Fragt man die Teilnehmer des Thüringen Ultra in Fröttstädt, so wird immer wieder die familiäre Atmosphäre des Laufs betont, der in diesem Jahr am 7. Juli bereits zum 12. Mal stattfand und wieder fast 250 „Sternenjäger“ in seinen Bann zog. Hinzu kamen 23-Zweier- und 25-Vierer-Staffeln, die sich in die 100-Kilometer-Runde um den Inselsberg teilten. Sven Herder (Dynamo Dresden) gelang bei perfekten Laufbedingungen der 3. Sieg in Folge. In 8:37:32 Stunden gewann der 40-Jährige mit rund 9 Minuten Vorsprung auf Tell Wollert.
Der 38-jährige Läufer aus Markleeberg blieb bei seiner Premiere am Rennsteig dem Favoriten immer auf den Fersen und zog zwischenzeitlich bei Kilometer 75 sogar vorbei. Am Ende hatte der Leipziger Herder mit seiner Erfahrung auf der exakt 100,22 Kilometer langen Strecke die Nase vorn. Auf Platz drei folgte mit rund 25 Minuten Rückstand der Sieger von 2016 Martin Armenat. „Das war noch 15 Grad zu kalt für mich“, witzelte der 37-jährige Friedrichrodaer, der mit relativ wenig Vorbereitung ins Rennen gegangen war und daher mit dem 3. Platz nicht unzufrieden war.
Bei nahezu perfekten Laufbedingungen – lediglich auf den letzten 15 Kilometern war die Sonne etwas anstrengend – konnte sich Britta Giessen (Laufwerk Hamburg) in 10:31:06 Stunden einen ungefährdeten Sieg bei den Frauen erlaufen. Sie gewann mit 29 Minuten Vorsprung vor Britta Hübner (LC Duisburg). Den dritten Platz belegte Elke Beierlieb (Veitenstein) in 11:11.27 Stunden. Beste Thüringerin war Franziska Tendel (adidas Trail Runners Jena) als 6. In 11:55:15 Stunden. Bei den Männern liefen Patrick Otto aus Mühlhausen (4./9:24:27), Dirk Thomas aus Eisenach (5./ 9:31.18) und Michael Pötschke vom GMRLV (7./9:35:39) in die Top-Ten. Der 100-Meilen-Sieger von 2016 Peter Flock vom gastgebenden Lauffeuer Fröttstädt war mit Platz 14 und seiner Zeit von 10:10:42 Stunden sehr zufrieden.
Besonders spannend ging es diesmal bei den Staffeln zu. Adrian Panse vom USV Erfurt ging nach drei Siegen in Folge bei der 2×50 Kilometer Männerstaffel diesmal mit Vereinskameradin Marie Brückner in der Mixwertung an den Start. Auf der ersten 54-Kilometer-Etappe lieferte er sich einen spannenden Zweikampf mit Frank Wagner vom GMRLV immer dicht gefolgt von David Münch (Hasselmann-Doppel). Nach 4:04 Stunden wechselten die Spitzenduos zeitgleich am Sportplatz in Floh. Peter Schumann lief die Männermannschaft des GMRLV dann in 7:28:13 Stunden ins Ziel. Das Hasselmann-Doppel folgte 40 Minuten danach und das USV-Team stellte in 8:23:31 Stunden einen neuen Streckenrekord bei den Mixstaffeln auf. Schnellste Frauenstaffel war das Mannschaft „100-Gänge-Menü“ mit in 10:30:46 Stunden.
Bei den Vierer-Staffeln konnte das Team „Das große Kilometerfressen“ einen ungefährdeten Start-Ziel-Sieg einfahren und gewann in 6:55:37 Stunden. Die Vorjahreszweiten mit Startläufer Thomas Hegenbart verbesserten sich fast um eine halbe Stunde und verwiesen das Thüringer Ultra-Team Eisenach (7:36:34 Stunden) auf Platz 2. Schnellstes Mixteam waren die Ohra-Energie-Ultras in 7:46:42 Stunden. Beste Frauenmannschaft war erneut die Montagsgruppe des LTV (8:55:57).
Soweit zu den Fakten für die Berichterstattung. Will man die Eingangsformulierung erklären, muss man sich selbst ins Feld der Ultraläufer einreihen. Deshalb hatte sich der Autor nach zahlreichen durchaus erfolgreichen Staffelteilnahmen entschlossen, diesmal zum vierten Mal nach den Sternen zu greifen. Das ist natürlich anstrengender, aber zugleich auch entspannter. Die ersten 50 Kilometer vergehen dabei fast wie im Flug. Man trifft die XXL-Freunde, läuft oder geht ein paar Kilometer gemeinsam und plaudert über die Welt im Allgemeinen und die Laufsaison im Besonderen. Rico Bechmann, der sich vorgenommen hat, seinen langjährigen Radbegleiter Jan Seifarth zum ersten 100-Kilometer-Finish zu begleiten, entschwindet sofort. Tino Hagemann versorgt mich noch mit ein paar Salzpillen und stapft dann ebenso davon wie Stefan Albrecht.
Ich laufe mit Vereinskamerad Gunar Schorcht, der seinen 12. Stern anvisiert. Mathias Pohl vom LTV gesellt sich dazu und der 56-jährige Holger Sakuth läuft zu meiner Überraschung locker vorbei, nicht ohne sich die Zeit für ein Selfie mit den Sportskameraden zu nehmen. Nach dem Lauf verrät mir der Eisenacher, dass es wohl sein letzter 100-Kilometer-Lauf gewesen sein wird und er dann im nächsten Jahr auf die Helferseite wechseln wird. Wahrscheinlich hat er den Ultra deshalb trotz der Schmerzen im Knie so genossen. Cheforganisator Gunter Rothe ist völlig entspannt ohne Uhr unterwegs und plaudert an jedem Verpflegungspunkt mit den Helfern, die er natürlich alle persönlich kennt. Auch ich lasse es mir nicht nehmen, an jeder Versorgungsstelle den Frauen und Männern zu danken, ohne die ein solcher Lauf nicht möglich wäre
Kurz vor Halbzeit überhole ich Kamen Pawlow. Der „Guts Muths“ von Schnepfenthal ist wieder einmal wie die Feuerwehr losgerannt und hat den Akku vorzeitig geleert. „Jetzt bin ich der Letzte unserer XXL-er“, ruft er mir zu. Erstens stimmt das nicht und zweitens kommt er am Ende doch noch gut ins Ziel und hat zudem noch neue Bekanntschaften geschlossen. Am Anstieg zur Ebertswiese trifft er Petra Werner mit der Startnummer 57 und läuft mit ihr längere Zeit. Er selbst hat die 58, was seinem Alter entspricht und seit dem 1. Thüringen Ultra 2007, wo er zufällig die 47 bekam, als Tradition fortgeführt wird. Wenn möglich gibt es in Fröttstädt vom Veranstalter für die Wiederholungstäter Wunschnummern ohne Aufschlag.
Die ohnehin opulente Verpflegungsstellendichte nimmt zum Ziel hin nochmal zu. Zu den offiziellen Punkten gesellen sich die von Anwohnern improvisierten Sonderstellen. Bei Kilometer 84,6 in Bad Tabarz gibt es beispielsweise Gummibärchen und selbstgemachten Tee. Auch wenn man eigentlich satt ist, läuft keiner vorbei. Für Abkühlung sorgen auf den letzten 15 Kilometern die zahlreichen zusätzlichen Wasserstellen der Anwohner.
Ein Stück laufe ich mit Dwight Hall, der mir vom Grand Canyon Ultra berichtet. Trotzdem kommt er immer wieder nach Fröttstädt zurück. Der Amerikaner holt sich heute seinen 6. Stern. Dann kommt der berühmte Kilometer 95, an dem die Läufer lautstark bei ihrer Rückkehr begrüßt werden. Nach endlos erscheinenden Kilometern durch das Gewerbegebiet ist das Ziel endlich erreicht und Uwe Erbe steht da mit einem Bier in der Hand. „Du hattest doch in Tambach ein Bier bestellt…“.
Das ist Fröttstädt – vergesst Biel! Wer die Thüringer Ultraläufer und ihre internationalen Gäste treffen will, muss ins Mekka des Ultralaufs kommen. Nächstes Jahr wieder Familientreffen am 6. Juli – klar doch – solange die Füße tragen.
Fotos: Anna Lena Panse/ Holger Sakuth