Laufszene-Autorin Barbara Findeisen hat sich beim Rennsteiglauf das erste Mal an den Supermarathon gewagt. Schon viele Tage vor dem Start war die Aufregung groß. „Kann ich das schaffen? Wie werde ich mich unterwegs fühlen?“ Diese und viele andere Fragen bewegten sie. Dann endlich ist es soweit. In einem mehrteiligen Bericht lässt sie uns an ihrem Lauferlebnis teilhaben.
Die Schmücke wird sichtbar und auch die Fußspuren der 8.000 Läufer vor mir (vom Halbmarathon und den ersten tausend Läufern meines Laufes). Der Wiesenweg ist völlig aufgeweicht und ich versuche den Wasserlöchern auszuweichen. Was mir aber nicht gelingt. So ein Pech, jetzt habe ich doch noch zwei nasse Füße. Hoffentlich bilden sich auf den letzten 10 km keine Blasen. Gestärkt verlasse ich den letzten Verpflegungspunkt. Jetzt lasse ich es rollen.
Es kommen noch zwei Getränkepunkte, beide vom SMV Goldlauter betreut. Bei Kilometer 68 halte ich an der letzten Getränkestelle mit dem passenden Namen Bierfleck an und mache das, was ich schon immer mal ausprobieren wollte: Ich genehmige mir einen Becher Köstritzer Schwarzbier.
Ziel, ich komme!
Jetzt beginnen die schwierigsten Kilometer für mich. Ich kenne die Strecke vom Halbmarathon- Lauf 2010. Und weiß, es geht fast nur noch bergab. Aber mich überkommt die panische Angst, es nicht zu schaffen. Was aber noch nie passiert ist. Werden auch diesmal wieder meine „Körner“ für einen Schlussspurt reichen? Sicher, denn vorhin rief mir einer hinterher “Du siehst noch locker und schnell aus!“
Und bloß nicht heulen beim Zieleinlauf. Sehnsüchtig warte ich auf das letzte große Schild „Kilometer 70“. Aber ich nehme es nicht wahr. Nun ist man fast alleine auf der Strecke. Ein Läufer, den ich überhole, sagte gerade, dass es hier schön ruhig ist. Man hört sogar die Vögel zwitschern. Dort wird schon die steile Kurve angekündigt, wo ich nochmal aufpassen muss, um nicht zu stürzen. Und plötzlich laufe ich am Skilift vorbei.
Fast kann man den Trubel im Zielbereich schon hören! Noch „schnell“ über die Straße, einen letzten kleinen Anstieg hinauf durch die Gärten. Ich laufe durch ein aufgebautes Tor, nur noch 1086 Meter bis zum Ziel steht oben drauf! Selbst jetzt stehen begeisterte Zuschauer am Rand und feuern mich an. Ich sehe den Zielgarten vor mir, reihe mich in die richtige Spur ein und fange nun doch an zu heulen. Ich fliege nach knapp zehn Stunden dem Ziel entgegen, begrüßt durch den unermüdlichen Zielsprecher Siegfried Weibrecht, lasse mich austrudeln und kann es kaum fassen:
Ich habe es geschafft! Jetzt bin ich auch eine „Königin“. Und Hut ab vor allen Läufern, die vor mir reinkamen, oder noch unterwegs sind.
Meine Freundin empfängt mich und wir liegen uns weinend in den Armen. Ich bin stolz auf sie, lief sie doch heute ihren ersten Marathon. Und das auf dem Rennsteig! Schnell noch zum Duschen, jetzt fange ich an zu frieren und auch der Himmel weint. Bis jetzt hatte das Wetter wunderbar gehalten. Dann das Läuferbier und die Läufersuppe abholen, rein ins warme, volle Festzelt. Da ich in Eisenach übernachtet hatte, war mein Gepäck etwas größer als nur die gelben Transportbeutel (Rucksack, Isomatte, Schlafsack…).
Da ruft mir doch einer zu: „Geschlafen wird hier aber nicht!“. Wir lachen beide und ich versuche mich zu setzen. Klappt ganz gut, das Aufstehen später geht etwas schlechter. Gegen 18.00 Uhr entsteht ein Höllenlärm. Die Trommeltruppe aus Mühlhausen marschiert ein und verwandelt das Zelt in ein Tollhaus. Alle springen auf die Bänke und fangen an zu hüpfen. Eben dachte ich noch, heute geht gar nichts mehr. Auf einmal sind alle Schmerzen wie weggeblasen. Auch als Hansi, der Moderator von Neuhaus auf die Bühne kommt und das Rennsteiglied anstimmt, singe ich gemeinsam mit allen lauthals mit, es wird geschunkelt und mitgeklatscht, und alles stehend auf den Bänken.
Ich werde doch ein bisschen müde, bin ich doch schon seit 13 Stunde im wahrsten Sinne des Wortes auf den Beinen. Wir suchen unser Gemeinschaftsquartier im „Haus am Stein“ auf und bereiten alles für die Nacht vor. Es ist schon gut gefüllt. Ich lege mich ein halbes Stündchen aufs Ohr, kann aber nicht schlafen. Gegen 19.30 Uhr zeihen wir wieder los. Eigentlich wollten wir uns ein Taxi nehmen, zwingen dann aber doch unsere müden Beine, uns wieder hoch ins Festzelt zu bringen. Es ist immer noch rammelvoll und eine wahnsinnige Stimmung. Viele haben stolz ihre Medaillen umgehängt oder das schöne Finisher-T-Shirt vom Supermarathon angezogen. Meins habe ich brav im Rucksack verstaut. Wir feiern bis Mitternacht und fallen dann zufrieden, glücklich ein klein bisschen kaputt in unsere Schlafsäcke.
Aber eins weiß ich jetzt schon – Rennsteig, warte auf mich. Nächstes Jahr im Mai bin ich wieder dabei!