Es war einer jener eher seltenen Tage in der 44-jährigen Rennsteiglaufgeschichte, einer jener Tage, die man sich fett anstreichen möchte im Kalender – ein perfekter Tag für das Laufen. Keine Regengüsse, kein Sturm, keine Kälte – das berühmt-berüchtigte Rennsteiglaufwetter war heuer nicht mehr als ein Mythos. Und als hätte das die nationale und internationale Laufszene geahnt: So viele Anmeldungen und so viele Starter haben die Lauf- und Wanderstrecken, die innerhalb des Großevents Rennsteiglauf angeboten werden, noch nie gesehen. Erstmals gab es 18.347 Anmeldungen.
16.412 Läuferinnen und Läufer sind schlussendlich auf die Strecken gegangen. Das zeigt, dass sich der Rennsteiglauf auch nicht vor der zeitgleichen Austragung eines DFB-Pokalfinalspiels verstecken braucht. Jürgen Lange, der selbst mitlaufende und stets gut gelaunte Rennsteiglaufvereinschef, war bei der Siegerpräsentation nach dem Lauf sichtlich gezeichnet – und zwar im positiven Sinne. „Dass wir erstmals über 18.000 Anmeldungen hatten, ist echt ein Ding! Allerdings bringt das natürlich auch einen unwahrscheinlichen logistischen Aufwand mit sich. Ich bin stolz darauf, wie wir das alles immer und immer wieder schaffen. Mein Dank geht daher zuerst an unsere weit mehr als 1.600 Helferinnen und Helfer, an meine Präsidiumsmitglieder, die Organisationsleiter und die Mitarbeiter in der Geschäftsstelle.“ Auch der Gesamtleiter des ostdeutschen Vorzeigeprojekts Rennsteiglauf, Marcus Clauder, war sozusagen von der eigenen Leistungsfähigkeit beeindruckt: „16.412 Starter – die Zahl jagt mir sogar jetzt noch eine Gänsehaut über den Rücken.“
Sportlich gab es einige Überraschungen und die Bestätigung der Erkenntnis, dass die Läufer aus dem Gastgeberland Thüringen seit ein paar Jahren die Podestplätze dominieren. Für den läuferischen Höhepunkt sorgte Daniela Oemus vom SV Blau-Weiß Bürgel. Die Assistenzärztin vom Jenaer Uniklinikum unterbot auf der Königsstrecke über 72,7 Kilometer den Uraltrekord von Isabella Bernhard aus dem Jahr 2003 um mehr als drei Minuten. Das erste Mal beim Rennsteiglauf – und gleich auf dem obersten Treppchen gelandet: das ist die kernige Bilanz von Marc Schulze. Seine Laufzeit betrug starke 05:17:38 Stunden, was den Dresdner Doktoranten sogleich auf die Idee brachte, im kommenden Jahr die magische Bestmarke von Christian Seiler anzugreifen, die bei eigentlich nicht zu schaffenden 04:50:55 Stunden liegt.
Die ehemalige Weit- und Dreispringerin Annika Krull sprang dieses Mal nicht in irgendeine Grube, sondern direkt auf das Siegerpodest beim Rennsteiglauf. Sie setzte sich ziemlich deutlich vor der zweifelsohne nicht schlechten Kristin Hempel aus Erfurt durch, die immerhin schon Siegerin des Rennsteiglauf-Marathons und des Rennsteiglauf-Supermarathons war. „Klar komme ich wieder. So ein Landschaftslauf ist doch viel schöner, als ein Stadtlauf“, so das Resümee der sympathischen Hamburgerin. Alle anderen Siege gingen an den Freistaat. Seinen ersten Marathonsieg fuhr Marcel Krieghoff aus Erfurt ein. Es war ihm nicht nur zu wünschen – nein, es musste sogar so sein! Zur Erinnerung: 2014 lag Krieghoff gemeinsam mit Christian König scheinbar uneinholbar in Führung – und verlief sich in den Tiefen des frühlingshaften Thüringer Waldes.
Top-Favorit Marcel Bräutigam wurde seiner Rolle wieder einmal gerecht und gewann den Halbmarathon und somit insgesamt zum vierten Mal beim Rennsteiglauf. Ebenso wie Nicole Kruhme, die auf ihrer Strecke mit Nora Kusterer, Anne Barber und Anna Herzberg die stärkste Konkurrenz zu bezwingen hatte.
Circa 70.000 Gäste aus nah und fern bevölkerten das Zielgelände in Schmiedefeld, die Startorte Oberhof, Neuhaus am Rennweg und Eisenach oder jubelten den Läufern auf den Strecken zu. „Der Rennsteiglauf ist längst mehr, als nur ein Sportereignis. Die Läufer und ihre Begleiter schlafen hier im Thüringer Wald, essen, trinken, kaufen Souvenirs. Wir sind Imagefaktor und wirtschaftlich deutlich messbar. Man trifft sich und kommuniziert miteinander“, fasst Jürgen Lange zusammen. „Der Rennsteiglauf ist also auch ein gesellschaftliches Ereignis mit überregionaler Bedeutung.“
Bei so viel Zufriedenheit der Beteiligten und einem solch tollen Rennsteiglauf kann man getrost davon ausgehen, dass der Text der Rennsteiglaufhymne nichts von seinem Wahrheitsgehalt verliert und auch beim 45. GutsMuths-Rennsteiglauf am 20. Mai 2017 wieder mehr als 15.000 Läuferinnen und Läufer den Thüringer Wald für einen Tag zum europäischen Läufermekka machen: „Hei, hei, hei, ho, der Rennsteiglauf. Hei, hei, hei, ho, wir sind gut drauf. Hei, hei, hei, ho, im nächsten Jahr, sind wir alle wieder da…“
In den nächsten Tagen veröffentlicht Laufszene Thüringen Berichte zu den einzelnen Strecken. Jede Menge Bilder gibt es bereits in unserer Fotogalerie.