Tolle Leistung der Thüringer Ultraläufer! Nur eine Woche nach der Hitzeschlacht beim Thüringen Ultra machten sich 9 Einzelläufer und 3 Dreier-Staffeln am 11. Juli vom Brocken auf den Weg zum Inselsberg, den sie nach 177 Kilometern am Abend darauf glücklich erreichten. Heike Bergmann (Zeulenroda-Triebes) Gunter Rothe (Fröttstädt), Hans-Joachim Petermann (Petriroda) und Jens Leihbecher (Goldbach) schafften die komplette Strecke. Vom Brocken aus liefen im Rahmen des Spendenlaufes für die Erdbebenopfer in Nepal außerdem Sportler nach Braunschweig, Göttingen und Magdeburg. Für jeden gelaufenen Kilometer wurden Spenden gesammelt, Weitere Spenden von Lauffreunden und Menschen an der Strecke kamen hinzu. Mehr als 5.600 Euro waren es, die allein aus Thüringen in das Projekt „Friends for Life“ zum Wiederaufbau des Bergdorfs Shitali in Nepal fließen.
Auf dem Brocken versammelten sich am Samstag um 8.30 Uhr bei bester Sicht und Sonnenschein rund 50 Läufer aus Niedersachsen und Thüringen. Bis auf 5 „Brocken-Schläfer“ mussten sie alle frühzeitig aufstehen und nach der Anreise auch den Aufstieg zum Gipfel bewältigen, um pünktlich am Start zu sein. Große Reden wurden nicht geschwungen. Schließlich galt es möglichst wenig Zeit zu verschwenden. Die Braunschweiger wollten bis zur Tagesschau zuhause sein, was angesichts ihrer vergleichsweise kurzen Laufstrecke von 80 Kilometern machbar
erschien. Die Thüringer Marschtabelle sah eine Ankunft auf dem Inselsberg gegen 11 Uhr am Folgetag vor. Schon bald wurde klar, dass sich dies schwierig gestalten würde. Ob zu viel Zeit an den von Sabine Rothe und weiteren Familienangehörigen liebevoll betreuten Verpflegungsstellen verbracht wurde, der Streckenuntergrund Schuld war oder die Sonne, die am Nachmittag zunehmend brannte – vermutlich war es ein Mix aus den drei Faktoren.
Eigentlich waren die Verpflegungspunkte nur alle ca. 20 Kilometer geplant, aber in Limlingerode beispielsweise erwartete die ehemalige Staatssekretärin Hildigund Neubert die Läuferschaar mit selbstgemachter Marmelade und Live-Musik. In Großbodungen und später in regelmäßigen
Abständen kam der mobile Verpflegungsstand der Kyffhäuser-Lauffreunde zum Einsatz und das war auch gut und wichtig. Kaum einer der Läufer hatte sich vorstellen können, wie anstrengend die Bleicheröder Berge sein könnten. „Ihr wollt da wirklich hoch?“, fragte ein ungläubiger Bauer auf seinem Traktor.
Bei Kilometer 65 in Sollstedt warteten die Helfer mit Eis zur Kühlung. Dennoch gab es mit Robert Krümmel (Kappeln) das erste „Streckenopfer“ und fortan, war es ein bisschen wie bei den 10 kleinen Negerlein. Bei einbrechender Dunkelheit und Kilometer 89 stieg Kai Hühnefeld (Recklinghausen) in den Bus. Für Mike Barthel (Bad Frankenhausen) war bei Kilometer 99 Schluss. Die Staffelläufer versuchten mit Achim Petermann, der sehr gut unterwegs war, etwas Tempo zu machen. Doch die Beine wurden immer schwerer. Hinzu kamen trotz GPS Navigationsprobleme. Einige Wege waren zugewachsen und in der Dunkelheit nicht mehr zu finden. Die zusätzlichen Meter schmerzten. Manche Feldwege waren nur schwer zu belaufen, so dass ausgedehnte Gehpassagen erforderlich wurden.
Um Mitternacht tagte der Mannschaftsrat und beschloss einstimmig, nach Erreichen von Mühlhausen eine längere Pause einzulegen, bis zum Sonnenaufgang zu warten und den Lauf so bei besserer Sicht fortzusetzen. In Mühlhausen wartete der Begleittross in der Nähe der Klinik von Pfaffenrode. Die müssen auch ein bisschen verrückt sein, dachte sich wahrscheinlich die Polizei bei ihrer Kontrolle und der Geschichte vom Lauf vom Brocken zum Inselsberg. Nach Überprüfung der Personalien und Kennzeichen der bunten Truppe gab es aber keine weiteren Bedenken. Mit rund drei Stunden Verspätung erreichten die Läufer den Treffpunkt. Da waren es nur noch 6 plus die 3 Staffeln.
Nach zwei ungemütlichen Schlafstunden in den Autos ging es gegen 4.30 Uhr weiter durch den Hainich. Doch die Mannschaft hatte Mühe in die Gänge zu kommen. Andreas Neubert (Halle) warf bei Kilometer 108 das Handtuch. Daniela Rudel (Hemleben) kletterte 10 Kilometer später in den Wohnwagen, wo eigentlich auch Heike Bergmann Platz nehmen wollte. Die Thüringer Läuferin des Jahres 2014 hatte Schwierigkeiten mit dem langsamen Laufen und der Dauer des Trails. Am Ende blieb die erfahrene Ultra-Spezialistin doch im Rennen. Die Kartoffeln und Rühreier verdienten für sie den Titel „Laufretter“, denn in Behringen erwartete das verbliebene Läuferfeld ein exzellentes Frühstück, zubereitet von dem Team um Holger Sakuth, der auch zwischendurch mit aufmunternden Worten half: „Wo Schmerz ist – da ist noch Leben…“
So gestärkt, beschlossen zwei der Staffelläufer als Vorhut vorneweg zu laufen. Am nächsten Verpflegungspunkt in Schönau wurden sie von Uwe Erbe und Annika Reichenbach erwartet. Die Staffelläufer hatten zwar GPS dabei, waren aber fortan auf Eigenversorgung angewiesen, denn der Betreuungstross wartete natürlich auf die Ultras und nicht auf die „Bambini-Läufer“, wie es Jörg Schmid selbstironisch einschätzte. Inzwischen war das Läuferfeld auch wieder etwas angewachsen, denn Lauffreunde aus ganz Thüringen waren zur Unterstützung angereist und auch einige „Aussteiger“ wollten es nochmal wissen.
Um 14 Uhr baute Holger Sakuth den Zielpavillon an der Jugendherberge auf dem Inselsberg auf und informierte gewohnt launig und sachkundig die Besucher über den Spendenlauf. Es gelang ihm bei den Wanderern nennenswerte Spontan-Spenden einzuwerben. Auch die Herbergsbetreiber trugen mit ihrem Versorgungsangebot zum Spendenaufkommen bei. Kurz vor 15 Uhr tauchte nach rund 30 Stunden der erste Läufer auf dem Inselsberg auf. Tino Hagemann – Schlussläufer der USV-Staffel – hatte sich noch am Dreiherrenstein von André Rauch abgesetzt, der wenig später das Ziel erreichte. Doch die Frage war, wann könnten die „Durchläufer“ auf dem Inselsberg eintreffen? Holger Sakuth wagte die Prognose 18 Uhr.
Den Autor des Beitrages – selbst als Staffelläufer auf dem zweiten Teilstück durch das Eichsfeld unterwegs – hielt es irgendwann nicht mehr auf der Bank und er machte sich auf den Lauffreunden entgegen zu eilen, um sie auf den letzten Kilometern zu begleiten. Achim Petermann kam als Erster entgegen. Der 59-Jährige, der vorher so gut drauf war, musste sich auf den letzten 20 Kilometern quälen und war deshalb am letzten Verpflegungspunkt vorausgegangen. Die anderen Ultras liefen nach 173 Kilometern die letzten steilen Anstiege relativ locker nach oben. „Ich kann das Ziel riechen und mir tut nichts mehr weh“, meinte Gunter Rothe. Heike Bergmann war wieder gut drauf und Jens Leihbecher zog mit. Kurz vor dem Gipfel sammelte sich die Gruppe zum gemeinsamen Zieleinlauf. Die vier Helden – darunter drei von Lauffeuer Fröttstädt – in der ersten Reihe. Unter dem großen Jubel der Helfer und Betreuer liefen sie mit einer La-Ola-Welle begleitet nach 33:20 Stunden ins Ziel und lagen sich alle glücklich in den Armen.
„Sportlich war der Lauf eine extreme Herausforderung. Wir haben die Strecke etwas unterschätzt“, meinte Thüringen-Ultra-Organisator Gunter Rothe, der schon länger mit einem solchen Lauf geliebäugelt hatte, im Ziel. Selbst er habe zwischenzeitlich mal ans Aufgeben gedacht. Den Lauf mit dieser Streckenführung zu wiederholen, halte er für kaum machbar. So wird der Lauf wohl als ein einmaliges Gruppenerlebnis in die Geschichte eingehen, aber wer weiß das schon so genau. „Wenn man ein bisschen bastelt und testet. Was machen wir eigentlich morgen?“, flachste ein gut gelaunter Gunter Rothe nach dem Lauf. „Zurücklaufen“, war die Antwort aus der Runde…