Rico Schwarz vom ASV Erfurt war lange ein fester Bestandteil der nationalen Laufszene. Auch das Nationaltrikot saß gut auf seinen Schultern. Im Herbst 2015 hat er selbstbestimmt seine aktive Läuferkarriere beendet. Laufszene Thüringen sprach mit dem Erfurter über seinen Entschluss und den neuen Alltag.
Hallo Rico, Laufszene Thüringen hat bisher drei interessante Interviews mit Dir geführt, das aktuelle, das vierte, wird wohl das letzte sein.
Was hat Dich bewogen, die Spikes an den Nagel zu hängen?
Für den Verbleib in der Sportfördergruppe der Polizei Thüringen waren über 10.000 Meter 28:50 Minuten gefordert. Für mich nicht aussichtslos (Bestzeit 10 km Straße 29:09 Minuten), aber ohne Trainer nicht zu machen.
Mein letzter Trainer, Dieter Hermann, hat seine Trainerlaufbahn beendet und ich hatte nicht die Kraft und die Motivation, erneut auf Trainersuche zu gehen. Mir war es vor allem wichtig, den Zeitpunkt selbst zu bestimmen und nicht fremdbestimmt zu sein. Der Sportfördergruppe der Thüringer Polizei habe ich viel zu verdanken und so waren die Polizeimeisterschaften im September 2015 mein letzter ernster Wettkampf. Mit meinem 2. Platz über 5.000 m und dem Staffeltitel der Landespolizei Thüringen über 3×1.000 m bin ich mit den Ergebnissen voll zufrieden.
Was machst Du aktuell?
Ich bin Vollzeit als Polizeibeamter in Erfurt im Dienst.
Rico, wir wollen einmal zurückblicken. Was sind Deine größten Erfolge? Worauf bist Du besonders stolz?
Oh, das ist gar nicht so einfach. Am besten chronologisch:
Mein erster Einsatz im Nationaltrikot bei der Cross-WM in Mombasa (Kenia, 2007) Altersklasse U20, war schon etwas Bewegendes. Und auch meinen 7. Platz bei der U20-EM in Hengelo/Niederlande über 5.000 m (2007) werde ich nie vergessen.
2009 – Platz 5 U23-WM in Kaunas über 5.000 m.
Richtig gute Erinnerungen habe ich an meine beiden DM-Titel bei den Männern. Über 10 Kilometer auf der Straße 2013, weil er so überraschend kam und im Cross 2011 auf der Kurzstrecke, weil es einfach ein geiles Rennen war mit hartem Schlussspurt. Erfolge und Platzierungen sind vergänglich. Stolz aber bin ich schon etwas auf meinen Thüringer Landesrekord über 10 km Straße in 29:09 Minuten (2012). Vor allem, weil es ein schönes Rennen auf dem schnellen Asphalt von Brunsum (NL) war.
Bestzeiten:
1.500 m: 3:44,54 Minuten
3.000 m: 7:57,64 Minuten
5.000 m: 13:57,27 Minuten
10.000 m: 29:53 Minuten
10 km Straße: 29:09 Minuten
HM: 1:07,13 h (als Trainingswettkampf)
Zum Erfolg gehört leider oft auch der Misserfolg. Was waren Rückschläge und Enttäuschungen in Deiner sportlichen Laufbahn?
Mein Plantarsehnenanriss 2014 hat mir schon ganz schön den Zahn gezogen. Ich war bei einem neuen Trainer (D. Hermann) und voller Tatendrang. Doch die Diagnose hat mich völlig ausgebremst. Und mein Hindernisprojekt 2013, was wohl zum Sehnenanriss geführt hatte, verlief auch nicht wie gewünscht.
Welchen Ausgleich hast Du nun für das Laufen gefunden?
Irgendwie bin ich noch auf der Suche. Ich laufe derzeit 1-2x pro Woche, gehe gern klettern und nutze die freie Zeit, um Freunde zu treffen. Letztens war ich mit meiner alten Trainingsgruppe aus dem Schüler- und Jugendbereich wandern. Das war ein Spitzentag. Auch am Sprechen bei Wettkämpfen habe ich Gefallen gefunden und vielleicht kann ich dem Sport so etwas zurückgeben.
Laufsport auf Deinem Niveau heißt auch reisen. Welche Länder hast Du durch den Sport gesehen ?
Ich war durch Trainingslager und Wettkämpfen in einigen Ländern. Hier eine kleine Auswahl:
Trainingslager:
Latsch/Italien
Chiclana de la Fronterra/Spanien
La Canau & Maubisson/Frankreich
Monte Gordo/Portugal
Gersau/Schweiz
Mallorca/Spanien
Ifrane/Marokko
Dullström/Südafrika
Flagstaff/USA
Wettkämpfe:
Mombasa (Kenia), Cross-WM 2007
Hengelo (Niederlande), U20-EM 2007
Toro (Spanien), Cross-EM U20
Velenje (Slowenien), Cross-EM
Dublin (Irland), Cross-EM U23
Dubnica nad Váhom (Slowakei)
Stockholm (Schweden), Team-EM 2011
Sofia (Bulgarien), Military-WM
Donezk (Urkaine), Polizei-EM
Bukarest (Rumänien), Polizei-EM
Rico, wie hat alles angefangen ?
Meine Mutter brachte mich 1999 zur Leichtathletik, einfach, weil sie wollte, dass ich Sport treibe. Damals kam ich direkt in meine erste Trainingsgruppe zu Dagmar Gentzel. Dort verlief anfangs alles nicht allzu erfolgreich, aber die Sportart hat mir unfassbar viel Spaß gemacht. Es hat dann etwa 3 Jahre gedauert, bis ich erste größere Leistungssprünge machen konnte und so kam ich 2002 in die Laufgruppe des Sportgymnasiums zu Andreas Möckel. Ab dort nahm der Rest seinen Lauf.
Du bist Thüringen immer treu geblieben. Aufgrund Deiner starken Leistungen gab es doch sicher auch Angebote von anderen Vereinen aus anderen Bundesländern. Wie bist Du damit umgegangen ?
Ja, die gab es vereinzelt. Durch Trainingslager entstehen oft Kontakte. Die schnellen Jungs aus Regensburg oder Friedrichshafen haben schon mal gefragt. Aber ich wollte immer in Thüringen und auch bei meinem heutigen Arbeitgeber (Polizei Thüringen) bleiben. Die Bedingungen in Erfurt sind echt gut, eine große, starke Trainingsgruppe habe ich aber schon manchmal vermisst.
Zum Bietigheimer Silvesterlauf 2015 warst Du erneut eingeladen. Nach Deinem Sieg 2012, Rang zwei 2013 und dem erneuten Sieg 2014 war für Dich die Startnummer 1 reserviert. Wie war Dein Jahresabschluss 2015?
Dem Veranstalter war nicht ganz neu, dass ich nicht voll im Training stehen werde. Trotzdem haben Sie mich eingeladen. Das zeigt die Herzlichkeit und die Läufernähe dieser Veranstaltung. Dort ist immer eine Spitzenstimmung und die Zuschauer tragen die Läufer förmlich durch die Bietigheimer Innenstadt. Am Vorabend, bei der Läufergala, habe ich gesagt, dass die Top 10 wohl diesmal aussichtslos sind. Gern hätte ich auch Christian Seiler zitiert, der sagte, er wird sich ab sofort die Blumen am Wegesrand ansehen. Ein schöner Satz und genau so ist meine Einstellung auch.
Wie siehst Du Dich im Jahr 2020?
Ich habe keine Glaskugel, aber wenn ich noch laufen sollte, dann vielleicht einmal meinen ersten Marathon und hoffentlich unter 3 Stunden (lacht).
Was würdest Du jungen Läuferinnen und Läufern mit auf den Weg geben ?
Jungs und Mädels, macht Sport aus Leidenschaft, einfach weil es Euch Spaß macht! Nicht, weil ihr es müsst, oder irgendwelche Zeiten und Normen erfüllt werden müssen. Im Wettkampf sein Bestes zu geben sollte das oberste Ziel sein! Zeit und Platzierung kommen wie sie kommen.
Rico, alles alles Gute privat und für Deine berufliche Laufbahn!
Vielen Dank für das Gespräch!