Laufszene-Autorin Barbara Findeisen hat sich beim Rennsteiglauf das erste Mal an den Supermarathon gewagt. Schon viele Tage vor dem Start war die Aufregung groß. „Kann ich das schaffen? Wie werde ich mich unterwegs fühlen?“ Diese und viele andere Fragen bewegten sie. Dann endlich ist es soweit. In einem mehrteiligen Bericht lässt sie uns an ihrem Lauferlebnis teilhaben.
Kilometer „0“
Es ist kurz nach fünf Uhr. Ich stehe bei aufgehender Sonne auf dem Eisenacher Marktplatz und schüttel nur mit dem Kopf. Was treibt über 2.000 Frauen und Männer zu so früher Tageszeit dazu, in knapp einer Stunde 72,7 Kilometer zu laufen? Und sich auch noch darauf zu freuen? Alle sehen recht entspannt aus, man begrüßt sich und ich werde sofort in die verrückte Supermarathonfamilie aufgenommen.
Schnell noch ein paar Fotos, den gelben Sack zum Gepäckauto und kurz vor sechs sich in den Start einreihen. Es gibt kein Gedrängel. Wir haben noch ganz viel Zeit, wieder Boden gutzumachen. Und die meisten laufen eh ganz langsam los. Wie hat mir ein Freund für meinen ersten Ultralauf auf den Weg gegeben: „Das entscheidende sind nicht die vielen Kilometer, sondern das Tempo. Und wenn alle gehen, mache es auch.“
Ich nehme mir ganz fest vor, seine Worte zu beherzigen. Habe nun doch meinen Fotoapparat eingesteckt und eine alte Trainingsjacke übergezogen, die ich dann irgendwann am Rand liegenlassen werde. Jetzt spricht irgend jemand ganz vorne, aber da wo ich stehe versteht man fast nichts. Und dann wird’s noch lauter. Der Helikopter kreist über uns.
Gleich geht’s los! Die Kirchturmuhr schlägt sechs Mal und ganz langsam setzt sich das Läuferfeld in Bewegung. Wir laufen durch die Innenstadt von Eisenach. Es stehen trotz der frühen Stunde viele Zuschauer am Rand und wünschen uns viel Glück. Ein Banner an der Seite brachte mich gleich zum Schmunzeln: „Wenn es einfach wäre, würde es Fußball heißen.“ Recht zügig erreichen wir den Ortsrand und wir biegen nach links ab. Ab jetzt geht es erst mal bergauf. Noch laufe ich, aber nach ca. zwei Kilometern fangen alle an zu gehen, ich also auch.
Wir schlängeln uns auf recht matschigen Wegen nach oben und der erste Stau zwingt mich manchmal, kurz stehen zu bleiben. Ich genieße die links und rechts liegenden Ausblicke wie die „Moosbachlinde“, der “Marienblick“ und das Burschenschaftsdenkmal. Die Wege werden trockener und nach 6,9 Kilometern erreiche ich die erste Getränkestelle. Da es noch recht frisch ist, nehme ich dankbar einen Becher warmen Tee an und gehe weiter. Bloß nicht stehen bleiben! Kurz danach ist an der Hohen Sonne der Rennsteig erreicht.Was mir auffällt, es wird nur alle 5 Kilometer die gelaufene Strecke angezeigt. Dafür aber in schönen großen Schildern, die nicht zu übersehen sind. Und mir ist es auch recht so. Man muss nicht ständig abziehen, wie viel noch zu laufen ist.
Ich mache meine eigene Rechnung – nun steht schon eine 60 vor den noch zu laufenden Kilometern usw. Man kann sich auch grob an den ca. alle 5 Kilometern kommenden Getränkestellen orientieren, die immer eine willkommene Abwechslung sind. Die Begrüßung dort ist sehr herzlich und gibt mir den nötigen Ansporn, weiterzulaufen. So wie zum Beispiel beim nächsten Stop an der „Ascherbrücke“. Bald, d.h. bei Kilometer 17,9 gibt’s dann auch was zu essen. Ich freue mich schon jetzt drauf, bekomme ich doch langsam Hunger. Mein Frühstück um vier Uhr im Eisenacher Gymnasium liegt schon einige Stunden zurück.
Immer wieder werden wir nach endlosen Anstiegen mit kurzen Passagen belohnt, die bergab gehen. Es ist wie ein Berg- und Tallauf, denke ich oft. Obwohl leider die Anstiege überwiegen. Ich werde, falls ich je ankommen sollte, insgesamt 1470 Höhenanstiegsmeter in den Beinen haben. Aber auch die 969 Höhenabstiegsmeter sind nicht zu unterschätzen, was ich am Inselberg noch merken werde! Es geht gut mit dem laufen, die Beine rollen wie geschmiert, ich habe bloß immer kalte Hände, die nie richtig warm werden. Also das nächste Mal Handschuhe anziehen.
Ich treffe auch einige Bekannte und wir quatschen ein bisschen. Überhaupt wird sich unter der Läuferschar ziemlich viel unterhalten, anders wie beim Marathonlauf. Da geht es oft um eine bestimmte Zeit. Hier scheinbar nicht. Alle sind entspannt. Auch Zeitläufer habe ich keine gesehen. Und auch die vielen Betreuer (Sanitäter, Bergwacht usw.) machen es sich nach fast getaner Arbeit gemütlich und haben schon mal den Bratwurstrost angeschmissen.
Endlich kommt die Glasbachwiese in Sicht. Jetzt habe ich „schon“ 17,9 Kilometer in den Beinen. Und endlich gibt es den berühmten Schleim. Ich glaube, er war hier mit Heidelbeergeschmack. Genau das richtige! Schnell noch einen Becher Tee in die Hand und weiter geht’s. Der berüchtigte große Inselsberg ruft. Was mir aber keiner vorher sagte, ist, dass es der kleine Anstieg davor auf den oberen Beerberg in sich hat.
Wir passieren die Hirschbachwiese in einer Höhe von 691 Metern. Es geht wiedermal bergauf, aber kleine Einlagen anderer Läufer lenken ein bisschen ab. Da kommen doch zwei Jungs im grellen Rosa-Laufanzug und schleppen eine Gitarre mit. Ich bin erstaunt und schon bekomme ich ein extra Ständchen – natürlich das Rennsteiglied – ich werde es heute noch öfters hören.
Fortsetzung folgt