Darf man auf einer Laufseite über Walking schreiben? Viele Läufer haben ein gespaltenes Verhältnis zu Nordic-Walkern, so dass auch ein „Walker-Hasser Manifest“ seine Buchkäufer findet.
Walking hat im Freizeitbereich einen gewaltigen Zuwachs erlebt, seit im Jahr 1997 die ersten modernen Nordic-Walking-Stöcke vorgestellt wurden. Diese (Wieder-) Erfindung der Sportartikelindustrie traf auf ein breites Interesse nach moderater körperlicher Bewegung. Die leichten Nordic-Walking-Stöcke mit einem speziellen Schlaufensystem wirken modern und heben das Nordic-Walken vom antiquiert geltenden Wandern ab.
Dabei ist es auch als Marketingerfolg zu betrachten, Menschen, die teils im Spaziergängertempo unterwegs sind, sportartspezifische Kleidung zu verkaufen. Allerdings darf man nicht unterschätzen, dass mit der sozialen Akzeptanz von Nordic-Walking als Freizeitsport mancher den Wiedereinstieg in sportliche Betätigung findet. Für den Laufanfänger wird ein Wechsel zwischen Lauf- und Walkingabschnitten empfohlen und mancher Hobbyläufer steigt nach Knieproblemen auf das durch die geringere Stoßbelastung schonendere Walken um. Die korrekte Nutzung der Stöcke verspricht zudem, dass auch der Oberkörper intensiver in den Bewegungsablauf eingezogen werden kann. Bei niedrigen Intensitäten ist Walking besser als Laufen dosierbar.
Neben dem Nordic-Walking wird Walking auch ohne Stöcke betrieben, was einen deutlich unterschiedlichen Armeinsatz bedeutet. Beim Nordic-Walking ist die Kraftkomponente der Arme abstoßend nach hinten unten gerichtet, beim Walken ohne Stöcke ist der Armeinsatz mit dem Laufen vergleichbar. Walking ohne Stöcke ist vom Bewegungsablauf eng mit dem Wandern verwandt, Unterschiede bestehen vor allem im bewussteren Armeinsatz beim Walking.
Neben dem Freizeitbereich besteht eine Szene des leistungsorientierten Wanderns und Walkens. Für Walker haben Tempo und Zeiten einen höheren Stellenwert als für Wanderer und so findet man Walker auch bei Laufveranstaltungen, die teilweise eigene Wettbewerbe anbieten. So nahmen am Weidatalmarathon bei Zeulenroda im vergangenen Jahr auf den verschiedenen Strecken 322 Läufer und 265 Walker teil, zwei Drittel der Walker auf den Strecken bis 11 km. Trainierte Walker sind teils in einem Tempo von unter 7 min/km unterwegs und können einen Marathon deutlich unter 5 Stunden absolvieren. Der Sieger 2009 beim Walking auf der Marathondistanz mit 858 Höhenmeter im Weidatal startete in der M 70 und brauchte 6:09:08 h.
Sportwanderer sammeln dagegen vor allem Bestätigungen für die bewältigten Kilometer, die individuell auf markierten Wanderwegen oder in Veranstaltungen, die oft über 100 km führen, zurückgelegt werden. Überhaupt sind 100 km-Strecken für Wanderer etwa das, was für den Läufer der Marathon ist. Das übliche Zeitfenster für solche Wanderungen beträgt 24 Stunden. In Belgien und Holland ist das Sportwandern ein Volkssport. Dort werden weit mehr lange Strecken angeboten als in Deutschland, wo es besonders viele Langstreckenwanderungen in Ostdeutschland gibt.
Auch der Marathon und Supermarathon beim Rennsteiglauf bietet die Möglichkeit das Ziel innerhalb des Zeitlimits zumindest teilweise wandernd oder walkend zu erreichen. Daneben gibt es im Rahmen des Rennsteiglaufes auch eine 50-km-Wanderung von Neuhaus nach Blankenstein, an der im vergangenen Jahr 87 Sportler teilnahmen, sowie verschiedene kürzere Strecken zum Walken und Wandern. Auch die 51 km lange Harzquerung von Wernigerode nach Nordhausen bietet die Möglichkeit, die Strecke zu wandern, was 2009 von 63 Sportlern wahrgenommen wurde. Diese Mischung zwischen Langstreckenlauf und Wanderung hat durchaus Tradition. Der berühmteste 100-km-Lauf im schweizerischen Biel ist aus einem Militärmarsch hervorgegangen und bietet auch heute noch ein für Wanderer ausreichendes Zeitlimit von 21 Stunden.
Ein wichtiger Veranstalter für Langstreckenwanderungen ist der Deutsche Volkssportverband, der Wanderungen über die Marathondistanz und kürzere Strecken ohne Zeitnahme veranstaltet. Allerdings sind die Strecken eher grob vermessen und eine schöne und sinnvolle Streckenführung kann durchaus zu Abweichungen von einigen Kilometern führen. Jedes Jahr zu Pfingsten findet in Gräfinau-Angstedt und Bücheloh ein Wandertreffen statt, bei dem man Sonnabend und Sonntag jeweils auch einen Marathon wandern kann. Teilweise wird die Infrastruktur solcher Wanderungen mit einer moderaten Startgebühren von 2,70 € auch von Läufern genutzt.
Eine bekannte Veranstaltung in Thüringen ist die 100-km-Wanderung auf der Jenaer Horizontale, die im letzten Jahr 826 Teilnehmer zählte, von denen allerdings nur die Hälfte ins Ziel kam. Im Gegensatz zu vielen anderen Wanderungen sind in Jena sehr viele Studenten am Start, die den üblichen Altersdurchschnitt stark senken. Erwähnenswert ist auch die 7-Seen-Wanderung bei Leipzig, die am 7. und 8. Mai 2010 Wanderungen von 4 bis 104 km anbietet.
Auch wenn Laufen und Walken eng verwandte Sportarten sind, dürfte die andersartige Belastung des Langstreckenwanderns manchen Läufer Muskelkater an ungewohnten Stellen wie den hinteren Oberschenkeln und dem Gesäß verursachen. Die Ursachen liegen darin, dass ein anderer Teil der Muskeln als beim Laufen über einen langen Zeitraum belastet werden. Für den ambitionierten Läufer dürfte Wandern vor allem als aktive Regeneration interessant sein. Doch besonders im Wintertraining kann man auch einmal einen längeren Lauf als zügige Walkingeinheit gestalten. Das schont den Stützapparat und bietet eine interessante Abwechslung.
Der Artikel ist mit Unterstützung von vielen laufenden, wandernden und walkenden Sportfreunden entstanden. Ihnen gilt mein ausdrücklicher Dank.