Für den „Getting Tough“ gibt es verschiedene dramatische Beschreibungen. Vom härtesten Hindernisrennen Europas sprechen die einen, als „die Hölle von Rudolstadt“ bezeichnen es die anderen. Fakt ist: mit einem normalen Lauf hat das Ganze relativ wenig zu tun. 24 Kilometer Laufen, dabei reichlich Wasser von oben und unten, mehr als 150 Hindernisse und das alles an einem 3. Dezember bei eisigen Temperaturen. Wer das Rennen übersteht, kann sich auf jeden Fall als Sieger fühlen, auch wenn er – wie der Autor des Berichts – erst mehr als 2 Stunden nach Hagen Brosius das Ziel erreicht.
Der Ingolstädter machte den Hattrick perfekt und gewann bei seinem vierten Start in Rudolstadt in 02:00:48 Stunden souverän zum dritten Mal in Folge vor Timo Pippart aus Eschwege (02:10:31) und dem Jenaer Steffen Jabin (02:11:04). „Das war der härteste Getting Tough, den ich je gelaufen bin“, sagte aber auch Brosius im Ziel. Bei den Frauen setzte sich die Lokalmatadorin Susanne Kraus (Getting Tough e.V.) in starken 02:32:22 Stunden klar vor Laura Brosius (Luigi Jena/02:40:27) und Sarah Drees aus Unna (02:50:54) durch. Immerhin 241 Frauen und 2156 Männer erreichten das Ziel. Etwa 500 Starter mussten das Rennen vorzeitig beenden, was angesichts der Strapazen unterwegs noch eine relativ geringe Ausfallquote in diesem Jahr war. Das Wetter spielte allerdings mit und die Mittagssonne wärmte unterwegs die Läufer.
Zunächst wurde das Rennen aber bei frostigen Temperaturen mit einer halben Stunde Verspätung gestartet. Unangenehm für die Läufer, die wie Kämpfer auf einem Schlachtfeld aufgereiht Stellung bezogen hatten. Auch die ernsten Gesichter der meisten Läuferinnen und Läufer passten zu der mit Metal-Klängen unterlegten Inszenierung. Hat man bei großen Marathonveranstaltungen am Start zumeist eine gelöste Atmosphäre mit singenden und klatschenden Läufern, so blickten die meisten Racer eher etwas nachdenklich in den blauen Rudolstädter Himmel, wo drei Sportflieger ihre Runden drehten. Doch mit dem Startschuss stürmten die 3.000 wie Gladiatoren los und ließen sich auch nicht von den Feuerwehrleuten irritieren, die mit Wasserschläuchen die erste Dusche des Tages verteilten. Nach dem mit Stacheldraht versehenen Kriechhindernis ging es ohnehin in den Wassergraben und der wird – vergleicht man mit Aufnahmen der Vorjahre – auch jedes Jahr etwas tiefer und breiter angelegt. Ohne helfende Hände wären da wohl schon viele gescheitert.
Übers Feld ging es dann auf die Laufstrecke. Etwas ärgerlich, dass der größte Teil des Feld an den ersten schmalen Hindernissen im Stau steckte. Man verliert Zeit und kühlt aus. Bis zur ersten Zwischenzeitnahme nach ca. ca. 7 Kilometern war so auch schon eine gute Stunde ins Land gegangen. Doch dann kam man richtig gut voran und konnte als trainierter Läufer einiges an Boden gutmachen. Eine landschaftliche schöne Trailstrecke bot sich zudem, man musste nur bei dem tiefgefrorenen Waldboden etwas aufpassen, um nicht zu stürzen. Ungewöhnlich, dass schon nach 12 Kilometern die ersten Teilnehmer mit Krämpfen an der Strecke standen, aber wohl Indiz dafür, dass sich einige bei der Vorbereitung verschätzt hatten. Nach ca. 20 Kilometern war das Startareal wieder erreicht, doch da geht „The Race“ eigentlich erst richtig los.
Zunächst war der U-förmig angelegte Wassergraben einmal komplett zu durchqueren. 400 Meter bis zur Brust im eisigen Wasser. Dann folgte eine alte NVA-Sturmbahn mit Schlammlöchern und Kriechhindernissen sowie eine Runde Sandsack-Schleppen. Weiter ging es in Richtung Rudolstädter Freibad, aber vorher noch ordentlich säubern. Das THW sorgte für die Dusche und das erste Ganzkörper-Tauchbad. Im Freibad – auch Signal Iduna Experience genannt – wo immer der größte Zuschauerandrang herrscht, legte der Spitzenmann Hagen Brosius eine besondere Performance hin. Im „Luigi-Kostüm“ durchtauchte er die auf ca. 20 Meter verteilten 7 Baumstämme in einem Zug.
Das gelang mir nicht, aber als ehemaligen Rettungsschwimmer setzte mir die Übung auch nicht so zu, wie vielen anderen Teilnehmern. Beim anschließenden Hangeln über den Schwimmerbecken entschied ich mich dann auch gleich fürs Wässern. Zur Lockerung schloss sich ein kurzer Lauf durch den Park bis zur Saale an. Wegen des hohen Wasserstandes musste der Fluss nur im Uferbereich gequert werden, aber es folgte die für mich größte Herausforderung – der Wasserturm. Zum Glück hatte mir vorab ein Läuferkollege geraten, die Badekappe aufzubehalten. „Das haut dir sonst dir Birne weg!“ Aber auch so wäre ich fast gescheitert. Am Seil an der Schräge klettern und dazu ein Wasserfall von oben. Das war zu viel. Ein hilfsbereiter Läuferkollege stellte mir am letzten Absatz seinen Fuß als Stufe zur Verfügung und so gelang es mir, mich mit letzter Kraft nach oben zu ziehen.
Auch bei dem folgenden finalen Parcours – dem Walk of Fame – halfen wir uns als Läufer gegenseitig über die Hindernisse. Einmal hörte ich den Schrei eines Kollegen, der schmerzverzerrt auf der Eskaladierwand hinter mir hängenblieb, weil er einen Krampf im Bein hatte. Ich eilte zurück und half ihm herunter, robbte mich anschließend weiter durch mit Kieselsteinen „verfeinerte“ Betonröhren, kletterte über Traktorreifenstapel, Autos und Panzer und immer wieder Wasser von oben und unten. An der Holzpyramide hatte schon Christian Seiler vor drei Jahren große Probleme und wurde damals noch von Charles Franzke, der diesmal verletzungsbedingt ausschied, überholt.
Ich mobilisierte die letzten Kräfte, wurde von oben gezogen und von hinten geschoben und kroch letztlich nach 4:12 Stunden aus dem finalen Hindernis. Der Kallinator schüttelte mir die Hand und hing mir die schwere Medaille um den Hals. Ich hatte zum ersten Mal im Ziel nicht den Wunsch nach einem Bier sondern sehnte mich nur nach warmen Sachen und einem heißen Tee. Unmittelbar danach verließ ich die Kampfarena, registrierte beim Gehen noch, dass das THW Gnade mit den letzten Läufern übte und den Wasserhahn am Turm abgedreht hatte. Dann ab ins Auto, Sitzheizung an und heim.
Zuhause dann die Bilanz: Muskelkater und blaue Flecken gleichmäßig über den ganzen Körper verteilt. Die Erkältung, die mich im Vorfeld geplagt hatte, kam nicht wie befürchtet zurück. Ich habe „The Race“ letztlich ohne größere Blessuren überstanden, der Wunsch nach einer Wiederholung besteht aber nicht. Werde das in Zukunft den deutlichen jüngeren Startern überlassen, auch wenn ich als „Alterspräsident“ noch als Zweitschnellster meines Teams „Eintracht Wickerstedt/USV Erfurt“ ins Ziel kam. Die Jungs – allesamt Fußballer – haben bravourös gekämpft und alle das Ziel erreicht.
Als Läufer ist man zwischen Kilometer 1 und 20 klar im Vorteil. Davor und danach hat die Veranstaltung mit Laufen nicht viel zu tun – eher ein Extremparcours mit „Wasserspielen“. Aber die Lust am „sich Quälen“ erfreut sich offenbar wachsender Nachfrage. Die Teilnehmerzahlen haben sich fast jedes Jahr verdoppelt und auch die Zuschauer strömen in Scharen nach Rudolstadt. So viele junge Leute sind sonst nur zum Folkfestival in der ostthüringischen Stadt, die sich zum Mekka der Extremlaufszene in Europa entwickelt hat. Den Veranstaltern kann man nur gratulieren und den Startern Hals und Beinbruch wünschen! Aber bitte nicht immer extremer, sonst wird es irgendwann zu gefährlich.
Fotos: Anna Lena Panse