Im Herbst 2011 wechselte die Deutsche Hallenmeisterin des Jahres 2009 über 800 Meter, Annett Horna (damals TSV Bayer 04 Leverkusen), zum Erfurter Erfolgstrainer Dieter Hermann. In dieser Zeit verlagerte sie nicht nur ihren Trainingsschwerpunkt, sondern auch ihren Wohnsitz nach Erfurt. Seitdem erweiterte die gebürtige Magdeburgerin ihre persönliche Erfolgsliste um eine Silbermedaille bei der Team-EM 2013, einen Deutschen Hallenmeistertitel und eine Silbermedaille bei den Deutschen Leichtathletikmeisterschaften 2013. Im Interview mit Laufszene Thüringen gibt die für den LC Rehlingen startende Wahl-Erfurterin einen Einblick in Ihren Alltag und die kommende Saison 2014.
Annett, du hast von 2002 bis 2011 beim Bundestrainer Adi Zaar trainiert und bist für den TSV Bayer 04 Leverkusen gestartet. Was hat dich zu diesem Trainerwechsel bewegt?
Ich bin mit 15 Jahren in Adis Trainingsgruppe gekommen. Er hat mich gewissermaßen entdeckt und mich während der Zeit unserer Zusammenarbeit gefördert und täglich gefordert. Ohne ihn wäre ich nicht da, wo ich heute bin. Bei Adi hatte ich eine schöne und erfolgreiche Zeit. Dazu gehören rund 40 Medaillen von Deutschen Meisterschaften (Einzel, Mannschaft, Cross, Staffel) und die bis heute bestehende Bestzeit über 800 Meter (2:02,29 min).
Aber neun Jahre bei ein und demselben Trainer sind eine lange Zeit. Irgendwann merkt man, dass Körper und Geist neue Reize brauchen, um sich weiterzuentwickeln. Daraufhin habe ich mich umgehört, wer der beste Mittelstreckentrainer in Deutschland ist und bin auf den Namen „Dieter Hermann“ gestoßen. Und umgezogen! Zu Adi Zaar habe ich immer noch sehr guten Kontakt. Er betreut mich auf Wettkämpfen und in Trainingslagern.
Dich trifft man überwiegend im Erfurter Süden im Bereich des Sportforums. Wie kommt es, dass du für keinen Thüringer Verein, sondern für den LC Rehlingen startest?
Als ich zu Herrn Hermann wechselte, blieb ich zunächst für ein Jahr beim TSV Bayer 04 Leverkusen, bevor ich 2012 Adi Zaar ins Saarland folgte, um den LC Rehlingen und eine dort geplante 3 x 800 Meter Staffel zu verstärken. Leider konnten die anderen beiden Mitglieder des Teams aus unterschiedlichen Gründen nie zum Einsatz kommen, womit die Staffel vorläufig gestorben ist. Ein Jahr nach meinem Wechsel zum LC Rehlingen bin ich zwar „staffellos“, aber in meinem neuen, sehr familiären Verein glücklich. Es ist nahezu unmöglich, mich dort je wieder weg zu bekommen.
Für einen Thüringer Verein zu starten, kam für mich vor allem aus finanziellen Gründen zu keinem Zeitpunkt in Frage. Da ich weder in Sportfördergruppen der Polizei noch Bundeswehr (nicht mehr) und zudem noch Studentin bin, musste ich mich nach einem anderen Förderer umschauen, der zumindest meine Grundbedürfnisse absichert.
In Thüringen ist es schwierig, Vereine oder Sponsoren zu finden, die Sportler aufwandsgerecht unterstützen können. Bei Ersteren fehlen meistens leider die finanziellen Mittel, bei Zweiteren fehlt häufig das Interesse an der Leichtathletik, die vielerorts nicht mehr als förderungswürdig gilt.
Hattest du Schwierigkeiten mit dem Umstieg auf das System „Dieter Hermann“?
Ich habe 12 Jahre nach einem völlig anderen Trainingssystem trainiert. Also ja, ich tat mich mit der Umstellung sehr schwer. Früher war mein Training sprintorientierter. Der Schwerpunkt lag vor allem auf Sprintausdauertraining und qualitativ hochwertigen, aber kürzeren Dauerläufen. Ich bin bis 2011 fast nur 800 Meter gelaufen und habe die 1500 Meter gehasst.
In Erfurt habe ich nicht nur mein komplettes „System“ umgestellt, sondern auch die Wettkampfstrecke gewechselt. Heute trainiere ich auf Grund des Wechsels auf die 1500 Meter deutlich höhere Umfänge und längere Tempoläufe, was auf eine ganz andere Art und Weise anstrengend ist.
Im Winter 2012 musste ich die begonnene Hallensaison abbrechen, weil da nach dem Wechsel läuferisch einfach noch nichts los war. Aber das war völlig normal. Der Körper braucht eben Zeit, um sich an neue Trainingsreize zu gewöhnen. Mittlerweile bin ich sehr zufrieden und auf dieser „Langstrecke“ angekommen.
Zwei Jahre nach meinem „Systemwechsel“ hoffe ich, dass nun endlich der Durchbruch kommt. Das letzte Jahr war zwar medaillentechnisch gesehen sehr erfolgreich, meinem Trainer genügt dies aber nicht :) Sein Ziel (und somit auch meines) ist dieses Jahr die Teilnahme an der Europameisterschaft in Zürich über 1500 Meter.
Trainierst du bei Dieter Hermann überwiegend allein oder gibt es eine Trainingsgruppe, die dich unterstützt?
Beides. Ich habe eine Trainingsgruppe, aber die besteht leider nur aus schnellen Männern, Rico Schwarz und Marcus Schöfisch. Und die haben leider besseres zu tun, als beim Dauerlauf auf mich zu warten. Ich habe mich nun damit abgefunden, einer temporären Trainingsgruppe anzugehören.
Wir beginnen unser Training zusammen, sie machen ihre Gymnastik etwas länger, damit ich, wenn ich vom Dauerlauf komme, den Rest der Nachbereitung mit ihnen machen kann. Nur bei den Tempoläufen profitiere ich manchmal von ihnen. Da sie längere Wettkampfstrecken laufen, sind ihre Trainingsstrecken natürlich auch länger, sodass unser Tempo gut zusammenpasst. Dann muss ich mich nur reinhängen.
2013 hast du Gold bei den Deutschen Hallenmeisterschaften in Dortmund, Silber bei den Deutschen Meisterschaften in Ulm und Silber bei der Team-EM in Gateshead gewonnen. Verlief die Saison so reibungslos, wie es für Außenstehende möglicherweise erscheint oder gab es auch Hürden, die du auf diesem Weg meistern musstest?
Der Winter ist für mich immer eine Art Glücksspiel. Ich habe die Ursache dafür, warum ich so regelmäßig krank werde, noch nicht erkannt. Im Winter 2013, vor meinem Meistertitel, war ich den gesamten Dezember krank. Gewonnen habe ich dann nur, weil ich mir vorher eine sehr gute Ausdauergrundlage erarbeitet habe, von der ich zehren konnte.
Die Vorbereitung auf den Sommer verlief unproblematisch und ich war zu Beginn der Sommersaison sehr fit. Leider spielte das Wetter bei den meisten Wettkämpfen nicht so mit und viele Rennen waren taktisch geprägt, so dass ich eine Zeit unter 4:10 Minuten nicht realisieren konnte. Das ist schade und wäre für mein Selbstbewusstsein im Hinblick auf die Saison 2014 wichtig gewesen.
Was verbindet dich mit deiner neuen Heimat Erfurt? Fühlst du dich wohl?
In Erfurt habe ich meinen Lebensmittelpunkt. Freund, Trainer, Freunde, Hund – ich fühle mich sehr wohl. Hinzu kommt, dass Erfurt eine sehr schöne Stadt ist. Ich hoffe, dass ich nach Beendigung meines Lehramtsstudiums hier auch beruflich Fuß fassen kann.
Ich konnte recherchieren, dass deine eigentliche Universität die Uni in Köln ist und du dort Grundschullehramt studierst. Wie regelst du die Kombination Studium – Sport und das bei dieser Entfernung?
Mein Studium begann ich 2006 in Köln. Zu dieser Zeit habe ich in Leverkusen gewohnt und trainiert. Zur Uni bin ich fast täglich mit dem Zug gependelt. Das bedeutete, um 6:00 Uhr laufen, zur Uni, wieder zum Training und um 20:30 Uhr zu Hause sein. Das war nicht ideal, weder für den Sport noch für mein Studium.
Seit 2012 bin ich „scheinfrei“, das heißt, ich habe alle notwendigen Vorlesungen und Seminare absolviert und muss nur noch für meine Abschlussprüfungen nach Köln. Das erlaubt mir eine gewisse Flexibilität, was meinen Wohnort angeht und mehr Professionalität im Hinblick auf den Sport.
Mein Studium dauert durch die Fokussierung auf den Sport sehr lange. Die Regelstudienzeit beträgt 7 Semester; ich bin weit darüber hinaus. Das liegt natürlich auch daran, dass ich zwischendurch meine Grundausbildung bei der Bundeswehr gemacht habe und ein Jahr in der Sportfördergruppe war. Jetzt liegen noch zwei Examensprüfungen und meine Examensarbeit vor mir. Im Winter 2016 plane ich, mein Studium zu beenden.
Wenn du das Jahr 2013 Revue passieren lässt, welche Verbesserungen und Ziele ergeben sich daraus für die kommende Saison?
Für mich und meinen Verein sind die Deutschen Meisterschaften sehr wichtig, wo es gilt, möglichst weit oben auf dem Treppchen zu stehen. Auch gegen die Teilnahme an den Europameisterschaften hätte ich nichts einzuwenden. Aber am meisten wünsche ich mir endlich eine Zeit unter 4:10 Minuten.
Du stehst in den Siegerlisten des Weimarer Stadtlaufes im Jahr 2012 und hast den letztjährigen Treffurter Berglauf gewonnen und das sogar vor den meisten männlichen Startern. Können sich die Thüringer Läufer und Läuferinnen 2014 wieder mit dir messen?
Natürlich. Herausforderungen nehme ich gerne an :) Straßenläufe werden auch in diesem Jahr wieder Bestandteil des Trainings sein. Ich werde mir für Frühling und Herbst wieder ein paar heraus suchen. Ich mag die Stimmung auf der Straße sehr, das ist etwas ganz anderes als im Stadion zu laufen. Vor allem sind die Strecken abwechslungsreich und man ist nicht so unter Erfolgsdruck. Dort kann man Laufen richtig genießen.
Zum Abschluss unseres Gespräches bitte ich dich noch unseren Lesern zu verraten, welche Trainingseinheit dir am meisten Spaß macht.
Trainingsfrei :D
Vielen Dank, Annett Horna, für das interessante, ausführliche Gespräch und viel Erfolg für die kommende Saison!
Sehr schönes und ausführliches Interview über eine sympathische Sportlerin.
Da auch hier wieder, wie schon des öfteren bei erfolgreichen thüriger Läufern, die Rede vom Trainer Dieter Hermann ist, sollten dochmal seine Trainingsmethoden ausführlich erörtert werden. Am besten anhand 1-2 Beispiel Trainingswochen! ;)
mfg
Ein sehr schöner Artikel.
@ Annett: wünsche dir weiterhin viel Erfolg und das du gut durch den Winter kommst (besser als ich)
VG Christoph
Ben, am besten einfach in Erfurt persönlich nachfragen, hier wird es denke ich schwierig sein solch eine Erörterung zu starten.