Bergankunft auf einem Militärgelände? Etappenstart auf einer Strandpromenade? Dampfloks auf der Strecke? Zieleinlauf in einer Burg? Welcher Lauf hat das zu bieten? Die Antwort: Das Welsh Castles Relay – ein außergewöhnliches Staffelrennen über 2 Tage, 20 Etappen und 211 Meilen. In diesem Jahr ging erstmals ein deutsches Team auf der britischen Insel an den Start. Ein Reisebericht vom „Team Thuringia“.
Das Welsh Castles Relay (dt. Walisische Burgenstaffel) führt von der Nordwestküste von Wales bis zur Hauptstadt Cardiff im Süden. Dazwischen liegen 340 Laufkilometer vorbei an trutzigen Burgen und langen Sandstränden, über karge Hügelketten und weite Wiesenlandschaften, durch Dörfer mit unaussprechbaren walisischen Namen (Llanbadarn Fynydd) – und vorbei an Zehntausenden Schafen.
Jede Etappe ist ein Rennen für sich und wird zu einer festen Zeit gestartet, es gibt keine Staffelstäbe. Also kein Staffellauf im klassischen Sinn – die Einzelzeiten werden addiert. Die Zeiten von sechs Bergetappen ergeben dabei die Wertung „Kings of the Mountains“. Der Lauf ist seit Jahren auf 59 Teams beschränkt. Er führt fast ausschließlich über nicht gesperrte Landstraßen – in Deutschland undenkbar. Doch das ist kein Nachteil: Denn alle Teamfahrzeuge sind ständig auch auf der Strecke und sorgen beim Überholen der Läufer für eine großartige Stimmung. Auch das Team Thüringen genoss die Sympathien aller Teams und wurde gerne auch auf Deutsch angefeuert.
Die Idee zu dieser Laufreise hatte ich 2006/2007, als ich in Cardiff studierte und dort bei Wettkämpfen für den Les Croupiers Running Club an den Start ging. Immer wieder schwärmten meine Teamkollegen vom legendären Staffellauf „Castles Relay“, der in der lokalen Laufszene Kultstatus genießt. Nach meiner ersten Teilnahme war auch ich begeistert – und versprach, irgendwann ein deutsches Team an den Start zu bringen. Fünf Jahre und einen Organisationsmarathon später wurde der Traum Wirklichkeit: Von Erfurt über Frankfurt und Birmingham ging es zum Startort Caernarfon in Nordwales, wo 20 Thüringer Läufer plus eine Betreuerin nur noch eine unruhige Nacht in einer Turnhalle vom Startschuss trennte.Für „Team Thuringia“ sollte der Spaß im Vordergrund stehen – denn das Regelwerk sieht nur den Start von Vereinsstaffeln vor. Gemischte Teams dürfen nur dann zusammengestellt werden, wenn ihr Ziel nicht der Gesamtsieg ist. Dennoch lag unsere Staffel am ersten Tag sogar kurzzeitig auf der Spitzenposition. Patrick Letsch (Etappe 1) und Thomas Just (4) hatten es sogar auf Etappensiege abgesehen, mussten aber das starke Niveau der Konkurrenz anerkennen und sich mit Platz 2 begnügen. Auf der ersten Bergetappe musste André Fischer nicht nur einigen wenigen Mitläufern den Vortritt – sondern auch einer Dampflok, die vor ihm einen Bahnübergang erreichte.
Während die ersten Läufer noch im Regen auf die Strecke gingen, klarte es spätestens zum Strandstart der sechsten Etappe im Badeort Barmouth richtig auf und blieb bis Cardiff trocken. Mike Krüger genoss die einzige Geländestrecke des Rennens damit bei Sonnenschein. Den hatte auch Steffen Meyer auf seiner Etappe 9, die er zum Erstaunen der britischen Teams als Geher absolvierte. Wegen einer Verletzung konnte er die 13,8 Kilometer nicht im Laufschritt zurücklegen, genoss die Rennatmosphäre aber dennoch. Auf der Schlussetappe des Tages musste Remo Reichel erkennen, dass dem Höhenprofil des Rennens nicht zu trauen war und wenige Millimeter hohe Erhebungen auf dem Papier auch eine Serie gewaltiger Rampen seien konnten.
Am Tagesziel Newtown bereitete sich das Thüringer Team mit einheimischer Sportlernahrung (Burger und „Fish and Chips“) professionell auf die zweite Turnhallennacht und Renntag 2 vor. Für Sebastian Harz fiel der Startschuss schon um 7 Uhr. Auf seiner 19,8 Kilometer langen Bergetappe lieferte er dem zweimaligen Etappensieger ein hartes Rennen und sicherte sich am Ende sogar das gelbe Sweatshirt mit der Aufschrift „Stage Winner“ (Etappensieger). Die Rekordzeit auf dieser anspruchsvollen Strecke war nicht in Gefahr – sie liegt seit Jahren unangetastet bei unglaublichen 1:03:40 Stunden. Dass hohe Niveau der Läufer zeigte sich später auch auf Etappe 18, wo mit der Beinahe-Olympiateilnehmerin Louise Damen eine Frau vor allen Männern gewann und dabei sogar den Männer-Streckenrekord unterbot.
Die Überraschung des Tages gelang Thomas Kühlmann, dem Dritten des diesjährigen Rennsteig-Halbmarathons. Der Bergspezialist lief die stark besetzte Königsetappe hinauf nach Drovers Arms – im Prinzip ein 7-Kilometer-Berglauf mit zuvor 10 flachen Kilometern als „Erwärmung“. Thomas, mit Jahrgang 1990 der Jüngste im Team, sicherte sich bei der Bergankunft den prestigeträchtigsten Etappensieg und den großen Respekt der Konkurrenz.
Für viele im Team ging es aber weniger um Zeiten und Siege, sie genossen die Atmosphäre und das einmalige Lauferlebnis. Dazu gehörte auch der Zieleinlauf: Wolfram Kneise hatte die Schlussetappe hinein ins Cardiff Castle trotz starker Knieschmerzen bewältigt und lieft mit einer Deutschlandflagge in der Hand begleitet von seinem Team ins Ziel. Bei der anschließenden Siegerehrung gab es dann für „Team Thuringia“ auch einen Ehrenpreis – als erstes deutsches Team in der 30-jährigen Geschichte der Veranstaltung. In der Endabrechnung standen neben zwei Etappensiegen Rang 5 in der Gesamtwertung und Rang 2 in der Bergwertung.
Für die 21 Thüringer war die aufwändige Reise – leider fast ganz ohne Sponsorenunterstützung – ein großartiges Teamerlebnis. Die Organisatoren vom Les Croupiers Running Club würden Team Thuringia gerne wieder begrüßen. Aber, wer weiß? Vielleicht rennt ja bald schon ein walisisches Team über den Rennsteig…
Super Bericht Alex. Wales kann man jeden nur empfehlen,das Wetter ist natürlich eine Lotterie.
Gruß Franki