Der Hattrick ist perfekt: Nora Kusterer hat beim Rennsteiglauf in beeindruckender Manier ihren Marathontitel verteidigt. In 2:56:23 Stunden distanzierte sie die Konkurrenz um nahezu 25 Minuten und blieb trotz Sonnenschein und Temperaturen über 20 Grad nicht weit über ihrem Streckenrekord. Im dramatischen Männer-Rennen sah lange alles nach einem Sieg von Topfavorit Marcel Krieghoff aus. Doch auf Hälfte zwei brach der Erfurter stark ein und verlor sogar beinahe noch seinen Podestrang. Der Leipziger Sebastian Nitsche nutzte die einmalige Chance, um sich nach mehreren Podiumsplätzen diesmal in 2:42:53 Stunden einen hochemotionalen ersten Sieg auf dem Thüringer Höhenweg zu sichern.
Von wegen „Rennsteig-Wetter“: Zur 46. Auflage des Kultlaufs am vergangenen Samstag gab es statt Regen, Nebel und Kälte sommerliche Bedingungen. Als um 9 Uhr der Startschuss für den Marathon in Neuhaus am Rennweg fiel, zeigte das Thermometer bei Sonnenschein bereits um die 17 Grad. Keine einfachen Voraussetzungen also für die 3.306 Teilnehmer – und insgesamt 143 sollten dieses Mal das Ziel auch nicht erreichen.
Völlig unbeeindruckt von den nicht idealen Bedingungen zeigten sich allerdings die Favoriten des Rennens. Wie schon im Vorjahr ließen Nora Kusterer (SV Oberkollbach) und Marcel Krieghoff (SC impuls Erfurt) von Anfang an keine Zweifel an ihren Siegambitionen aufkommen. Beide lagen an der Turmbaude in Masserberg bereits souverän in Führung. Die 29-jährige Kusterer hatte zu diesem Zeitpunkt bereits sagenhafte 8:30 Minuten Vorsprung und durchaus noch Chancen auf ihre im Vorjahr aufgestellte Kursbestzeit.
Dahinter lag Kim Schreiber von der LG Bamberg auf Platz 2 bereits deutlich vor der mehrmaligen Podestläuferin Johanna Schreier (SG Motor Arnstadt). Die Mitfavoriten Monika Kahl (PSV Meiningen) und Marie Brückner (USV Erfurt) folgten zu diesem Zeitpunkt bereits mit über einer Minute Rückstand, ebenso wie Anja Jakob (Klingenthal), Siegerin von 2009 und 2011.
Kusterer zeigte an der Spitze keine Schwächen und konnte bis zum Dreiherrenstein auch ihren prominenten Begleiter – die Rennsteiglegende Christian Seiler – hinter sich lassen. In 2:56:23 Stunden lief sie als Zehnte aller Teilnehmer ins Ziel. Dahinter entwickelte sich ein spannender Kampf um die weiteren Medaillen.
Johanna Schreier war zur Halbzeit auf Rang vier zurückgefallen, kämpfte sich bis zur Zwischenzeitnahme bei Kilometer 33,3 aber wieder auf den zweiten Rang nach vorn. Auch die Meiningerin Monika Kahl holte die lange Zeit zweitplatzierte Kim Schreiber noch ein und ging als Dritte auf die letzten Kilometer in Richtung Ziel. Die 30-jährige hatte sich das Rennen hervorragend eingeteilt und lief bis Schmiedefeld sogar noch zu Johanna Schreier auf.
Der Kampf um Platz 2 war dann an Dramatik nicht zu überbieten: Kahl überholte Schreier am Schlussanstieg zum Schmiedefelder Sportplatz und lief einen kleinen Vorsprung heraus. Doch Schreier konnte auf der Zielgeraden kontern und im Spurt Rang zwei zurückerobern. In der Ergebnisliste wurde sie dann kurzzeitig wieder als Dritte geführt, denn Kahl war weiter hinten im Feld gestartet und nach der Nettozeit zwei Sekunden schneller. Doch weil für die Podestplatzierungen die Einlaufreihenfolge (Bruttozeiten) den Ausschlag gibt, wurde das schnell korrigiert. Für beide gingen 3:21:02 Stunden in die Ergebnisliste ein. Die Hamburgerin Eva Halbgewachs, Kim Schreiber und Anja Jakob (Klingenthal) blieben dahinter ebenfalls noch unter 3:30 Stunden.
Auch Marcel Krieghoff hatte sich standesgemäß früh vom Feld abgesetzt, um dem nächsten Start-Ziel-Sieg entgegenzueilen. Mit fast 2:30 Minuten Vorsprung rannte er über der Halbmarathonmatte, nichts schien ihn noch vom nächsten Triumph abhalten zu können. Dahinter hatten sich wiederum Stephan Holesch (LG Wettenberg) und der Vorjahreszweite Sebastian Nitsche (BMW DHfK Leipzig) bereits deutlich vom Rest des Feldes abgesetzt, wobei sich Holesch einen kleinen Vorsprung herausgelaufen hatte.
Doch bis Kilometer 30 wurde es turbulent: Krieghoff, der wenige Tage vor dem Marathon noch mit einer Erkältung zu kämpfen hatte, ereilte das gleiche Schicksal wie vier Wochen zuvor beim Oberelbe-Marathon: Er konnte das hohe Tempo nicht mehr halten und brach stark ein. Auch der zweitplatzierte Holesch bekam es mit Krämpfen zu tun und musste deutlich abreißen lassen. So fand sich Sebastian Nitsche am Dreiherrenstein plötzlich in Führung wieder. Nach monatelanger Achillessehnenverletzung und nur elfwöchiger Vorbereitung hatte der Vorjahreszweite das selbst nicht für möglich gehalten. Erst kurzfristig hatte er sich noch postalisch für den Lauf gemeldet, tauchte deshalb nicht in den Startlisten auf. Nun also schien der Sieg zum Greifen nah. Sein Vorsprung wuchs beständig, doch schnell fühlte auch er sich „völlig platt“.
Noch auf dem Zielgelände konnte er seinem Glück kaum trauen und schaute sich mehrmals um. Aber hinter ihm kam niemand. Als dann die Böllerschüsse ertönten, die den Zuschauern die Ankunft der Sieger signalisieren, zuckte er erst erschrocken zusammen, um dann auf der Zielgeraden die Hände ungläubig vor das Gesicht zu nehmen. „Es ist mein sechster Anlauf, um ganz vorn einlaufen zu können – dass es heute klappt war nicht zu erwarten. Das ist schon echt überwältigend“, sagte der Sieger später im Ziel. Mit 2:42:53 Stunden war es zwar nicht sein schnellster Rennsteig-Marathon, wohl aber der emotionalste. „Ich habe am Rennsteig viel gelernt, bin schon einmal von Platz 2 auf 4 durchgereicht worden“. Die Erfahrung kam ihm heute zugute. Ob er jetzt nach dem Sieg noch einmal zurückkehrt? Für ihn keine Frage: „Der Rennsteiglauf ist Kult!“.
Von dem Favoritensterben profitierte auch Michael Chalupsky von der TSG 78 Heidelberg. Er lief auf den letzten 10 Kilometern noch von Platz 4 auf den zweiten Rang nach vorne und beendete sein Rennsteig-Debüt in 2:47:12 Stunden. Dahinter musste Marcel Krieghoff alle Reserven mobilisieren, um den dritten Rang zu verteidigen. Denn bis Schmiedefeld hatte sich Benedikt Nußbaum (TSV Bernstadt) bis auf wenige Meter herangekämpft. Aber Krieghoff rettete sich in 2:49:24 Stunden mit nur 7 Sekunden Vorsprung als Dritter ins Ziel. „Meine kämpferisch beste Leistung in diesem Jahr“, analysierte er später. Den Rennverlauf nahm er gefasst auf: „Niederlagen gehören zum Sport dazu“. Für Stephan Holesch wurde es in 2:54:01 Stunden am Ende Rang 6, womit er zumindest die familieninterne Wertung vor seiner Lebensgefährtin Nora Kusterer für sich entschied. Insgesamt blieben nur zehn Männern unter 3 Stunden – der niedrigste Wert, seit das Rennen über die klassischen 42,195 Kilometer ausgetragen wird (2016: 16, 2017: 17).
Die emotionalste Geschichte dieses Marathons schrieben aber nicht die Sieger und Platzierten des Laufs, sondern Carolin und Roman Freitag von der Katholischen Laufjugend Arnstadt. Das Paar erreichte nach 6:08 Stunden gemeinsam mit Freunden das Ziel in Schmiedefeld. Zuvor hatten die beiden während des Marathons einen Abstecher zum Bahnhof Rennsteig unternommen, um sich dort in Laufkleidung vor Freunden, Familie und einer TV-Kamera das Ja-Wort zu geben. Schon den Heiratsantrag hatte es vor einem Jahr beim Rennsteiglauf gegeben, ein kleiner Hochzeitstanz folgte am frühen Abend im wie immer gut besuchten Festzelt in Schmiedefeld.