Mit „Deutschlands härtestem Marathon“ und Qualifikationspunkten für den Ultra-Trail Du Mont-Blanc (UTMB) lockte der Veranstalter – die Münchner Agentur Plan B – zum dritten Mal in die Zuspitzarena. Die liegt allerdings in Österreich, so wie nahezu die gesamte Berglauf- und Marathonstrecke mit dem Startpunkt in Ehrwald. Lediglich das letzte Stück ab dem „Gatterl“ und die Hälfte des Zielpunktes Zugspitze können Deutschland zugerechnet werden. Doch die wurde wie schon in den beiden Vorjahren wegen der Wetterlage nicht erreicht. Dennoch: atemberaubende Landschaften, wunderschöne Trails und Panoramen, eine begeisternde Atmosphäre und eine gute Organisation lohnten den Alpentrip, den einige Thüringer am vergangenen Wochenende auf sich nahmen.
Ein einziges Mal habe ich in meiner langen Läuferkarriere bislang nicht das Ziel erreicht. Vor vier Jahren stoppte mich ein Wintereinbruch am Mont Blanc. Nach 17 Stunden im Schnee und Dauerregen stieg ich nach 70 Kilometern aus dem Rennen aus – eine bis heute offene Wunde, die ich auf jeden Fall noch heilen möchte. Doch um in Frankreich an den Start gehen zu können, braucht man Qualifikationspunkte, die in Deutschland kaum noch vergeben werden. Wegen überzogener Anforderungen der UTMB-Veranstalter hat sich selbst der Rennsteiglauf ausgeklinkt. Lediglich beim Jägerstein-Ultra kann man noch quasi vor der Haustür punkten. Also muss ein zweiter Punkte-Lauf her und das sollte für mich in diesem Jahr der SCOTT ROCK THE TOP werden.
Mit Tino Hagemann hatte ich einen Begleiter aus dem USV-Ultrateam animieren können, der allerdings wie sich später herausstellte, über keinerlei alpine Erfahrungen verfügte. Doch mit der Unbekümmertheit der Jugend stand er optimistisch und ohne helfende Stöcke mit mir um 6 Uhr an der Startlinie in Ehrwald. Zuvor wurde noch die Pflichtausrüstung der rund 300 Marathonstarter kontrolliert, denn nach den Unglücksfällen vor drei Jahren sind die Veranstalter zu größter Sorgfalt verpflichtet. Außerdem ist der Marathon ein Lauf mit teilweiser Verpflegungsautonomie. Nur insgesamt vier Labestellen sind im Abstand von ca. 10 Kilometern auf den Marathon verteilt.
Nach 2 Kilometern „Einrollen“ durch den Ort ging es zum ersten Mal steil bergauf. Von Ehrwald, das rund 1000 Meter über dem Meeresspiegel liegt, hinauf zur Upsalpe. Die ersten 850 Höhenmeter waren geschafft. Es ging auf schmalen – durch den starken Regen vom Vortag recht rutschigen – Trails bergab. Gut, dass ich mir noch eine Woche zuvor einen neuen Trailschuh geleistet hatte. Das Profil des alten, hätte mich wie meinen Begleiter böse rutschen lassen und als „Senior Master“ – wie meine neue Altersklasse dort heißt – steckt man Stürze nicht mehr ganz so leicht weg. Wieder im Tal im Örtchen Lähn waren beim Verpflegungspunkt nach offiziellen 11,1 Kilometern bereits 2:15 Stunden vergangen, wobei unsere GPS-Geräte schon bei 13 Kilometer standen und diesen „Vorsprung“ den gesamten Streckenverlauf über beibehielten. Immerhin waren wir noch 45 Minuten vor dem Zeitlimit, aber trödeln sollten wir im weiteren Verlauf dennoch lieber nicht.
Die nächsten 10 Kilometer waren eigentlich als der leichteste Teil eingepreist, aber die rund 250 Höhenmeter bei Kilometer 16 im Skigebiet von Lermoos waren doch wieder sehr kraft- und zeitraubend. Beim Verpflegungspunkt 2 und Halbzeit hatten wir dann schon fast vier Stunden auf der Uhr. „Überhaupt kein Vergleich zu einem normalen Marathon“, staunte Tino, der bislang den Brockenmarathon für die größtmögliche Herausforderung gehalten hatte. Doch es sollte härter kommen. Auf den nächsten 4 Kilometern hinauf zur Biberwierer Scharte standen 1000 Höhenmeter und der Übergang ins hochalpine Gelände auf dem Programm. Oberhalb der Baumgrenze gab es nur noch Geröll und der Weg war kaum noch erkennbar. Endlich auf 2.000 Meter angelangt, wartete dort Tino auf mich und wir machten uns wieder zusammen auf die nächsten Kilometer. Beim Bergablauf hinunter zum Seebensee bekam er aber Probleme. Ich überlegte noch, ob ich mir ein kühlendes Bad gönnen sollte, weil die Sonne gut einheizte, beschränkte mich dann aber nur auf die Wässerung von Kopf und Armen. Außerdem zog es wie vorhergesagt langsam zu. Der Weg zum Ziel war noch weit und ich zunächst auf mich allein gestellt, weil mein Begleiter pausieren musste.
Die nächsten Kilometer waren ausnahmsweise mal gut zu laufen, aber der Weg zur Ehrwald-Alm zog sich. Nach 7:11 Stunden erreichte ich endlich den Verpflegungspunkt (offiziell km 33,5) und freute mich noch einmal auf eine kleine Pause und ausgiebige Nahrungsaufnahme vor dem finalen Aufstieg. Doch was war das? Ein Absperrband über dem Weg und davor eine Gruppe eifrig diskutierender Läufer. Die Rennleitung hatte 11 Minuten zuvor wegen Unwetterwanderung den Cut um eine Stunde vorgezogen. De facto ein Rennabbruch für alle, die danach kamen und nicht mehr nach oben durften. Rund 35 Kilometer und 3.000 Höhenmeter bergauf gequält und dann keine Chance auf das Finish. Bitter!
Aber der Streckenchef ließ nicht mit sich diskutieren. „Zu gefährlich“, hatte die Bergwacht entschieden. Wenn Blitze in die Stahlsicherungen einschlagen, hat man als Läufer keine Chance. Sicherheit am Berg geht vor! So blieben mir und Tino, der 5 Minuten später kam, nur das Frustbier auf der Alm und die Gondel nach unten. Für uns ärgerlich, aber gut für die Läufer, die noch auf der Strecke waren, dass das Unwetter dann doch nicht in der befürchteten Stärke eintraf. Die Finisher-Shirts erhielten wir am nächsten Tag im Rennbüro. Die versprochenen Medaillen schafften leider nicht pünktlich den Weg zurück von der Zugspitze und sollen nun zugeschickt werden. Sehr erfreulich hat der Veranstalter auf meinen Protest gegen die Kategorisierung „DNF“ (Did not finish) reagiert, obwohl das laut Reglement zulässig wäre, weil das Zeitlimit in solchen Fällen kurzfristig geändert werden kann. Alle Betroffenen (immerhin fast 1/3 aller Teilnehmer) werden jetzt mit ihrer Zeit vom V3 in der Ergebnisliste geführt, so dass wir am Ende für das Erfurter USV-Ultrateam die Plätze 210 und 217 vermelden können.
Den anderen Thüringer Startern unter den insgesamt 1.500 Teilnehmern aus 40 Nationen erging es beim 16-Kilometer Berglauf besser. Um 9:00 Uhr gestartet, erreichten sie das Ziel auf der Sonnenalp bereits gegen Mittag und damit vor dem Unwetter. Schnellster Thüringer war Berti Bahner aus Steinbach-Hallenberg (111./3:02:45 Stunden), vor Patrick Hartung aus Jena (167./3:22:05), Marcus Quester aus Ichtershausen (219./3:38:11), Andreas Seise aus Mühlhausen (230./3:42:02) und Sascha Nimmrichter aus Erfurt (262./3:59:31). Thomas Kühlmann vom NSV Wernigerode, der die ersten beiden Auflagen der Zugspitz-Trailrun-Challenge für sich entscheiden konnte, ging diesmal nur im City-Sprint in Garmisch an den Start, wo er sich in 9:38 Minuten auf dem 3 Kilometerkurs knapp dem Lokalmatador Max Olex geschlagen geben musste.
Die Zugspitz-Trailrun-Callenge, die mit dem City-Sprint über eingebaute Hindernisse am Freitag in Garmisch beginnt und bei der nach den Trailrun-Events Marathon und Berglauf am Samstag auch noch eine Kurzdistanz und ein Halbmarathon am Sonntag auf dem Programm stehen, ist auf jeden Fall ein interessantes Event, bei dem jeder Läufer auf seine Kosten kommt. Wer möchte, kann sich eine „Flatrate“ geben. Wir haben uns aber am Sonntag vor der Heimreise ausgeruht und uns zur Belohnung für das harte Rennen den Weißwurst-Frühschoppen gegönnt. Für die UTMB-Punkte habe ich inzwischen schon einen eigenen Plan B. „Der Berg ist das Ziel!“
Sehr erfreulich hat der Veranstalter auf meinen Protest gegen die Kategorisierung „DNF“ (Did not finish) reagiert, obwohl das laut Reglement zulässig wäre, weil das Zeitlimit in solchen Fällen geändert werden kann. Alle Betroffenen (immerhin fast 1/3 aller Teilnehmer) werden jetzt mit ihrer Zeit vom V3 in der Ergebnisliste geführt, so dass wir am Ende für das Erfurter USV-Ultrateam die Plätze 210 und 217 vermelden können und ich den Bericht deshalb noch etwas geändert habe.