Seit sechs Jahren ist für mich klar: Mitte Mai läufst du den Supermarathon beim Rennsteiglauf. Bei allen vorangegangenen Starts konnte ich immer eine Zielzeit von unter acht Stunden erreichen. Dies sollte auch dieses Jahr das Mindestziel für mich sein. Wenn alles gut lief wollte ich unter 7:30 h bleiben.
Der vergangene Winter war für Läufer eine nicht ganz einfache Zeit: Lange Wochen waren Waldwege vereist und kaum vernünftig zu belaufen. Deshalb wich ich auf geräumte Waldstraßen wie das Eisenberger Mühltal aus. Dort war meist gut geräumt und gefahrlos zu laufen.
Das Winterwetter bewegte mich sicherlich auch zu Vorbereitungswettkämpfen in eher wärme Gefilde. Da kam vor dem Rennsteig für mich dieses Jahr schon einige Kilometer zusammen. So sammelte ich beim Untertagemarathon in Merkers, dem EcoTrail in Paris und dem Marathon Deutsche Weinstraße tolle Erlebnisse. Mit den vielen Kilometern in den Beinen fühlte ich mich gut vorbereitet für den Rennsteig.
Am Abend vorher fuhr ich mit dem Zug nach Eisenach. Dort angekommen gab es nach dem Empfang der Startunterlagen wieder das traditionelle Gulasch mit Klößen. Dieses Mal hatten die Organisatoren ein größeres Zelt auf dem Markt aufstellen lassen. Die Anmeldezahlen waren ja die letzten Jahre deutlich nach oben gegangen. Da war es teilweise in dem kleinen Zelt oberhalb vom Markt doch recht eng. Dieses Jahr fand ich problemlos einen Platz und bekam recht zügig mein Essen. Dies war ein echter Fortschritt. Anschließend machte ich mich auf den Weg zum Elisabeth-Gymnasium. Wie alle Jahre vorher bezog ich mein Quartier in einem Klassenraum. Ein Bier und ein Schwatz mit alten Freunden rundeten den Abend ab.
Gut ausgeschlafen pellte ich mich kurz nach 4 Uhr aus meinem Schlafsack. Frühstück hatte ich mir selbst mitgebracht. Nach Katzenwäsche ging ich frohgelaunt mit Rucksack Richtung Markt. Auf dem Markt herrschte schon ein Gewusel wie jedes Jahr. Am Morgen war es doch recht frisch in Eisenach. Ich überlegt kurz, ob ich meine Laufjacke mit auf die Strecke nehmen sollte. Ich entschloss mich dann aber doch in kurzen Sachen auf die Strecke zu gehen und die Jacke mit dem Rucksack gen Schmiedefeld zu schicken. Schnell hatte ich den Rucksack auf dem LKW abgegeben.
Kurz vor dem Start erblickte ich noch meinen alten Lauffreund Jörg Kupfer. Ich drängelte mich zu ihm vor um ihn zu begrüßen. Dadurch stand ich plötzlich nur knapp 15 Meter vor der Startlinie. Ein Zurück gab es nicht. So starte ich ziemlich weit vorn für mich.
Nach dem Startschuss ging es gleich recht zügig gen Burschenschaftsdenkmal. Durch die Anstiege wurde man gleich warm. Meine Laufjacke vermisste ich auf der ganzen Strecke nicht. Der fehlende Wind sorgte dafür, dass einem die frischen Temperaturen wärmer vorkamen.
Nach dem Burschenschaftsdenkmal schaute ich ängstlich nach links. Dort befindet sich eine Pferdekoppel. Aus dieser waren im letzten Jahr einige Pferde ausgebrochen und mit den Läufern gemeinsam bis zur Hohen Sonne gelaufen. Dies war nicht ganz ungefährlich. Dieses Jahr erblickten wir keine Pferde und konnten die Aufstiege bis zur Hohen Sonne meistern.
Bis zur Hohen Sonne überholte ich Roland Winkler. Er konnte 1976 den langen Kanten gewinnen. Das wünsche ich mir auch, dass ich solange fit bleibe wie er. Wir schwatzen kurz bis ich ihn hinter mir ließ. An der ersten Verpflegung ging es wie jedes Jahr recht hektisch zu. Dies ändert sich erfahrungsgemäß an den späteren Verpflegungen. Bei mir lief es recht gut. Der Inselsberg konnte kommen.
Auf dem Weg zum Inselsberg holte ich Claudia Herrmann ein. Wir liefen einige Kilometer zusammen. Durch die Unterhaltung verlief auch die Strecke recht zügig. Der Veranstalter hatte für dieses Jahr versprochen, dass es mehr Zwischenzeitnahmen geben sollte. Eine erste Matte lag an der Glasbachwiese. Damit war auch die erste Etappe für mich vorbei. Am Dreiherrenstein riefen uns die Helfer zu, dass es nur 3 Grad Celsius warm sei. Mir kam es vor wie 20°C.
Es lief bisher sehr gut. Zu gut? War ich eventuell zu schnell? Jetzt kamen die steilen Anstiege zum Inselsberg. Wir ließen es locker angehen und gingen in den Gehschritt über. Die Strecke ist dort noch lang und seine Körner kann man später noch gut gebrauchen. Nach ca. 2½ Stunden waren wir auf dem Inselsberg. Die Zuschauer froren doch ziemlich auf dem kühlen Berg. Ein wenig Schnee konnte man unter einer umgebrochenen Fichte noch sehen.
Wir mussten uns auf den steilen Abstieg zur Grenzwiese konzentrieren. An der Verpflegung Grenzwiese genoss ich erst einmal einen großen Becher Haferschleim. Vielen bereitet der Begriff Haferschleim sicher ein wenig Unbehagen. Allen, die es noch nicht probiert haben, kann ich nur dazu raten, es zu probieren. So schleimig ist er gar nicht. Er geht gut runter, bringt neue Kräfte und schont den Magen. Die Verpflegungsstellen werden von den örtlichen Vereinen betrieben. Jeder Verein hat sein eigenes Rezept für den Haferschleim. So schmeckt er an jeder Verpflegung anders und Langeweile kommt dabei nicht auf. Mir persönlich schmeckt der Schleim an der Ebertswiese am besten.
Nach der Grenzwiese ließ mich Claudia ziehen. Kurze Zeit später traf ich einen weiteren alten Bekannten, Claus Ubl. Ich wunderte mich, dass er – für seine Verhältnisse – so weit hinten im Feld lief. Er hatte sich beim Training den Fuß verknackst und konnte ein paar Wochen kaum trainieren. Deshalb ging er es locker an. Er sollte für die nächsten Kilometer mein Tempomacher sein. So flogen Heuberghaus, Ebertswiese und Neue Ausspanne nur so vorbei. Es lief einfach super. „Hoffentlich geht das gut“, dachte ich mir.
An den Neuhöfer Wiesen musste ich auf Grund eines menschlichen Bedürfnisses Claus ziehen lassen. Auch Claudia hatte mich dadurch wieder überholt. Es sollte auf den kommenden Kilometern allerdings immer noch sehr gut für mich laufen. Ich konnte an Steigungen dieses Jahr laufen, an denen ich mich sonst nur gequält hatte. Auch Claudia war zufrieden mit dem Lauf, als ich sie überholte. Schon kam das Biathlonstadion am Grenzadler in Sicht. Hier kann man aus dem Rennen austeigen und kommt trotzdem ins Ergebnisheft. Diese Möglichkeit nutzen aber nur wenige. Ich verschwendete keinen Gedanken daran.
Nach dem Grenzadler war für mich sonst der Tiefpunkt erreicht. Die kleinen Steigungen Richtung Rondell nötigten mich immer in den Gehschritt. Dieses Jahr war Laufen angesagt. Schnell erreichte ich die Verpflegungsstelle Suhler Ausspanne. Dort begegnete ich kurz Claus wieder. Er wollte aber nicht mit mir ziehen. Von dort ist es nur noch ein knapper Kilometer bis zum Beerberg und der höchsten Stelle des Laufes. Man sollte sich aber nicht täuschen lassen. Ein paar kleine Anstiege zur Schmücke und zur Verpflegung Kreuzwege kommen noch. Auf dem Streckenprofil kann man dies nicht erkennen.
Ich machte weiter Boden gut. Auf den letzten Kilometern konnte ich doch einige Läufer überholen. Meine Quälerei im Winter machte sich jetzt bemerkbar. Es lohnt sich also doch für mich auch ein paar Trainingseinheiten über 40 Kilometer zu absolvieren. Sonst lief ich im Winter maximal gute 30 Kilometer lange Trainingsstecken.
Meine liebe Frau jubelte mir in der Zielgasse schon zu. Sie hatte den Halbmarathon unter die Sohlen genommen. Nach knapp 7 Stunden und 23 Minuten kam ich super glücklich und relativ locker ins Ziel. Fünf bzw. sieben Minuten später kamen Claudia und Claus ins Ziel. Beide waren ebenso glücklich den Lauf so gut überstanden zu haben. Wie ich später erfuhr belegte Claudia in der Frauenhauptklasse den dritten Platz. Ich freue mich riesig für sie.
Eine kleine Kritik muss ich allerdings noch los werden. Durch die steigenden Teilnehmerzahlen stoßen mittlerweile die Duschen an ihre Kapazitätsgrenze. Dort sollte der Veranstalter im nächsten Jahr nachbessern.
Mittlerweile bin ich schon wieder für 2011 angemeldet. Für welche Strecke?