Die Weisheit, dass ein Marathon seine eigenen Gesetze hat und sich der Ausgang eines Rennens nur schwer vorhersagen lässt, ist wahrscheinlich jedem Läufer bekannt. Der diesjährige Marathon beim Rennsteiglauf darf diesem Buch ein eigenes Kapitel hinzufügen.
Wie bereits in der Vorschau von Laufszene Thüringen angekündigt, fielen die Favoritenrollen Christian König vom gastgebenden Rennsteiglaufverein und Marcel Knape vom USV Erfurt zu. Die beiden Thüringer wurden als deutlich stärker als die übrige Konkurrenz eingeschätzt und es wurde erwartet, dass einer der beiden die Marathonkrone in Thüringer Händen halten würde, nachdem sich Vorjahressieger Marcel Bräutigam für den Halbmarathon entschieden hatte.
Trotz des erst zwei Wochen zuvor stattgefundenen Kassel-Marathons, in dem König mit einer starken Zeit von 2:18:17 Stunden in die Top 10 der ewigen Thüringer Bestenliste lief, kündigte er an, Richtung Streckenrekord anlaufen zu wollen. Jedoch ließ er sich auch die Option eines Ausstiegs offen.
Am Samstagmorgen starteten nach Schneewalzer und Rennsteiglied knapp 3.000 Läufer Richtung Schmiedefeld. König und Knape gingen das Rennen forsch an und bewältigten die ersten drei Kilometer heraus aus Neuhaus in 10:20 Minuten. Hier lag mit Heiko Ludewig vom LTV Erfurt ein weiterer heißer Podiumsanwärter bereits auf Rang drei. Bis zur ersten Verpflegungsstelle lief König einen kleinen Vorsprung auf Knape heraus.
Doch nach etwa 13 Kilometern verpassten alle drei Führenden einen wohl nicht ausgeschilderten Abzweig. Während Ludewig seinen Fehler schnell bemerkte und auf den richtigen Weg zurückfand, liefen König und Knape rund zwei Kilometer zu viel und reihten sich etwa auf Rang fünf mit ca. 4:30 Minuten Rückstand zum nun führenden Heiko Ludewig wieder ins Feld ein. Ludewig bekam erst fünf Kilometer später mit, dass er nun vorn lag. Rang zwei und drei belegten jetzt Oliver Stengel (Uni Giessen) und Luigi De Franceschi (SV Ohmenhausen).
Es begann eine Aufholjagd von Christian König, bei der er den Vorsprung von Ludewig stetig verringerte. Knape konnte diesem Tempo nicht folgen, hielt aber den Abstand zu Ludewig zunächst konstant. Bei der Halbmarathonmarke hatte König den Rückstand bereits auf drei Minuten verkürzt und lag auf der Schwalbenhauptwiese, nach dem berüchtigten Hohlweg, nur noch 2:20 Minuten zurück. Bei Kilometer 28 war sein Rückstand bereits auf 1:30 Minuten geschrumpft, jedoch zwangen ihn Magenprobleme zu einem ungewollten „Boxenstopp“. Erneut konnte König Zeit aufholen und war am gefürchteten Burgberg bei Kilometer 32 wieder 1:30 Minuten hinter Ludewig, der seinerseits weiterhin einen starken Eindruck machte.
Bei Kilometer 34 musste König dann der unermüdlichen Aufholjagd, den Magenproblemen und dem Marathon vor zwei Wochen Tribut zollen und gab seine Siegambitionen auf, ebenso wie Marcel Knape. Beide liefen den Marathon jedoch noch gemeinsam zu Ende. Nun war der Weg frei für Heiko Ludewig, der den Dreiherrenstein mit sieben Minuten Vorsprung vor Stengel und De Franceschi passierte.
Dies war dann auch die Einlauf-Reihenfolge: Heiko Ludewig gewann am Ende souverän in 2:42:16 Stunden und konnte sich somit den Traum vom Rennsteiglaufsieg erfüllen. Rang zwei ging an Oliver Stengel in 2:49:29 Stunden, gefolgt von Luigi De Franceschi nach 2:53:25 Stunden.
Heiko Ludewig meinte im Ziel: „Ich wusste ja, dass Christian König und Marcel Knape auf Rekord laufen, deshalb wollte ich von vornherein mein eigenes Rennen laufen und einfach nur mein Bestes geben. Verlaufen habe ich mich auch, war aber dann wieder weitaus früher auf der Strecke, als Marcel und Christian. Der letzte Kilometer war dann ziemlich anstrengend, aber die Zuschauer auf der Zielgeraden haben mich angepeitscht und vorwärts getrieben.“
Bei den Damen versprach eine hohe Leistungsdichte mehrerer Sieg-Kandidatinnen ein spannendes Rennen. Der Berglaufspezialistin Nicole Kruhme vom gastgebenden Rennsteiglaufverein wurde dabei bei ihrem ersten Marathonstart eine leichte Favoritenrolle zugesprochen. Die Turmbaude Masserberg erreichte Kruhme als Erste mit nur einer halben Minute Vorsprung vor der Jenaerin Bianca Josten und Kristin Hempel vom USV Erfurt, der Siegerin von 2012. Mit nur geringem Abstand folgten mit Anna Herzberg, Anne Berthold und Christina Rottenbach drei weitere Medaillenkandidatinnen.
Im folgenden, zunehmend bergigen Terrain hinauf nach Neustadt und über den Burgberg konnte Kruhme dann ihre Stärken ausspielen und den Vorsprung auf über fünf Minuten zu Bianca Josten vergößern. Kristin Hempel folgte in Sichtweite. In der Schlussphase legte Hempel noch einmal zu und überholte Josten am Anstieg vor Frauenwald.
Mit sicheren acht Minuten Vorsprung konnte sich damit die Favoritin Nicole Kruhme ihren ersten Titel auf der Marathonstrecke in 3:07:28 Stunden sichern. Auf Rang zwei folgte Kristin Hempel nach 3:15:26 Stunden. Christina Rottenbach, die an der 42,2-Kilometer-Marke noch etwa eine Minute hinter Bianca Josten lag, mobilisierte am Schlussanstieg alle Kräfte und wurde mit dem dritten Platz in 3:18:55 Stunden belohnt.
Abschließend die Stimme der Siegerin: „Ich hatte in der Euphorie des Halbmarathonsieges vom letzten Jahr gesagt, dass ich in diesem Jahr den Marathon laufe. Das musste ich dann auch einhalten. Der Start in Neuhaus, das war echt ergreifend. Hier ist alles ein Tick entspannter, als beim Halbmarathonstart in Oberhof. Und die Marathonstrecke ist landschaftlich einfach wunderschön.“