Für Rico Schwarz sind die sozialen Netzwerke gegenwärtig mehr Fluch als Segen. Fast täglich erreichen den Langstreckenläufer vom ASV Erfurt zahlreiche Impressionen von deutschen Kaderathleten beispielsweise aus dem Höhentrainingslager in Iten, dem „Home of Champions“. Im Läufer-Mekka Afrikas bereitete sich jüngst die Kadergruppe unter Leitung von Wolfgang Heinig sowie Jens Boyde, Bundestrainer der Mittel- und Langstrecken Männer, auf den Wettkampf-Sommer vor. Statt Läuferparadies mit Naturwegen aus rotem Sand, bergiger Landschaft und Temperaturen weit über der 20-Grad-Marke, dreht Schwarz in der Leichtathletikhalle in Erfurt seine Runden, um sich auf die deutschen Meisterschaften im Halbmarathon in Husum (12. April) und die deutschen Meisterschaften über 10.000 Meter in Ohrdruf (2. Mai) vorzubereiten.
„Ich bekomme echt Fernweh“, sagt der 26-Jährige beim stillen Betrachten der Bilder etwas wehmütig. Das Land übt eine besondere Faszination auf ihn aus: „Ich war bisher nur einmal in Kenia. Das war zur Cross-Weltmeisterschaft in Mombasa. Dieses Erlebnis war für mich eines der schönsten in meinem bisherigen Leben. Die kenianische Kultur und ihr positives Denken hat mich wirklich sehr beeindruckt.“ So sehr, dass der gebürtige Erfurter nun ebenfalls gern in Iten dabei gewesen wäre. Eine verschleppte Erkältung nach dem ersten Trainingslager – Mitte Januar im spanischen Monte Gordo – bremste ihn nicht nur für das zweite in Kenia gehörig aus. „Zwei, drei Tage vor der Abreise aus Monte Gordo habe ich schon erste Anzeichen einer Erkältung mit Halskratzen und verstopften Nebenhöhlen gespürt. Die Klimaanlage im Flieger hat mir dann den Rest gegeben.“ Statt die Symptome ärztlich untersuchen zu lassen, trainierte er nach seiner Ankunft in Erfurt weiter.
Ein gefährliches Unterfangen: Nach den Trainingseinheiten war Schwarz erschöpfter als sonst. Und auch bei den thüringischen Hallenmeisterschaften in seiner Heimatstadt war er nicht mehr in der Lage über 1.500 und 3.000 Meter der starken Konkurrenz im Schlussspurt etwas entgegenzusetzen. Das etwas nicht stimmte, das war ihm zu diesem Zeitpunkt bereits klar. „Ich habe gedacht, dass ich nach dem Trainingslager vielleicht schlecht regeneriert habe.“ Er trainierte weiter. Dazu gesellte sich die kalte, trockene Februarluft. Die Folgen: asthmatischer Husten und gereizte Lunge. Die Diagnose: eine verschleppte Erkältung.
Mit ihr ging unter anderem die Absage für die deutschen Meisterschaften in Karlsruhe einher. Die Hallensaison war gelaufen. Verabreicht wurde ihm das Wort Ruhe, das anschließend in seinem Trainingsplan Einzug hielt. Die Auszeit tat gut. Nun fühlt er sich wieder fit und gesund zu neuen Lauftaten. Der erste große Umfangblock liegt ebenfalls schon hinter dem Schützling von Trainer Dieter Hermann. Das hieß vier Wochen intensives Training mit Belastungsblöcken wie Sprüngen oder längeren Laufeinheiten, an deren Wochenenden jeweils ein Wettkampf wie die deutschen Cross-Meisterschaften, die deutschen Cross-Meisterschaften seines Arbeitgebers der Polizei, die bayerischen Meisterschaften über 10.000 Meter sowie die Thüringer Halbmarathon-Landesmeisterschaften im Kalender stand. Letzterer diente insbesondere zur direkten Vorbereitung auf Husum und Ohrdruf.
Für Husum hat er sich kein konkretes Ziel gesetzt. Spürt er doch nach seinem vierwöchigen Belastungsblock nun eine „gesunde“ Müdigkeit. „Ich bin absolut breit und nutze die Woche vor Husum, um mich zu erholen.“ Diese Entspannungswoche unter anderem mit Aquajogging, Physiotherapie und verminderten Training schreibt ebenfalls der Trainingsplan vor. Gelegentlich greift er in diesen Phasen auch zum Buch. Zuletzt war es „Das Salz der Erde“ von Daniel Wolf. Auch Krimis aus Skandinavien von namhaften Autoren wie Adler Olsen, Stieg Larsson oder Jo Nesbø stehen bei ihm hoch im Kurs.
Auf Entspannung folgt dann wieder Anspannung: „Mal schauen, wie sich nach der Woche meine Beine anfühlen, ob sie frisch genug für die Strecke sind.“ Seine Bestzeit über 21,1 Kilometer steht bei 1:07,13 Minuten, gelaufen vor sieben Jahren bei seiner Halbmarathon-Premiere in Berlin. „Für eine schnelle Zeit müssen die Bedingungen mitspielen“, sagt Schwarz, der zuletzt in Apolda 1:13,01 Stunden auf der Anzeige stehen hatte. Der Fokus liegt mehr auf Ohrdruf. „Wenn ich dort in die Medaillenränge laufen könnte, dann wäre das super“, blickt der ehrgeizige Läufer, der in einem verletzungsfreien Wettkampfjahr auf rund 5.000 Kilometer kommt, voraus. Zu mehr lässt er sich nicht hinreißen: „Noch mache ich mir darüber aber keine Gedanken. Zu oft und zu lange habe ich mich vor einem Wettkampf unter Druck gesetzt. Teilweise habe ich dadurch Rennen verloren. Jetzt versuche ich sie lockerer anzugehen und laufe dadurch stabiler.“
Ganz besonders die 10.000 Meter, seine neue Paradestrecke: „Früher waren es mal die 3.000 Meter. Das ist jetzt mein erstes Jahr, in dem ich die 10.000 Meter ernsthaft laufe.“ Der Wettkampf-Sommer hält also auch einiges Neues für Schwarz parat. Eins ist geblieben: der Ehrgeiz. Als Jahreshöhepunkte nennt er Leiden (Niederlande; 13 Juni) – eine Zusage des Veranstalters steht noch aus, die deutschen Meisterschaften in Nürnberg (25./26. Juli) und die deutschen Straßen-Meisterschaften in Bad Liebenzell (6. September). Angreifen will er die erste Bestmarke sogleich in Belgien. Starke Zeiten sind nämlich nicht nur gut für das Selbstvertrauen, sondern werden bei Bekanntgabe über die sozialen Netzwerke für den sympathischen Läufer sicherlich mehr Segen als Fluch sein.