Was macht man an seinem 50. Geburtstag? An einer langen Geburtstagstafel sitzen und ein Festessen in sich hineinschaufeln? Oder sich betrübt zurückziehen, mit der Gewissheit, dass die Hälfte des Lebens wohl oder übel vorbei ist? Viel besser erschien mir, auch an diesem Tag „auf dem Laufenden“ zu bleiben.
Nachdem vor einigen Jahren das Datum des Rennsteiglaufs 2014 bekannt geworden war, standen für mich drei Dinge fest: Sich rechtzeitig eine Schnapszahl als Startnummer zu sichern, am Rennsteig-Wochenende die Familie „mit einzupacken“ und dann genau am Jubiläumstag auf der Marathon-Strecke in „die 50er“ hineinzulaufen.
2800 Läufer singen in Neuhaus ein Geburtstagsständchen, der Helikopter schwebt über uns, die Sonne scheint. Extra für mich. Mein runder Geburtstag nimmt seinen Lauf. Freude will ich haben, den Marathon genießen. Und meine „5555“ tut ihr übriges, sie ist der reinste Blickfang.
Sandwieschen-Dreistromstein-Masserberg-Schwalbenhauptwiese-Neustadt-Großer Dreiherrenstein-Frauenwald-Schmiedefeld. Ein Marathon vergeht wie im Traum. Meine Durchlaufzeiten sind im Vergleich zu 2011 absolut konstant, ich laufe wie ein Uhrwerk. Nur der Hohlweg vor der Schwalbenhauptwiese frisst wieder mal Zeit. Fünf Becher Haferschleim sind meine Geburtstagskost.
Gratulationen überholen mich in allen Varianten. Einer nach dem anderen, der vorbei zieht, gratuliert auf seine Weise. Mal offiziell mit Handschlag, dann wieder mit einem lockeren Spruch. „Ah, das Geburtstagskind“, „Gratuliere“, „Alles Gute“, „Toll, genau bei diesem Lauf einen runden zu feiern“. Oder auch nicht so toll, wie einer der Gratulanten im Vorbeilaufen meint: „Blöde Idee mit dem Geburtstags-T-Shirt, nicht? Nun musst du immer danke sagen.“ Und tatsächlich, ich komme aus dem „Bedanken“ nicht heraus.
Irgendwann, so bei Kilometer 30, verstummt dann das Gratulieren. Jeder läuft nun für sich allein. Kilometer 38, 39, 40, – die Bäume, die die Kilometeranzeigen tragen – werden zu Palisaden, an denen ich mich entlang hangele. Doch dann spüre ich ihn, den „langen Atem“, den ich mir vom Supermarathon erhalten habe. Wo viele ins „Gehen“ übergehen, laufe ich weiter, ziehe ich durch. Schmiedefeld ist nah. Also, schon mal „Glückstränen üben“.
Perfektes Timing: Genau zu meiner Geburtszeit um 13.50 Uhr laufe ich über die „Marathon-Matte“ in Schmiedefeld. Eine Zuschauerin am Straßenrand hält ein Schild mit der Aufschrift „Quäl dich“ in die Höhe. Das ist nun wirklich der Fall. Die Reitallee ist der blanke Hass. Kaum biege ich in sie ein, wird meine Nummer ausgerufen. Ich muss mich sputen, denn unter 5 Stunden zu laufen ist mein Ziel.
Der Dresdner Laufsportladen ruft mir beim Zieleinlauf zu, kurbelt mich noch einmal an. Dann die letzte Kurve zur Zielgeraden…. Ich sehe und höre nichts mehr…. Oder doch: 4:58! Ein unvergesslicher Lauf. So jung gefühlt wie nie komme ich ins Ziel. So kommt man gern in die 50er!
Andrea Wechsler, Dresden