„Ich will meinen Stern“ oder „Auf geht´s, den dritten Stern verdienen“, konnte man in den letzten Tagen in diversen Facebook-Einträgen lesen. Für 15 Läuferinnen und Läufer ging es gar am Samstag um den 8. Stern. Hat sich die Laufszene vom Fußball-WM-Wahn anstecken lassen oder was ist in Thüringen los? Die Antwort ist simpel: die Veranstalter von Lauffeuer Fröttstädt hatten zum 8. Mal zum Thüringen Ultra geladen und 273 Laufverrückte aus ganz Deutschland folgten dem Ruf in den kleinen Ort am Fuße des Thüringer Waldes. Für jeden erfolgreichen Start auf der anspruchsvollen 100-Kilometer-Distanz gibt es einen Stern auf dem Finisher-Shirt, das für viele Ultra-Läufer inzwischen zum Kultobjekt avanciert ist.
Auch ich hatte mich anstecken lassen und bin vom einstigen Staffelläufer zum überzeugten Sternenjäger geworden. Dafür steht man dann auch schon mal 2 Uhr in der Nacht auf, um pünktlich um 4 Uhr an der Startlinie auf dem Sportplatz in Fröttstädt zu stehen, um dann doch wieder die „üblichen Verdächtigen“ wie jedes Jahr zu treffen. Nicht ganz, denn der Ruf der Veranstaltung breitet sich immer weiter aus und in diesem Jahr gab es am Ende auf dem Podium fast komplett neue Gesichter.
Bernd Munz aus Kempten zum Beispiel, der die Herrenkonkurrenz mit einem Start-Ziel-Sieg in 8:54:18 Stunden für sich entschied. Der Einlauf war in diesem Jahr deutlich knapper, denn keine zweieinhalb Minuten nach dem 53-jährigen Allgäuer folgte mit Manuel Leuze der erste Thüringer. Den 28-jährigen Saalfelder hatte keiner auf der Rechnung, wie auch nicht den Frankfurter Achim Gokeler, der als Dritter in 8:59:27 Stunden auch nicht weit weg war – allesamt konnten sich erstmals mit dem Stern schmücken. „Aber mal ehrlich, was sind schon 5 Minuten auf eine solche Distanz – das weiß ich aus Erfahrung“.
Sechs Minuten bei Kilometer 27 auf dem Dixi an der Glasbachwiese investiert, können am Ende darüber entscheiden, ob du das Ziel erreichst oder nicht. Danach holst du Leute ein, die dich eigentlich nie überholt haben, dein Fotograf schreibt dich schon zur Fahndung aus, weil er im Internet verfolgt hat, dass du solange „pausiert hast“, aber es rollt alles wieder besser. Nur bei meinem Lauffreund Jörg ist heute der Wurm drin. Wie 19 weitere Starter muss er vorzeitig die Segel streichen. Bergauf geht es bei ihm diesmal gar nicht. Ich bemerke es, als er beim Anstieg zum Kleinen Inselsberg zurückbleibt. Dafür überhole ich einige Frauen. Die Besten von ihnen sind aber längst über alle Berge.
Die Leipzigerin Antje Müller gewinnt am Ende souverän in 10:03:10 Stunden. Nach dem 2. Platz 2010 und Rang Vier 2011 war das keine ganz so große Überraschung. Zweite wurde Kristina Tille aus Attendorn (10:30:38 Stunden) vor Claudia Stader in 10:46:53 Stunden. Die beste Thüringerin folgt mit Ina Braun vom USV Jena erst auf Rang 10 (12:25:59 Stunden). Da bin ich wiederum schon im Ziel. Davor liegen aber noch einige harte Kilometer vor mir.Bei Kilometer 55 in Floh-Seligenthal muss ich den zweiten Boxen-Stopp einlegen. Wieder überhole ich anschließend Läufer, die ich eigentlich schon mal eingeholt hatte. Dafür vermisse ich noch meinen Radbegleiter, der eigentlich bei Halbzeit zu mir stoßen wollte, aber offensichtlich mein Tempo unterschätzt hat. Dafür überholen mich auf dem Anstieg zur Ebertswiese die Hainichläuferinnen aus Mihla und ihr Begleiter auf dem Rad. Immer ein netter Plausch mit dem Kollegen und ein freudvoller Augenblick mit Aline Metzing, der ich leider nur kurz folgen kann. In 10:30:46 Stunden gewinnt sie mit Carola Gasa die 2×50 Kilometer-Konkurrenz bei den Frauen. Der Sieg bei den Männern geht nach Franken (8:47:16 Stunden) und im Mix gewinnt die „Mutter mit dem Sohne“ in 9:32:01 Stunden.
Die siegreiche 4×25 Kilometer-Staffel hatte mich noch vor dem ersten Wechsel passiert. René Große hatte das Team vom Rennsteiglaufverein LG Süd frühzeitig auf Siegkurs gebracht. In 7:16:12 Stunden gewannen sie ebenso klar, wie die Rennsteig-Oldies in der Mixwertung (8:03:24). Knapper war es bei den Frauen, wo der LTV Erfurt in 9:20:43 Stunden nur mit 13 Minuten Vorsprung erfolgreich war. Aber auch nicht alle Staffeln waren so schnell unterwegs.
Auf dem 3. Streckenabschnitt überholt mich bei Kilometer 67 in Tambach-Dietharz ein Staffelläufer, den ich wenig später wieder schwächelnd in Sichtweite habe. „Den mache ich platt“, motiviere ich mich gegenüber meinem inzwischen eingetroffenen Radbegleiter und tatsächlich erreiche ich vor ihm die Wechselmarke in Finsterbergen. Wer jetzt meint, das waren die letzten Anstiege, irrt. Zu gut kenne ich die Schlussetappe über Friedrichroda und Tabarz. Das zieht sich alles. Ich treffe Gunnar Schorcht und Organisationschef Gunter Rothe wieder. Beide haben so ihre Probleme. Selbst Kamen Pawlow – aus Schnepfenthal, der sonst immer für einen Scherz gut ist, hat angesichts der Temperaturen und der jetzt unerbittlich scheinenden Sonne keinen Bock mehr. Gut, dass mein Sohn Adrian dieses Jahr keine Staffel läuft und mir jetzt als „Wasserträger“ behilflich sein kann. Sechs Kilometer vor dem Ziel müssen wir noch einem eigentlich sehr erfahrenen Läuferkollegen, der zu wenig getrunken hat, behilflich sein. „Nein“, sagt er ganz bestimmt, es seien keine Sanitäter notwendig. „Ich will schließlich meinen Stern!“ Ich bin erleichtert, als ich ihn später wirklich im Ziel treffe.
Bei meinem Zieleinlauf auf Platz 69 gratuliert mir der Landesgeschäftsführer des Landessportbundes Rolf Beilschmidt. Die starken Thüringer Martin Armenat (Platz 4 in 9:08:21 Stunden) und Peter Flock, der diesmal verletzungsbedingt nur auf Platz 6 einläuft, freuen sich mit mir. Ärgerlich für ihn und die Organisatoren war die nicht zum ersten Mal aufgetretene Sabotage an den Streckenmarkierungen, was dazu führte, dass sich der erfahrene Ultraläufer aus Gebesee erstmals verlief. Später sitze ich mit meinen Erfurter Lauffreunden bei einem Bier am Tisch und poste stolz das Foto von Finisher-Shirt und der Medaille: „Geschafft: 3. Stern gesichert!“
Jens, danke für den langen, schönen Bericht!
Diesmal habe ich nicht gescherzt, weil ich überrascht war. Hatte gehofft, die üblichen Kumpels, die mich zum Ende zu überholen, sicher hinter mir zu haben. Danke, dass Du mich überrumpelt hast! So bin ich aufgewacht und vom Gehen wieder zum Laufen übergegangen, dir auf den Fersen – 7 min später, Du hast es selber gesagt: Was sind 7 min auf 100 km für uns Volkssportler!
Bis zum nächsten Superlauf!
Kamen
Wer mehr erfahren möchte: http://www.thueringenultra.de.