Sowohl bei den Damen als auch bei den Herren liefen zur 44. Auflage des Rennsteiglauf mit Nicole Kruhme und Marcel Bräutigam (beide vom GutsMuths-Rennsteiglaufverein) zwei der im Vorfeld als Topfavoriten gehandelten Sportler als Erste auf die mit zahlreichen Zuschauern gesäumte Zielgerade des Schmiedefelder Sportplatzes.
Im Vorfeld des Starts wurde viel gemunkelt, ob es denn noch kurzfristige Ummeldungen von der Halb- auf die Marathonstrecke geben wird. Und wer bei den prognostizierten Favoriten zwischen Marcel Bräutigam (3x Rennsteiglauf, 2x Vize-DM Marathon) und Thomas Kühlmann (1x Rennsteiglauf, 3x Brockenlauf, 2x Harzgebirgslauf) bei den Männern bzw. zwischen Nicole Kruhme (3x Rennsteiglauf, DM-Medaillen im Berglauf) und Nora Kusterer (1x Rennsteiglauf) bei den Damen jeweils die Nase vorn haben sollte. Oder ob gar ein völlig unerwarteter Rennausgang möglich sein könne. Diese Fragen sollten in deutlich weniger als anderthalb Stunden am Sportplatz in Schmiedefeld beantwortet sein.
Von den 7.685 gemeldeten Halbmarathonläufern (abgezogen sind die kurzfristigen Ummeldungen auf längere Strecken) gingen pünktlich um 7:30 Uhr im Startort Oberhof bei perfekten äußeren Bedingungen mit Sonnenschein und etwa 10 Grad Celsius insgesamt 6.776 Sportler, was einen neuen Teilnehmerrekord darstellte, auf die Laufstrecke, die an diesem Tag wiedermal allerbeste Bedingungen bot.
Bereits nach 4 Kilometern, noch bevor der riesige Läufertross am Rondell auf den Rennsteig einbog, hatte sich der Lokalmatador Marcel Bräutigam (GutsMuths Rennsteiglaufverein) deutlich von seinen ärgsten Widersachern, dem letztjährigem Gewinner Thomas Kühlmann (TU Clausthal) sowie dem Vorjahresdritten Tom Thurley (Caputher SV) abgesetzt. Bereits hier war klar, dass der mehrmalige Berglaufweltmeister Jonathan Wyatt, der 43-jährige Neuseeländer, der seit vielen Jahren in den Dolomiten lebt, seiner umfangreichen Trophäensammlung keine weitere hinzufügen wird, sondern den Rennsteiglauf einfach „nur genießen“ will. Er wurde am Ende 18. im Gesamteinlauf (1:18:59 Stunden).
Viele Bilder von der Marathonstrecke und dem Zielbereich gibt es in unserer Fotogalerie.
Bräutigam, von der Konkurrenz an diesem Tage nicht bis zum Äußersten gefordert, baute seinen Vorsprung von Kilometer zu Kilometer aus und erreichte Schmiedefeld in lockerem Schritt und mit einem Lachen im Gesicht nach guten 1:10:46 Stunden.
Mit Respektsabstand wurde der Harzer Kühlmann (26), der sicherlich ein ernsthafteres Wörtchen um den Sieg mitsprechen wollte, bei seiner insgesamt siebten Teilnahme in einer Zeit von 1:12:40 Stunden mit fast zwei Minuten Rückstand Gesamtzweiter. Tom Thurley, der mit seinen gerade mal 23 Jahren bereits seinen zehnten Rennsteiglauf absolvierte, erlief sich in souveräner Manier Rang 3 und damit seinen zweiten Podestplatz beim Rennsteigklassiker.
Die Plätze 4 bis 6 besetzten der Bad Klosterlausnitzer Thomas Häusler (1:14:51 Std), der erst 18-jährige Dresdner Skilangläufer Richard Leupold (1:14:56 Std) sowie der Sachsen-Anhaltiner Tobias Schröder vom SC Köthen (1:16:09 Std).
Der 28-jährige Sieger Marcel Bräutigam, Mitglied der Sportfördergruppe der Thüringer Polizei, äußerste sich im Ziel sehr zufrieden, zeigt doch seine Formkurve nach diesem souveränen Auftritt wieder deutlich nach oben. Seine Saisonplanung führt ihn Ende September zum Berlin-Marathon, wo er eine Zeit von unter 2:15:30 Stunden anstrebt.
Wesentlich spannender verlief der Kampf um die Halbmarathon-Krone bei den Damen. Während die Einen die in Jena lebende Schwarzwälderin Nora Kusterer (SV Oberkollbach), überragende Marathonsiegerin des Vorjahres und Rekordinhaberin am Rennsteig, auf ihren Tippzetteln vorne hatten, galt anderen Experten die einheimische Nicole Kruhme (GutsMuths Rennsteiglaufverein) aufgrund ihrer Streckenerfahrung und ihrer überragenden Bergqualitäten als die Favoritin.
Nachdem Nora Kusterer (Marathonbestzeit 2:42:55 Std) das Damenfeld noch bei Kilometermarke 5 mit wenigen Sekunden Vorsprung vor Kruhme und nochmals einigen Sekunden vor Anna Herzberg (KS Sportsworld) anführte, forcierte Nicole Kruhme – in Begleitung ihres Trainingspartners Michael Herr – an den ersten Bergen zwischen Rondell und Ausspanne das Tempo und saugte sich an Kusterer heran, um sie schließlich zu überholen. Nach 12 Kilometern an der Verpflegungsstation Schmücke, wo bereits mehr als die Hälfte des Wettkampfes absolviert war, hatte sich die Gehlbergerin unmittelbar oberhalb ihres Heimatortes bereits ein komfortables, aber keineswegs sicheres Polster von 19 Sekunden vor Kusterer bzw. 35 Sekunden vor Herzberg herausgelaufen. Alle anderen Läuferinnen schienen hier bereits aus dem Medaillenkampf ausgeschieden zu sein.
Während sich die Führende bis ins Ziel durchbiss und ihren Vorsprung vor Nora Kusterer Sekunde um Sekunde ausbauen konnte, lief die Vorjahresdritte Anne Barber (Berlin) von hinten kommend immer näher an die bis dahin Drittplatzierte Anna Herzberg heran. Dieser Zweikampf sollte noch lange nicht entschieden sein.
Um 8:52 Uhr erreichte Nicole Kruhme als erste Frau nach 1:21:50 Stunden überglücklich das Ziel und damit ihren insgesamt vierten Rennsteiglaufsieg in Folge, darunter dreimal auf der Halbmarathonstrecke. Mit exakt einer halben Minute Rückstand wurde Nora Kusterer (1:22:20 Std) nach ihrem Marathonsieg im Vorjahr dieses Jahr gute Zweite im Gesamteinlauf.
Im selben Moment erlebten die Zuschauermassen ein irres Spektakel um den dritten Podiumsplatz. Anne Barber, auf der zweiten Streckenhälfte die deutlich Schnellste im gesamten Damenfeld, konnte bis etwa 800 Meter vor dem Ziel auf die vor ihr liegende Anna Herzberg aufschließen. Diese wiederum konterte prompt und legte ihrerseits – das Zielbanner bereits vor Augen – erneut einige Meter Vorsprung zwischen sich und die Verfolgerin. Doch das bessere Ende hatte schlussendlich die Läuferin aus der Hauptstadt, die auf den letzten Metern alles aus sich herausholte und Herzberg doch noch überspurten konnte.
Fünftplatzierte wurde die Bielefelderin Stephanie Fritzemeier (1:29:15 Std); Sechste die Dresdnerin Anne Röhnert (1:29:24 Std).
Solche packenden Duelle wünschen wir uns auch zum „kleinen Jubiläum“, der 45. Ausgabe des Rennsteiglaufs im Jahr 2017!
Laufszene Thüringen gratuliert allen Rennsteigläufern – völlig unabhängig von Podiumsplatzierung, Zeiten und Rekorden – zu ihrem erfolgreichen Rennsteiglauf, denn alle sie sind es, die die Veranstaltung zu dem machen, was er ist: Der Kultlauf am Rennsteig…