Auf der Halbmarathonstrecke gab es in diesem Jahr einen klaren Favoriten. Marcel Bräutigam vom gastgebenden GutsMuths-Rennsteiglaufverein hatte zweifelsfrei das größte Potential der über 6.500 Starter. Die Frage war nur: Konnte er nach seinem starken Lauf beim Kassel-Marathon (2:17:53 h) vor zwei Wochen schnell genug regenerieren, um den anderen, ausgeruhten Läufern Paroli zu bieten?
Nach dem Start setzte sich Bräutigam gemeinsam mit Thomas Kühlmann (TU Clausthal) recht schnell vom restlichen Läuferfeld ab. Beide waren sich einig, machten gemeinsame Sache und wechselten sich in der Führungsarbeit ab. So wuchs ihr Vorsprung kontinuierlich an. Bei der Zwischenzeitnahme bei etwas mehr als Rennhälfte betrug er schon weit über eine Minute.
Erst als es in Zielnähe ging, belauerten sich beide. Dabei hatte der Favorit aus Großbreitenbach die größeren Kraftreserven. „700 Meter vor dem Ziel bin ich erst davongelaufen.“, sagte er dem Sprecher im Ziel. „Thomas ist echt stark gelaufen. Ich habe den Marathon von vor zwei Wochen schon noch gemerkt, an den Bergen hatte ich ein wenig Probleme. Ich war froh, dass wir zusammen laufen konnten. Es hat Spaß gemacht.“
Bei seinem Sieg war der Deutsche Marathon-Vizemeister wenige Sekunden schneller als der Vorjahressieger Marcel Knape. So reichte der langgezogene Spurtsieg auch noch für einen neuen Streckenrekord (1:10:17 h) auf der seit letztem Jahr geänderten Laufroute mit dem Start auf der Tambacher Straße in Oberhof. Auch Kühlmann blieb mit 1:10:27 Stunden noch unter der vorjährigen Siegerzeit.
Im Kampf um den dritten Platz setzte sich nach 1:12:07 Stunden Marcus Koch vom SC Steinheid durch. Der M30-er hat bereits langjährige Rennsteiglauferfahrung und kann als beste Platzierung auf einen zweiten Platz beim Rennsteig-Marathon hinter Seriensieger Christian Seiler verweisen.
Auch bei den Frauen gab es einen Sieg für den GutsMuths-Rennsteiglaufverein. Völlig unerwartet gewann Lydia Walther aus Wutha-Farnroda. Als Mitglied der Laufgruppe Süd hat sie erst 2011 mit dem Laufen begonnen und startete in diesem Jahr zu ihrem zweiten Rennsteiglauf. Vor zwei Jahren war sie bei ihrem Debüt auf dem Höhenweg des Thüringer Waldes unter den Top-20 auf der Halbmarathonstrecke.
Die sympathische Athletin gehört nicht zu den Topläuferinnen Thüringens, nutzte aber die Gunst der Stunde und ergriff die sich bietende, unverhoffte Chance. Schon bei der Verkündung des Zwischenstands nach Rennhälfte im Zielgelände, als Lydia Walther bereits als Führende genannt wurde, fragten sich die Insider, was mit den Favoritinnen wie Daniela Oemus (SV Blau-Weiß-Bürgel), Juliane Döll (WSV Oberhof) – beide standen schon mehrfach auf dem Podest – oder der Vorjahresfünften Dr. Franziska Stebner vom LC Paderborn war. Ihr Startverzicht machte den Weg für eine riesige Sieg-Überraschung frei. Auch das ist der Rennsteiglauf.
Dass seit Einführung der Halbmarathonstrecke beim Rennsteiglauf 1992 eine Zeit von 1:30:33 Stunden bisher noch nie zum Gesamtsieg reichte, ist dabei nebensächlich. Es kann die tolle Leistung der Ersten keinesfalls schmälern. Nur wer mitläuft, kann gewinnen.
Lydia Walther konnte Ihren Sieg zunächst gar nicht fassen. „Erst als ich durch das Ziel gelaufen bin, war mir bewusst, dass ich hier gewinnen kann. Ich war die ganze Zeit vorne und habe immer damit gerechnet, dass noch jemand von hinten kommt. Und habe gewartet – aber es kam keiner.“, erzählte sie im Ziel.
Hinter Lydia Walther rannten mit Ines Marquardt (ASV Köln/Team Telekom, 1:30:59 h) und den zwei Nachwuchs-Wintersportlerinnen Antonia Fräbel (WSV Asbach) und Katherine Sauerbrey (SC Steinbach-Hallenberg, beide 1:31:22 h) auch schon bald die Nächstplatzierten über die Ziellinie.
Für alle Teilnehmenden war der Lauf wieder ein großes Erlebnis. Nicht nur die Vordersten waren Sieger. Auch nach zwei, zweieinhalb oder drei Stunden sah man viele Läuferinnen und Läufer glücklich ins Ziel laufen, hatten sie doch gerade eine persönliche Bestleistung erreicht oder freuten sich einfach darüber, dass sie dabei waren und den Lauf durchgestanden hatten. Und als hätten sie es sich verdient, riss zur Belohnung die Wolkendecke auf und wärmende Sonnenstrahlen erreichten das Zielgelände.