt sich das Gefühl auf exakt jetzt den Rückweg anzutreten, auch wenn bereits 28 Kilometer im Zähler stehen. Flussabwärts präsentiert sich die Saale naturbelassen und erstmals sichtbar fließend.
Erste Brücke über die Saale und gleich anschließend noch eine über … Tja, was ist das? Für einen Bach zu breit, für einen Fluss zu schmal. Eine Wanderertafel verweist auf ein „Wisentatal“. Und wieder rauf. Erst durch Wald, dann zwischen weidenden Kühen, bis hin zum Weiler Dörflas. Fast bin ich dem Streckenplaner dankbar für diese erneute Anstrengung. Nach fast dreißig Kilometern werde ich spielend mit ihr fertig, was den Glauben an mich selbst und den finalen Erfolg der „Mission impossible“ festigt.
Das frühlingsfrische Grün der Wiesen rund um die Handvoll Häuser von Dörflas ist stumpf geworden. Schamhaft verbirgt sich Frau Sonne hinter einer dicken Milchglasscheibe. Regen scheint sicher, die Frage ist nur wann. Wieder im Wald überhole ich eine Läuferin und trotte stoisch vor mich hin. Upps! Aufpassen! Zum Glück ein auffälliges Duo, grell orange auf grauem Asphalt: Die Pfeile zeigen im spitzen Winkel seitwärts auf einen ziemlich unscheinbaren Pfad. Tief drunten, durch lichtes Grün alter Fichten erkennt man dann und wann den Fluss. Von hier oben wird deutlich, wie tief sich die Saale über Jahrmillionen ins thüringische Land gegraben hat. Der Pfad senkt sich, strebt mit wachsendem, zuletzt gefährlichem Gefälle dem Fluss entgegen. Wer meint, er könne auf diesem Abschnitt Zeit gut machen, liegt falsch. Wer es dennoch versucht, sicher bald auf der Nase. Mit höchster Konzentration gebe ich Höhe auf, Schritt für Schritt.
Endlich, nach scharfer Spitzkehre, hat mich das Saaleufer wieder und alarmiert mich augenblicklich: Wurzeln! Unmengen knorriger Wurzeln, so weit das Auge reicht. Oft dicht an dicht, so dass kein Fuß dazwischen passt. Laufen mutiert zum Eiertanz. Minutenlang. Ein bisschen fühle ich mich um die schönen Ansichten zum Fluss hin betrogen. Immer wieder riskiere ich rasche Blicke. Erkenne drüben die steilen, asphaltierten Serpentinen, auf denen ich vor nicht mal einer Stunde Schweiß vergoss. Orientierung gewonnen, Fußsicherheit verloren. Ich stolpere: Einmal, zweimal, beim dritten Mal fehlt nicht viel.
Hab’s sturzfrei überstanden, Adrenalin abgebaut und bewege mich zum weiß nicht wievielten Male aufwärts. Noch elf Kilometer. Ich erwarte weitere Anstrengungen, optisch dagegen nicht mehr viel. Was soll mir die Strecke nach so vielen packenden und zauberhaften Bildern nun noch bieten? Noch mehr Wald und Wasser? Die Ansichten werden sich wiederholen. – Tun sie aber nicht! Als die Burg in Sicht kommt, jetzt unmittelbar vor mir aufragend, den Berg beherrschend und wundervoll restauriert, beginnt der fesselndste Teil des Weges.
Bei der von mir mangels Kenntnissen als „Burg“ bezeichneten Sehenswürdigkeit handelt es sich um „Schloss Burgk“, wie ich hinterher lese.
Ist das zu fassen? Ohne Unterlass wechseln die Ansichten zwischen idyllisch und atemberaubend, als habe ein gewiefter Dramaturg den Streckenplan in Szene gesetzt. Zunächst also die Burg, Land und Fluss von oben beherrschend, Zeugnis einstiger Macht und Pracht. Dann schlängelt sich der Weg am jäh abfallenden Hang entlang, umkurvt Felsen, sichert den Wanderer mit Geländern an kritischen Stellen. Dabei geizt er nicht mit Ausblicken über Höhen und die Flussschleife tief unter mir. Dann und wann laden Aussichtskanzeln zum Schauen und Verweilen ein. Einer opfere ich eine halbe Minute, gönne mir die einmaligen Bilder und banne sie in den Speicher meiner Kamera.
Hab Höhe verloren, dafür das Saaleufer abermals gewonnen. Noch neun Kilometer. Der Pfad setzt sich hier unten auf ähnlich abenteuerliche Weise fort, wie vorhin in luftiger Höhe. Immer enger wird die Spur, immer näher rückt der Fels. Erst überbrücken mit Geländern gesicherte Planken Lücken zwischen Felsblöcken. Zuletzt ermöglicht nur noch eine durchgehende Galerie, mit viel Aufwand und Eisen am bloßen Fels verankert, das Weiterkommen. Zwei, drei Meter über dem Wasserspiegel traben die Füße sicher dahin, geben den Augen Gelegenheit zu genießen Einmal mehr beherrscht mich dieselbe Frage: Schon jetzt offeriert die Natur unvergleichlich schöne Eindrücke. Wie wunderbar mag das erst in ein paar Wochen aussehen, wenn sich das Grün jedes Fleckchen Erde zurückerobert hat.
Ende des Steigs und – nichts anderes habe ich erwartet – wieder aufwärts. Langsam klingt die Erregung der letzten halben Stunde ab, lässt Raum für eine wenig erbauliche Wahrnehmung: Ich bin müde. Was mich daran wundert, ist eigentlich nur der späte Zeitpunkt. Nur noch sechs oder sieben Kilometer. Der schrundige, stellenweise von Regenwasser ausgewaschene Pfad erleichtert mir die Sache nicht unbedingt, stellt mich aber nicht vor ernsthafte Schwierigkeiten. Es geht und bedenkt man die bereits gelaufenen 40 Kilometer, dann sogar erstaunlich gut. Aber: Tempo runter! Keinesfalls ans Limit gehen! Will morgen einen weiteren Marathon laufen! Also nehme ich den mutmaßlich letzten „Buckel“ betont langsam in Angriff. In einer Weise, für die der Terminus „Laufen“ gerade noch Gültigkeit behält.
Eine „4:xx:xx“ nimmt sich in der Ergebnisliste nun einmal respektabler aus, als irgendwas mit einer „5“ davor. Deshalb behalte ich bei aller „Bummelei“ die Uhr im Auge und stelle nun häufiger Hochrechnungen an. Vor allem, weil der Schlussanstieg meine beanspruchten Beine länger und härter fordert als mir lieb sein kann. Mein Zeitpuffer schrumpft unausgesetzt aber nicht bedenklich. Endlich bleibt der Wald zurück und der Weg wird flacher. Zwischen Wiesen und verstreuten Wäldchen windet er sich sanft bergan. Ich überhole zwei gehende Läufer und überschreite schließlich die Hügelkuppe bei Kilometer 42,5.
Der Rest wird Gefälle sein. Nicht weil ich es mir wünsche, sondern weil es in weitem Umkreis nichts Höheres zu erklimmen gibt. Wieder der Blick zur Uhr: 25 Minuten bleiben für dreieinhalb Kilometer; höchstens vier, wenn das GPS es ein bisschen zu gut mit mir meinte. Ich bin heute im 146. Marathon unterwegs. Nach so vielen Wettkämpfen hast du viele Überraschungen, auch unliebsame, bereits erlebt. Nicht verwunderlich daher, aus der Tiefe dieses Fundus’ nun den höchst unwillkommenen Mahner zu hören: ‚Wenn die Strecke länger ist als 46 km, dann wird es eng!’
Sanft und unablässig abwärts. Erst auf gutem Feldweg, alsbald auf einem Traum von Radweg. Schon nach ein paar Metern feinstem Asphalt steht fest: In ihrem früheren Leben trug diese Trasse Eisenbahnschienen auf dem Buckel. Kann mein Glück kaum fassen, dass die Schlusskilometer dieses mehrfach beinharten Trails nun als abschüssiges Asphaltgeschenk daher kommen.
43 Kilometer, dann 44 und noch eine Viertelstunde Zeit. Wenn man den Organisatoren etwas vorwerfen will, dann das: Anfangs war die Strecke noch partiell mit Kilometertafeln markiert. Ich erinnere mich an 5 km, wohl auch 7,5 und ein, zwei weitere Schilder. Doch seit der Streckenteilung (46 km-Lang- und 24 km-Mittelstrecke), als sich der Kurs vom Bleilochstausee abwandte, nichts mehr. Nun könnten sie doch wenigstens den letzten Kilometer ankündigen. Ein bisschen Licht am Ende des Tunnels für jene, denen der Saft auszugehen droht.
Dort vorne! Eine grell-orange Beschriftung quer zum Laufweg. Da wird stehen „Noch ein Kilometer!“ – Ein bisschen fühle ich mich, als hätte mir einer einen Holzhammer über den Schädel gezogen. Von wegen „ein Kilometer“! Da stand „Noch 3 Kilometer!“ Obschon ich nun keinesfalls mehr unter fünf Stunden das Ziel erreichen werde, halte ich mein Tempo. Der Sprüher muss sich „versprüht“ haben. Zwei Kilometer mehr als mein GPS-Empfänger anzeigt?? Trotz Ungenauigkeit der satelliten-gestützten GPS-Messung halte ich das für schlicht unmöglich.
„Noch zwei Kilometer!“ sprühte die Spraydose auf den Asphalt und ein paar Meter weiter springt mein GPS-Zählwerk auf „46“ … Das war’s dann wohl mit den „4:xx:xx h“. Fast augenblicklich schalte ich einen Gang zurück und beginne mit Trauerarbeit: ‚Vier ist nur eine Zahl ohne Bedeutung. Davon hängt nichts ab. Wichtig allein: Ich fühle mich nicht ausgelutscht, nur merklich beansprucht. Die Chance morgen in Dresden gut durchzukommen habe ich mir erhalten!‘
Unter anderem deshalb bewegt sich die Halbwertszeit meiner Enttäuschung im Sekundenbereich. Außerdem habe ich all diese Bilder im Kopf. Mehr als 40 Kilometer bezaubernde, spektakuläre, aufregende, in dieser Dichte völlig unbegreifliche Ansichten. Vor nicht mal vier Wochen flog ich nach Südafrika, um in Kapstadt den angeblich schönsten Marathon der Welt zu laufen, die 56 Kilometer des „Two Oceans Ultras“. Der von höherer Gewalt (Wetter und Buschfeuer) vermasselte „Dreamrun“ hing mir bis heute nach. Nun fühle ich mich entschädigt und bin fast versucht zu denken „Warum in die Ferne schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah!“Dann laufe ich nach 5:05:59 Studnendurch das Zieltor.
Wer Landschaften mag und sich der Natur verbunden fühlt, MUSS die Strecke des Bleilochlaufes einmal in seinem Läuferleben absolviert haben. Man kann die Schönheiten von Strecken nicht vergleichen und schon gar nicht gegeneinander aufrechnen. Aber was die Gegend an der Saale zu bieten hat, findest du in dieser Dichte und Abwechslung nirgendwo anders. Wie im Laufbericht ausgedrückt: Bezaubernd, atemberaubend, idyllisch und mehr.
Aber Achtung! Der Streckenanspruch ist gewaltig. Einerseits erschöpfen dich über 1.100 Höhenmeter auf 46 km (meine Messung: eher 47). Darüber hinaus fordert der Kurs mit mehreren, kilometerlangen Trails. Dort lauern Steine jedweder Größe und noch mehr Wurzeln, die dich zu Fall bringen wollen! Der Kurs setzt den gut bis sehr gut ausdauertrainierten Sportler und ein gewisses Maß an Trailerfahrung voraus. Also keine Strecke für Marathoneinsteiger!
Die Organisation müht sich liebevoll um jeden Einzelnen und hat es geschafft im Start-/Zielbereich mit minimalen Wegen auszukommen. Parkplatz, Startnummernausgabe, Start/Ziel, Toiletten, Duschen – alles im Umkreis von hundert Metern. Hervorzuheben auch die üppige Zielversorgung mit allem, was das Läuferherz begehrt.
Im letzten Drittel des Rundkurses plagte mich der Durst. Hier wären ein, zwei Stationen mehr mit Wasser hilfreich gewesen.
Hallo,
sehr schön geschrieben und beschrieben – vielen DANK dafür.
Auf Bild 2, von oben abgezählt, bin ich der Typ im blauem Shirt ;o)
Beste Grüße
Jordi
Hallo,
die Strecke ist schön beschrieben. Mußt aber nicht abermals wiederholen das du am darauf follgenden Tag einen Marathon rennst. Und dann wieder und wieder und wieder….hattest wahrscheinlich eine schlechte Zeit und rechtfertigt es damit:-(
Hab weiter gelesen bla bla die 56 Kilometer des „Two Oceans Ultras“.(es geht hier um den Bleilochlauf)
bla bla wo du warst …über 5 Stunden ist trotzdem schwach