Als am Samstag vor einer Woche der 45. Geraer Silvesterlauf startete, hatte dieser Lauf gleich zwei Jubiläen. 45 Jahre wurde er ohne Unterbrechung organisiert, womit er der älteste Thüringer Silvesterlauf ist, der ohne Unterbrechung stattfand. Noch vor den Silvesterläufen in Wasungen, Meiningen, Tanna und Erfurt kann man Gera als den traditionsreichsten Silvesterlauf in Thüringen ansehen.
Das zweite Jubiläum hängt mit der politischen Wende in der DDR vor 25 Jahren zusammen. Silvester 1989 gehörte er zu den ersten großen Läufen in der DDR, der „westdeutsche“ Läufer zu einem Start ohne Teilnehmergebühr einlud und sogar noch Privatquartiere bei Lauforganisatoren bereitstellte.
Der 1. Geraer Silvesterlauf wurde vom Vorsitzenden der BSG Wismut Gera, Karl Muschitz im Rahmen der Meilenlaufbewegung als Volkslauf über ca. zwei Kilometer vor 45 Jahren ins Leben gerufen. Um die 50 bis 100 Teilnehmer starteten anfangs. Es folgte die Weiterentwicklung zu einem 10-Kilometerlauf auf einer zwei Kilometerstrecke durch die Leichtathleten der BSG Wismut Gera um Werner Scheffler. Die 1978 gegründete Laufgruppe übernahm dann die Organisation und entwickelte den Lauf zum zweitgrößten Laufereignis in Thüringen nach dem Rennsteiglauf. Gesamtleiter waren Dr. Hans-Georg Kremer und zur politischen Wende in der DDR Dr. Martin Nimptsch. Mitte der 1980er Jahre gingen zeitweilig über 2000 Aktive auf drei Strecken.
Die anspruchsvollen 20 Kilometer und auch die 11 Kilometer lehnten sich an Erfahrungen des Rennsteiglaufs an. Heute würde man dies als Trailläufe bezeichnen. Damals hießen sie Geländeläufe, die sich durch ein anspruchsvolles Profil und verschiedenstem Laufuntergrund, von Straßen- bis zu Schlammpassagen auszeichneten.
Immer war eine Meilenstrecke von ca. zwei Kilometer im Programm, die allen Laufinteressierten die Teilnahmemöglichkeit bot. Ein gut eingespieltes Organisatorenteam von der Laufgruppe der BSG Wismut Gera, mit Rennsteiglauferfahrung, die Unterstützung durch eine leistungsfähige und finanziell gut ausgestattete Betriebssportgemeinschaft und einen starken Trägerbetrieb mit der SDAG Wismut ermöglichten ein ständig steigendes Teilnehmerfeld.
Teilnehmerurkunden für alle, ein Ergebnisheft, kleine Laufsouvenirs vom Wimpel bis zum Läuferhemd, dazu nach Tombolaprinzip ausgegebene Karpfen und anspruchsvolle Siegerpreise trugen dazu bei, dass der Silvesterlauf sich ständig wachsender Teilnehmerzahlen aus der Region erfreuen konnte. Die kostenlose Nutzung der Schwimmhalle mit ihrem 50-Meter-Becken war ein weiteres „Highlight“ des Geraer Silvesterlaufs.
Mit der Öffnung der Mauer im November 1989 entwickelten sich vielfältige Initiativen für gemeinsame innerdeutsche Sportveranstaltungen auch in der Laufbewegung. Zum Geraer Silvesterlauf 1989 luden die Veranstalter Läufer aus der Region Nürnberg, der Partnerstadt Geras, zur Teilnahme nach Gera ein. Große Laufveranstalter wie der Münchner Marathon hatten bereits für 1990 kostenlose Startplätze für Läufer aus dem Osten zur Verfügung. Die Geraer nahmen diese Idee auf und ließen die „Nürnberger“ kostenlos starten, organisierten eine Zusammenkunft mit ihnen in der Sportlergaststätte nach dem Lauf und stellten ihnen Privatquartiere zur Verfügung.
Zeitungen aus Gera und Nürnberg veröffentlichten kurzfristig diese Initiative. Dr. Peter Ullrich, der heute noch zur Organisation gehört, war mit seiner Frau mit dem Trabant sogar nach Nürnberg gefahren, um dort Ausschreibungen an den Mann zu bringen.Ca. 25. Läuferinnen und Läufer aus dem Raum Nürnberg und aus Oberfranken nahmen die Einladung spontan an und gingen an den Start. Einige von ihnen waren läuferisch überhaupt nicht vorbereitet. Sie wollten einfach mal in die „DDR“ fahren, da sie keine verwandtschaftlichen Beziehungen im Osten besaßen.
Alle schafften erfolgreich die verschiedenen Strecken. Zu einer Laufgruppe in Helmbrechts entwickelte sich eine Sportfreundschaft, die aber in den Folgejahren wieder einschlief, als die BSG Wismut Gera aufgelöst wurde und der Nachfolgeverein ums Überleben kämpfen musste.
Heute hat sich der Geraer Silvesterlauf fest im Terminkalender etabliert und seine Besonderheit, dass er immer an einem Sonnabend stattfindet, führt auch manchmal dazu, dass er, wie 2014, schon vier Tage vor Silvester startete und mach interessiertem Teilnehmer, der am Silvestertage weite Anreisen scheut, nach Gera zu fahren. Nachdem in den 1990 Jahren der Lauf viele Teilnehmer verloren hatte und auf unter 200 zurückgegangen war, gelang es dem Team um Dr. Detlef Ebert die Organisation zu stabilisieren und schrittweise neue Starter zu gewinnen. Dabei hatte es der neu gegründete Sportverein, heute 1. SV Gera e. V. anfangs nicht leicht, da besonders die Fußballabteilung für Turbulenzen sorgte. In diesem Jahr konnte der Gesamtleiter Dieter Müller erstmals wieder auf über 1000 Starter zurückblicken.
Auch Traditionen werden weiter gepflegt. Der inzwischen 80-jährige Laufbegründer Karl Muschitz ließ es sich nicht nehmen, 20 Karpfen für die Siegerehrung zu stiften. Auch unter den Teilnehmern war der eine oder andere aus den Anfangsjahren. Besonders auffällig war Klaus Gipser (Jg: 1936) vom Leichtathletikverein Einheit Greiz, der auch in diesem Jahr wieder sein Silvesterlauf-Baumwolllaufhemd aus dem Jahre 1982 auspackte und zum Lauf anzog. Auf der Vorderseite ist das schön gestaltete Stadtwappen von Gera zu sehen und auf der Rückseite der Spruch des Rennsteiglaufs „Je länger, je lieber“.
Das beim Geraer-Silvesterlauf in den 1980er Jahren der Rennsteiglauf auftaucht, hing damit zusammen, dass die BSG Wismut Gera als größter Sportverein der DDR mit seiner Laufgruppe 1979 zu den Organisatoren des Rennsteiglaufs stieß. Die starke Läufergruppe aus Gera übernahm Aufgaben in der Öffentlichkeitsarbeit und zeitweilig sogar die gesamte Erstellung und den Vertrieb von Rennsteiglauf-Souvenirs. Vorausgegangen war eine finanzielle Schieflage des Rennsteiglaufs. Der Rennsteiglauf musste damals weitestgehend ohne Zuschüsse des DDR – Turn- und Sportbundes (DTSB) auskommen. Die Wismut, als finanziell gut dastehender Verein, sicherte die Vorfinanzierung der Souvenirs. Es entstanden daher einige Souvenirs mit gemeinsamer Gestaltung, wobei der Rennsteiglauf, der Geraer-Silvesterlauf und der Städtelauf Jena-Gera davon profitierten.
Die Logos des Silvesterlaufs und des Städtelaufs gingen zurück auf den Gesamtleiter der 1980er Jahre und wurden von der damals schon bekannten jungen Geraer Grafikerin Angelika Schütt entwickelt. Auch das Rennsteiglauflogo erhielt eine modernere Form durch sie. Später schuf sie das erste Emblem des USV Jena e. V. Der Geraer Silvesterlauf ist übrigens der einzige von den drei oben genannten Läufen, der heute noch das Originallogo verwendet, was für die qualitativ hochwertige Gestaltung durch Angelika Schütt und das Traditionsbewusstsein der Geraer Lauforganisatoren spricht.
Auch die Herstellung der Ergebnishefte des Rennsteiglaufs wurde für einige Jahre durch die Wismut-Druckerei in Siegmar bewältigt; was in Suhl in den 1970er und 1980er Jahre nicht gesichert werden konnte. Zwei hochrangige Rennsteiglaufteilnehmer hatten sich dafür engagiert. Alfred Rhode, 1. Sekretär der Wismut Parteileitung der SED und wahrscheinlich, das Mitglied des Zentralkomitees der DDR-Staatspartei, wies seine Druckerei an, den Druck der Ergebnisse zu unterstützen. Roland Wötzel, damals 1. Sekretär der SED-Kreisleitung Leipzig, ebenfalls ein passionierter Rennsteigläufer, hatte mehrere Jahre die Druckgenehmigungen für die Rennsteiglaufergebnishefte abgesegnet, die ihm sein Mitarbeiter Rolf Becker vorgelegt hatte. Er wurde 1889 bekannt durch seine Mitwirkung bei den „Sechs“, die unter der Leitung von Kurt Masur einen Aufruf zur Gewaltlosigkeit verfassten, der bei der Montagsdemo am 9. Oktober 1989 in den Kirchen und über den Stadtfunk verlesen wurde.
Mit 1138 Teilnehmern am 27. Dezember 2014 konnte der 45. Geraer-Silvesterlauf als voller Erfolg bezeichnet werden.