Enrico Aßmus nickt zufrieden mit dem Kopf. „Das war ordentlich“, verleiht er seinem Nicken mit einigen Worten Nachdruck. Diese sind Tina Donder (LAC Erfurt Top-Team) gewidmet. Die 20-Jährige steht neben ihrem Trainer – sie strahlt, lächelt und wirkt ebenfalls zufrieden. Bei den Thüringer Hallenmeisterschaften in Erfurt knackte die Hindernisspezialistin in 4:30,70 Minuten die Norm über 1500 Meter für die Hallen-DM in Leipzig (18./19. Februar). Eine Woche zuvor stieg die gebürtig aus Sömmerda stammende Läuferin in die Hallensaison ein. Bei den saarländischen Hallenmeisterschaften in Saarbrücken standen 9:47,56 Minuten über 3000 Meter auf der Uhr.
Für Tina Donder sind es weit mehr als die ersten Rennen im neuen Jahr. Sie hat es geschafft, sich nicht aufgegeben und neuen Mut gefasst. Sie wirkt frisch, engagiert und voller Tatendrang, als wolle sie mit ihrem Laufstil sagen: Seht her, ich bin wieder da! Ja, sie ist wieder da. Nach fast zweijähriger krankheitsbedingter Pause meldete sie sich nun mit guten Leistungen ins Wettkampfgeschehen zurück. Es sind die ersten kleinen Schritte nach einer mehrmonatigen Leidenszeit.
Die vergangenen Monate nervenaufreibend, ungewiss und letztendlich befreiend. Wir drehen die Zeit zurück. Nur ein wenig. Als die Freiluftsaison im Juli 2015 so richtig Fahrt aufnimmt, ist sie für Tina Donder vorbei ehe sie richtig angefangen hat. Zuvor klagt die junge Sportlerin bereits über Schmerzen. Sie treten mal stärker, mal schwächer auf. Die erste Diagnose: eine Blinddarmentzündung, die bis in den Oberschenkel ausstrahlt. „Diese ist zwar so gut wie ausgeheilt, aber mein Körper kämpft irgendwie immer noch gegen kleine Reizungen“, teilt sie wenig später über Facebook mit.
Die Gesundheit steht an erster Stelle – sie entscheidet sich, die Saison vorzeitig zu beenden. Elf Monate später bleibt die gesundheitliche Situation weiterhin angespannt. Inzwischen kann eine Blinddarmentzündung ausgeschlossen werden. Was bleibt ist die Ungewissheit über die wirkliche Ursache. Laufpausen wechseln sich mit Alternativeinheiten ab. Mehrmals reist sie nach Berlin und sucht Rat bei entsprechenden Experten an der Charité. Ein Termin bei einem Rückenspezialisten bringt Klarheit. Erlösende Klarheit. „Ich habe geweint vor Freude, als ich endlich die Diagnose hatte“, erinnert sich Tina Donder an den Moment zurück.
Es ist ein Tag im August, als ihr das Ergebnis der Untersuchungen mitgeteilt wird. „Der Arzt erklärte mir, dass bei mir im Lendenwirbelbereich ein Wirbel nicht richtig ausgebildet ist. Mit entsprechender Gymnastik und Stabilisation können wir den Schmerzen entgegensteuern. Ich fühle mich jetzt fit.“ Es sind Worte, die Zuversicht geben. Obwohl es natürlich auch Momente gab, wo sie dicht davor war, ihre Karriere zu beenden. Nicht wenige fragten, ob sie überhaupt noch aktiv ist. „Das war eine schwere Zeit für mich“, blickt sie auf die vergangenen Monate zurück. Aufgeben und alles hinschmeißen? Sie grübelt, sie wägt ab und entscheidet sich. „Ich habe mir dann immer wieder gesagt, ich kann doch noch was.“
Während sie sportlich pausierte, ging das Leben abseits der Bahn trotzdem weiter. Im Sommer des vergangenen Jahres gab es freudige Momente: der Abschluss der Schule mit dem Abitur zum Beispiel. Es folgte der Umzug nach Saarbrücken. Dort studiert sie Sportwissenschaften. Zugleich fand sie in der saarländischen Hauptstadt eine Trainingsgruppe, die von Adi Zaar betreut wird. Sie fühlt sich wohl. Auch in ihrer alten Heimat Erfurt, in die sie immer wieder gern zurückkehrt. Wenn es die Zeit erlaubt, dann schließt sie sich der Trainingsgruppe um Enrico Aßmus an.
Beide verbindet eine erfolgreiche gemeinsame Zeit. Der bisherige Höhepunkt war zweifelsohne der Start bei den U20-Weltmeisterschaften in Eugene (USA). „Tina Donder beste Europäerin über die Hindernisse“, titelte damals leichtathletik.de. Die Thüringerin behauptete sich glänzend im Weltklassefeld und wurde Zehnte. Nun ist sie mit 20 Jahren der Jugendklasse entwachsen. Sie steht vor ihrer ersten Saison bei den Aktiven. „Der Übergang ist für mich sehr schwer, aber ich werde versuchen, an meine alten Leistungen anzuknüpfen“, blickt die junge Sportlerin voraus. Eins hat die ehrgeizige Athletin über die Leidenszeit nämlich nicht verloren: ihren Kampfgeist.
Mutig und engagiert sind ihre ersten Starts in Saarbrücken (3000 Meter) und Erfurt (1500 Meter). In beiden Rennen hakte sie am Ende die Norm für die Hallen-DM in Leipzig ab. Nach eigenem Bekunden fühlten sich die siebeneinhalb Runden in Erfurt „schnell“ an. Wenngleich die Oberschenkel und Beine hinten raus mächtig brannten. „Für den Anfang bin ich zufrieden“, sagt sie erleichtert. Zwei Rennen wird sie wohl in der Halle noch bestreiten. Vorgesehen sind Starts bei den Deutschen Hochschulmeisterschaften in Frankfurt-Kalbach (1. Februar) und der Hallen-DM in Leipzig. Tina Donder ist zurück. Und wie.