23 Jahre, lange Beine, aber keine rosa Laufschuhe und dann das erste Mal über den langen Kanten. Karl Junghannß vom LAC Erfurt Topteam läuft beim Marathondebüt nach 2:17,54 Stunden als bester Deutscher (Gesamtplatz 27) über den roten Teppich in der Frankfurter Festhalle.
Karl, eine Frage vorab: Geher oder Läufer ?
„Geher, der gerne läuft.“
Wo liegen Deine Wurzeln ?
„Geboren bin ich 1996 in der Skatstadt Altenburg. Die leichtathletische Grundausbildung erfuhr ich beim LSV Schmölln in der Trainingsgruppe von Urte Rook. Zur 8. Klasse ging es dann aufs Sportgymnasium nach Erfurt. Zunächst als Läufer. Aber nach und nach gab es immer mehr Berührungspunkte mit dem Gehen, welches in Erfurt ja große Tradition hat.“
Das Jahr 2019
Bereits im März in Dudince (Slowakei) erfüllte Karl mit 3:55:01h die 50 Kilometer WM Norm für Doha (3:56:00h). Doch die Deutsche Geherspitze ist aktuell qualitativ wie auch quantitativ stark wie nie.
Daher wurde der Europacup im litauischen Alytus Mitte Mai als Auswahlwettkampf für die drei deutschen Startplätze ausgerufen. In Alytus erwischte Karl keinen guten Tag und landete weit weg von seiner Bestzeit hinter Nathaniel Seiler (3:57:49h), dem Thüringer WM Teilnehmer und Trainingspartner Jonathan Hilbert (3:58:21h) und Carl Dohmann (4:02:41h) aus deutscher Sicht auf Platz 4 (4:14:52h). Die besten drei Deutschen erhielten an diesem Tag das direkte Ticket für die Weltmeisterschaften. Karl wurde als Ersatzmann nominiert und musste fortan die Herausforderung meistern fit zu bleiben, ohne die Gewissheit zu haben, tatsächlich bei den Weltmeisterschaften im Wüstenstaat Doha dabei zu sein.
Nach Rücksprache mit dem Trainer wurde daher kurzerhand die Sommer-Universiade Mitte Juli in Neapel (20km Gehen) als nächstes Wettkampfziel für den Studenten der Sportwissenschaften ausgelobt. Ein gutes Rennen, Platz 7.
Karl befand sich nach wie vor in Habachtstellung für die WM. Zu den WM Tagen wollte das Ausdauertalent dann aber nicht nur vor dem Fernseher sitzen. Gemeinsam mit Trainer Pjotr Zaslavskyy wurde der Wettkampfkalender, auch mit Blick auf die Olympischen Spiele in Tokio 2020, nach einem der seltenen offiziellen 50km Rennen durchstöbert. Fündig wurde man in den Niederlanden, in Tilburg (06.10.2019). Also ging es erneut zur Vorbereitung in die bulgarische Höhe in den Sportkomplex Belmeken. Dann kam der Wettkampftag in Tilburg, zugleich Niederländische Meisterschaften. Karl war in der „Form seines Lebens“. Auf Kurs Olympianorm (3:50:00h) stellten sich nach einigen Kilometern Magenprobleme ein. Nach großem Kampf wurde das Rennen enttäuscht bei Kilometer 33 beendet. Die Form war da, aber der Magen spielte einfach nicht mit.
Was sind Deine Lieblingstrainingseinheiten ?
„Lange harte Berganeinheiten im Gehen.“
Dein bisher größter Erfolg ?
„Platz 12 bei der WM in London 2017 über 50km Gehen, aber auch meine Silbermedaille bei der U23-EM 2017 (20Km Gehen).“
10Km – 30:43 Minuten
In der „Nachsaison“ schnürt Karl auch immer wieder gern den Laufwettkampfschuh. Und so ging es wenige Tage nach Tilburg zum Kopf frei laufen nach Berlin zum „Great10k Berlin“ (13.10.2019). Mit 30:43 Minuten zeigte Karl, dass er auch im Laufschritt richtig fix unterwegs ist.
HM – 1:05:28h – Thüringer U23 Rekord
Nach einem schnellen Halbmarathon in Kassel im Herbst 2018 mit Strecken- und neuem Thüringer U23 Rekord (1:05:28h) reifte die Idee auch mal einen Marathon zu laufen. Die Wahl fiel auf das letzte Oktoberwochenende 2019. Die Frage war nur Dresden oder Frankfurt?
Nach Kontakt mit dem Renndirektor Jo Schindler fiel die Wahl auf den schnellen Kurs in Frankfurt.
Wie lief Deine Marathonvorbereitung ?
„Es war alles andere als eine klassische Marathonvorbereitung. Ich habe genau einen 25Km Lauf gemacht und eine 15 in Wettkampftempo. Alles andere war intensives Gehtraining. Lange Belastungszeiten bin ich als 50Km Geher gewöhnt, da ist ein Marathon fast eine Kurzstrecke. Aber muskulär ist ein Marathon im Sauseschritt schon eine andere Sache.“
Der erste Marathon
Die Fernsehbilder zeigten Karl im ersten Startblock. Nach dem Start bot der Pacemaker für eine 68er Halbmarathonzeit die erste Orientierung für den Debütanten. Der Halbmarathon wurde dann nahezu punktgenau mit einer Durchgangszeit von 1:08,19h absolviert. Andere Deutsche wie Homiyu Tesfave oder Dominik Notz waren zu diesem Zeitpunkt des Rennens bereits weit enteilt.
„Bis Kilometer 37 fühlte ich mich gut, dann wurden die Beine schwer. So ist das eben, wenn man im Vorfeld nicht mehr als 25Km am Stück läuft.“
Der Kilometerschnitt fiel von anfänglich 3:14/km auf 3:25-3:30/km. Bei Kilometer 41 wurde dann Dominik Notz passiert und ein aufmerksamer Zuschauer rief: „Homiyu Tesfave holst Du auch noch“.
Beflügelt von diesen Worten versuchte Karl das Tempo noch einmal zu steigern. Mit 3:20 Minuten für den letzten Kilometer überholte der junge Sportstudent den stark gestarteten Homiyu Tesfave 500 Meter vor der Ziellinie in der Frankfurter Festhalle. Zu schnell, zu unbekannt für die Helfer neben dem Frankfurter Zielbogen. Das Zielband wurde kurz darauf für den vermeintlich besten Deutschen Homiyu Tesfave gespannt (2:18,30h). Da war Karl schon 30 Sekunden im Ziel (2:17,54h).
Dein Ziel für 2020 ?
„Die Olympiateilnahme über 50 Km Gehen.“
Ein Geher eben, der gerne läuft.
Laufszene-Thüringen drückt die Daumen!
Kein „Ruhmesblatt“ für die hessischen Organisatoren … konnten sich wohl nicht vorstellen , dass ein „Thüringer Geher“ schneller ist. Sie leben halt in ihrer „Blase“ und haben von Rest der Leichtathletik keine Ahnung .
So ging diese sensationelle Leistung von Karl total unter. Schade …
Gut dass es keine deutsche Meisterschaft war wie in den Vorjahren …sie hätten den Sieger voll verschlafen
aber die thüringer Presse war auch nicht viel besser..
…ein super Artikel für eine super Leistung. Das ist Motivation und ein gutes Beispiel dafür, dass Training und Fleiß belohnt werden. Also rein in die Laufschuhe und raus in unsere schöne thüringer Natur.
Vielen Dank auch an Laufszene Thüringen und alle Autoren für ausdauernd, gute Informationen!
Den „Zielbandspannern“ könnte man ja noch zubilligen, dass sie nicht gut informiert waren über die Reihenfolge der deutschen Läufer kurz vor dem Zieleinlauf.
Nicht auf ähnliche Weise zu erklären bzw. zu entschuldigen ist aber das Fehlen von Karl Junghannß in der heute unter
https://www.leichtathletik.de/news/news/detail/72700-der-grosse-disziplin-check-2019–marathon-maenner
veröffentlichten Tabelle mit dem Titel „Die deutschen Top Ten 2019“, die auch drei Leistungen über 2:18 h enthält.
Offenbar wurde der Fehler bei http://www.leichtathletik.de inzwischen bemerkt und korrigiert.