Temperaturen mit sonnigen 16 Grad, eine malerische grün angehauchte Landschaft, in der die Zeit des Mittelalters stehen geblieben zu sein scheint und azurblaues Wasser, das bunt bemalte Fischerboote trägt. Malta im Februar ist wahrlich eine Perle des Mittelmeers – und um diese Jahreszeit gleichzeitig Europas Laufmekka.
Jedes Jahr findet hier – wenn bei uns vielerorts die Trainingsstrecken noch schneebedeckt sind – der Malta Marathon statt, der wegen eines flachen Streckenverlaufes und eines grandiosen Zieleinlaufes an der Hafenpromenade von Sliema zu den beliebtesten Marathonläufen des Frühjahrs gehört. Mit ca. 4.500 Athleten – darunter 200 aus der Deutschland – in den Disziplinen Marathon, Halbmarathon und Walkathon erreichte die Veranstaltung in diesem Jahr einen neuen Teilnehmerrekord. Viele ausländische Läufer nutzen die frühlingshaften Bedingungen für einen Ausbruch aus der kalten Jahreszeit ihrer Mittel- und Nordeuropäischen Heimat um gleich ein paar Tage „Urlaub“ dranzuhängen. So hielt auch ich es und nutzte die Gelegenheit über ein langes Wochenende das kleine Eiland kennen zu lernen.
Bei 300 Sonnentagen im Jahr hatte auch ich das Glück, bei größtenteils heiterer Wetterlage meine täglichen Touren in Angriff zu nehmen. Nach der Ankunft im kleinsten Mitgliedsstaat der EU auf dem hübschen Flughafen Malta Luqa wurde mir schnell das quirlige unbekümmerte Inselleben bewusst, als es darum ging, mit dem Bus das Hotel zu erreichen. Abfahrtzeiten sollte man auf Malta grundsätzlich nicht ernst nehmen. Bei gut gefüllten Bussen besteht immer die Gefahr, dass trotz Handzeichen der potentielle Fahrgast einfach an der Haltestelle stehen gelassen wird. Je nach Wunschziel kann es dann eine Stunde dauern, bis das nächste Gefährt anrollt. In weiser Voraussicht habe ich das Angebot des Marathon Veranstalters angenommen, per Shuttlebus am Wettkampftag vom Ziel in Sliema aus zum Start nach Mdina transferiert zu werden. So ging es in aller Herrgottsfrühe in die ehemalige Hauptstadt Mdina, welche schon in der Bronzezeit von den Phöniziern gegründet wurde. Heute leben hier auf der Anhöhe innerhalb der mächtigen Stadtmauern nur rund 300 Menschen.
Bis zum Start war noch gut eine Stunde Zeit, die ich für einen kleinen Spaziergang durch die schmalen Gassen unter der glutrot aufgehenden Sonne nutzte. Ich hatte das Gefühl, dass sich hier das Rad der Zeit seit 1.000 Jahren nicht mehr weiter drehte. Einer Aufwärmung für alle folgte auch schon der Countdown zum Start. Trotz einer gut 40 km umfassenden Radtour über Maltas kleine Schwesterinsel Gozo – zwei Tage zuvor – fühlten sich meine Beine recht gut an, so dass ich mit Zuversicht in den ersten Kilometer nach Rabat, Madina’s quirligen Gegenpart, startete. Die erste Aufgabe war es, das Plateau von Mdina hinabzusteigen. Vorbei an grünen Wiesen und Feldern ließen die Läufer die Festung von Mdina im Rücken. Wer sich umblickte, genoss nochmal einen herrlichen Blick auf dieses Monument vergangener Tage.
Wenig später erblickte ich das Nationalstadion Maltas, das Ta’Qali. Als passionierten Fußballer gab mir dieser Anblick bereits einen kleinen extra Schub Motivation und so ging es bis zur ersten Wasserstation bei Kilometer 10 locker weiter. Es folgten zahlreiche pittoreske Dörfchen, bei denen so früh am Morgen jedoch nicht allzu viele Schaulustige aus ihren Häusern lugten. Zahlreiche musikalische Unterstützung trieb die Läuferschaar Kilometer für Kilometer vorwärts, was bei heimtückischen Gegenwind von scheinbar allen Seiten auch notwendig war.
Ein Großteil der Strecke wurde auf Freiflächen absolviert, die den Naturkräften gnadenlos ausgeliefert war. Tapfer erreichte ich die Halbmarathon-Distanz, nachdem ich das Ta’Qali ein zweites Mal passierte und bog langsam aber sicher in Richtung Küste ein. Kurz darauf stießen die Halbmarathonis auf unseren Weg und wir fanden uns in einer großen Läufermasse wieder, die gerade bei Kilometer 5 angekommen war. Den kurzen Moment der Ernüchterung schüttelte ich schnell wieder ab.
In Attard, dem ehemaligen Sitz vieler Ritter des Johanniter- und Malteserordens, gab es immer noch zahlreiche Paläste und üppige Gärten zu bestaunen. Der Malteserorden entstand bei der Übersiedelung der Johanniter nach Malta diesem Ritterorden und erhielt seinen Namen nach der Insel. Grundsätzlich kann man sagen, dass der Malteserorden den katholischen Zweig und der Johanniterorden den evangelischen Zweig vertritt.
Mittlerweile bei Kilometer 30 angelangt, machten mir meine Beine erstaunlicherweise immer noch keine großen Probleme. Die Unterstützung an der Strecke mehrte sich nun zunehmend mit der Kürze der Distanz zum Mittelmeer. Ein Kritikpunkt des Marathons wurde nun besonders deutlich. Nicht jede Straße wurde komplett für den Autoverkehr gesperrt, so dass zwischen den Athleten immer wieder Blechkarossen durchbrausten. Aber auch das hätte mich nicht verwundern dürfen. Malta zählt innerhalb Europas zu den Ländern mit dem höchsten Verkehrsaufkommen pro Kopf. Auf 420.000 Einwohner kommen mehr als 250.000 Pkw’s. Und das ist bei einem Land mit der Fläche des Bundeslandes Bremen ein echtes Problem. Hinzu kommt, dass auf Malta Linksverkehr herrscht, woran ich mich nach drei Tagen noch immer nicht ganz gewöhnt hatte.
Aber auch diese Hürde wurde genommen. Nachdem das Läuferfeld die Stadt Marsa durchquerte und die Hauptstadt Valletta zur Rechten liegen ließ, folgte ein erlösender Blick auf das Meer. Nun setzten die ersten muskulären Wehwehchen ein. Jede Flasche Wasser, jeder nasse Schwamm glich einer himmlischen Gabe und wurde dankbar angenommen. Nur noch vier Kilometer bis zum Ziel. Mit Blick auf den Marsamxett Hafen ging es durch Ta’Xbiex, dessen Ufer voll mit kleineren Fischerbooten und pompösen Yachten stand. Sliema war jetzt bereits zu erkennen. Als ich in die lange Zielpromenade einbog, fühlte ich mich wie auf Wolken. Eine kurze Kontrolle auf meine Zeitanzeige verriet mir, dass ich definitiv meinen persönlichen Rekord knacken werde. So nahm ich mir alle Zeit der Welt um die Atmosphäre der zujubelnden Menschen und des Mittelmeer-Flairs aufzusaugen.
Nach 4:01:47 kam ich glücklich aber erschöpft ins Ziel. Mit genügend Flüssigkeit und Snacks suchte ich mir ein Plätzchen am Ufer und genoss die nächsten Minuten. Glücklicherweise lag meine Unterkunft nur fünf Gehminuten (nach dem Marathon fünfzehn) vom Ziel entfernt, wo die ersehnte Badewanne – in der ich gefühlt zwei Stunden verbrachte – bereits auf mich wartete.
Der Malta-Marathon ist definitiv eine Reise wert, egal ob man sich mit der halben Distanz für die Saison fit machen will oder bereits einen ersten Gradmesser im jungen Jahr haben möchte. Auch die Anmeldung Online brachte keine Probleme mit sich. Die Startunterlagen konnten in der Veranstalterzentrale im Meridien Hotel einfach und unkompliziert abgeholt werden. Die quirlige Maltesische Kultur verdient es wahrgenommen zu werden, aber auch die Nachbarinsel Gozo, als kompletter Gegensatz zum eigentlichen Malta, ist als Ziel unbedingt zu empfehlen.