Im vergangenen Jahr nahmen mehrere Thüringer Läufer an internationalen Meisterschaften teil, so bei den Senioren-Weltmeisterschaften und den kontinentalen Titelkämpfen der U20 (Stadion, Crosslauf), U23 (Stadion), Frauen (Team-EM), Männer (Berglauf) sowie Senioren (Straßenlauf, Cross-Staffel). Heute sollen diese Ergebnisse noch einmal rückblickend analysiert und ein kleiner Ausblick auf die neue Saison gegeben werden. Die Erfolge der Ultra-Läufer wurden bereits in einem früheren Beitrag zusammengefasst.
Um die Ergebnisse richtig einordnen zu können, seien einleitend ein paar grundsätzliche Anmerkungen erlaubt. Jedem ist bekannt, dass durch intensive staatliche Förderung Konkurrenz und Leistungsdichte im Hochleistungssport stark ausgeprägt sind. Viele Nationen bemühen sich, in der olympischen Kernsportart Leichtathletik Spitzensportler hervor zu bringen. Nur mit gezielter Förderung, bei der auch das gesamte Umfeld des Sportlers passt, ist es in unserer Zeit möglich, international erfolgreiche Athleten zu formen.
Bei den Senioren gibt es weltweit von staatlicher Seite kaum Interesse an der Entwicklung des leistungsorientierten Sports. Durchaus verständlich, haben doch viele Länder ganz andere gesellschaftliche Probleme. So ist es oft den Seniorensportlern selbst überlassen, inwieweit sie sich auf diesem Gebiet engagieren wollen. Internationale Erfolge im Leistungs- und Seniorensport können und sollen somit durch diesen Beitrag auch nicht miteinander verglichen werden.
Während sich die Nachwuchsathleten und Leistungssportler nur durch Normerfüllung für ein internationales Großereignis qualifizieren können, gibt es bei den Senioren keine Zugangsbeschränkungen. Allerdings müssen diese – sofern sie nicht von ihren Vereinen unterstützt werden – sämtliche Kosten für die Teilnahme selbst übernehmen, was die Möglichkeit und Motivation zum Start bei einer internationalen Meisterschaft wiederum einschränkt.
Bei den Nachwuchsläufern ist es der zweifache Deutsche U20-Meister Philipp Reinhardt (SV Einheit Worbis), der auch international zu den Besten seines Jahrgangs gehört. Im italienischen Rieti erreichte der Jenaer Student im Juli bei den europäischen U20-Titelkämpfen nach neuer persönlicher Bestleistung (8:55,64 Minuten) im 3000-Meter-Hindernisrennen einen sehr guten vierten Platz und verpasste mit nur einer Sekunde Rückstand die Medaillenränge. Im Dezember war der 19-Jährige bester DLV-Läufer seines Jahrgangs bei den Crosslauf-Europameisterschaften in Serbiens Hauptstadt Belgrad.
Mit dem U23-DM-Dritten Kevin Stadler (Erfurter LAC) hatte ein weiterer Thüringer Läufer die Qualifikationsnorm für eine kontinentale Meisterschaft erreicht. Bei der U23-Europameisterschaft in Tampere in Finnland konnte der Erfurter aber nicht an seine zuvor erreichten Leistungen über 800 Meter (Saisonbestleistung 1:47,31 Minuten) anknüpfen und schied bereits im Vorlauf aus.
Für die Männer und Frauen war zweifellos im August die Weltmeisterschaft in Moskau der internationale Höhepunkt des Jahres. Durchaus berechtigte Chancen auf eine Normerfüllung und damit die Teilnahme am Topereignis in Russlands Hauptstadt hatte lange Zeit der Suhler Sebastian Keiner (Erfurter LAC). Der frühere 800-Meter-Spezialist, der 2013 auf die 1500 Meter gewechselt war, erreichte als Saisonbestzeit 3:37,75 Minuten. Die Norm für die Welttitelkämpfe von 3:35,00 Minuten war damit durchaus in Reichweite, zumal Keiner sein Potential beim Lauf zur persönlichen Bestleistung nicht ausgereizt sah.
Ebenfalls um eine Normerfüllung für dieses Großereignis rang die Mittelstrecklerin Annett Horna (LC Rehlingen). Die Wahl-Erfurterin kam auf Saisonbestzeiten von 2:03,01 Minuten über 800 Meter und 4:10,98 Minuten über 1.500 Meter. Damit verfehlte die 26-Jährige diesmal noch die DLV-Norm (1:59,75 min bzw. 4:05,50 min). Im Juni wurde sie in die DLV-Auswahl zur Team-Europameisterschaft in Gateshead (Großbritannien) berufen. Die gebürtige Magdeburgerin kämpfte sich dort bei ihrer Premiere im A-Team der Nationalmannschaft in 2:04,92 Minuten auf Platz acht ins Ziel und gewann mit der deutschen Mannschaft die Silbermedaille.
Im bulgarischen Borovets hatte der TLV Anfang Juli bei den Berglauf-Europameisterschaften mit dem in der Schweiz lebenden Stefan Hubert (SV Sömmerda) einen weiteren Teilnehmer an internationalen Meisterschaften. Der Rennsteiglauf-Halbmarathonsieger von 2008 und 2010 kam auf dem 11,8 Kilometer langen Kurs mit einer Höhendifferenz von 1152 Metern als 30. im Mittelfeld auf dem Gipfel an und belegte mit der Deutschen Mannschaft Rang fünf.
Einen Höhepunkt für die Senioren bildeten die 13. Senioren-Europameisterschaften im Straßenlauf und der Cross-Staffel im Mai in Úpice (Tschechien). Der Ostthüringer Jürgen Tuch (M55, ASV Erfurt) kam hier nach 36:31 Minuten im 10-Kilometer-Lauf auf einem guten sechsten Platz, der Grundlage für den Sieg des deutschen Teams in der Mannschaftswertung war. Eine weitere Goldmedaille gewann der M55-er in der Cross-Staffel (3×4 Kilometer). Der Suhler Ausdauerathlet Steffen Meyer erreichte mit der deutschen Cross-Staffel der M45 die Silbermedaille.
Auch bei der Senioren-Weltmeisterschaft in Brasilien hatten die Thüringer Läufer einen Teilnehmer. Der Eisenacher Helmut Hantzsch (SV Mihla) erlief im Marathon der M65 die Bronzemedaille, mit seinen deutschen Mannschaftskollegen stand er bei der Teamwertung sogar auf dem obersten Treppchen und gewann Gold.
Die beste TLV-Einzelplatzierung bei der Senioren-WM im Berglauf Ende August erreichte Heidi Tuch (TuS Schmölln) in der W50 mit einem vierten Platz. In den Mannschaftswertungen gab es für Thüringer mehrfach Edelmetall. Durch ihr Einzelergebnis hatte Heidi Tuch maßgeblichen Anteil am Gewinn der Teamwertung der W50, aber auch Stephan Bayer vom Rennsteiglaufverein/LG Süd (M50), der Meininger Bernd Keppler (M45) sowie die gebürtige Ilmenauerin Anke Härtl (W45) kehrten mit WM-Mannschaftsgold aus dem Riesengebirge nach Hause zurück.
Fazit und Ausblick: Auch international konnten im vergangenen Jahr Thüringer Läufer auf sich aufmerksam machen. Mit Philipp Reinhardt hat der TLV ein hoffnungsvolles Talent, dessen Entwicklung man mit dem anstehenden Wechsel in die Juniorenklasse U23 weiter verfolgen sollte. Bei den Aktiven könnte Sebastian Keiner 2014 gute Chancen auf eine Teilnahme an den Europameisterschaften in Zürich haben, die DLV-Norm liegt über 800 Meter bei 1:46,25 Minuten, über 1500 Meter bei 3:37,70 Minuten – das scheint machbar. Selbst für Kevin Stadler, der weiterhin in der U23 startberechtigt ist, ist die DLV-Norm – ausgehend von seiner persönlichen Bestleistung – durchaus möglich.
Für den Deutschen Straßenlaufmeister Rico Schwarz (ASV Erfurt), der 2013 auf die 3000-Meter-Hindernisstrecke (Bestzeit: 8:45,23 min) wechselte, und seinem Trainingspartner Marcus Schöfisch (Saisonbestzeit: 8:58,93 min) wird es hingegen sehr schwer, die DLV-EM-Norm von 8:27,50 Minuten über 3000 Meter Hindernis zu erfüllen. Über 5.000 Meter werden 13:35,00 Minuten als Leistungsnachweis gefordert – ebenfalls eine schwierige Aufgabe. Für die Deutsche 1.500-Meter-Vizemeisterin Annett Horna, gleichfalls aus der Erfurter Trainingsgruppe von Dieter Herrmann, sollte die DLV-EM-Norm von 4:06,80 Minuten über 1.500 Meter das erste Saisonziel sein, um sich für eine EM-Teilnahme zu empfehlen.
Stefan Hubert ist auch 2014 im Perspektivkader der Nationalmannschaft Berglauf gelistet und wird versuchen, sich bei den Qualifikationsrennen für die Weltmeisterschaft im Berglauf (WMRA Long Distance Mountain Running Challenge) Mitte August in den USA zu qualifizieren.
Bei den Senioren muss man abwarten, wer Ende August eine Wettkampfreise in das türkische Izmir unternimmt, um bei den 19. Senioren-Europameisterschaften an den Start zu gehen. Auch Senioren-Berglauf-Welt- und Europameisterschaften bieten den Thüringer Bergläufern interessante Startmöglichkeiten. Zuvor gilt natürlich für Aktive wie Senioren, dass auch die Hallensaison mit den jeweiligen Weltmeisterschaften internationale Wettkampfhöhepunkte bereit hält.