Kämpfen statt aufgeben: Sebastian Keiner trotzt Rückschlägen. Der Mittelstreckler vom LAC Erfurt Top-Team musste die Hallensaison verletzungsbedingt absagen. Nicht der erste Rückschlag in seiner langjährigen Karriere. Unterkriegen ließ sich der 27-Jährige nie. Aufgeben? Keine Option. Und so greift er nun von Neuem an. Die ersten Werte stimmen ihn optimistisch. Das zehntägige Trainingslager in Zinnowitz gibt wieder neuen Mut. Mut mit Blick auf den Saisonhöhepunkt: die Deutschen Meisterschaften in Erfurt (8./9. Juli).
Ein Tag mitten im November: Für einen Moment ist Keiner unaufmerksam, er sieht das viel zu schnell fahrende Auto nicht und läuft davor. Auf den ersten Blick läuft alles glimpflich ab – Glück im Unglück. Erst nach und nach stellt sich eine schwerwiegende Fußverletzung bei ihm heraus. Bis eine endgültige Diagnose feststand, vergingen einige Wochen. „Es wurde festgestellt, dass im Innenknöchel das Innenband leicht angerissen war und sich am Außenknöchel ein Knochenmarksödem gebildet hat. So hat sich die Heilung hinausgezögert“, erklärt Keiner, der wie so oft nach Verletzungen geduldig blieb.
Geduld, die auch er erst lernen musste. Inzwischen geht er mit der Situation sehr routiniert um. „Man ist aus den Erfahrungen der vergangenen Jahre schon ein bisschen abgehärtet. Es ist ein Stück weit schon Routine, weil man weiß, was man danach tun muss.“ In dem Augenblick war etwas anderes ungewiss: „Es war ungünstig, dass es keinen festen Termin für die Heilung gab. Ich wusste nicht, dauert der Prozess drei Tage, drei Wochen oder noch länger.“ Zugleich verlief die Hallensaison ohne ihn. Vier Wochen nach der Diagnose, Mitte Februar, konnte er den Fuß erstmals wieder belasten.
Mittlerweile liegt das erst Trainingslager hinter ihm. Für einige Tage wurde im Ostseebad Zinnowitz am guten Gefühl gearbeitet. „Für mich stand zunächst die Wiederheranführung am Training sowie die Trainingsbelastung im Laufbereich im Vordergrund. Die Werte, die genommen wurden, stimmen mich positiv“, atmet Keiner tief durch. Schließlich will er vor heimischer Kulisse bei den Deutschen Meisterschaften wieder voll angreifen und konkurrenzfähig sein. „Ich will an dem Tag fit auf der Bahn stehen und schiele schon auf einen vorderen Medaillenplatz, weil ich Zuhause an den Start gehen kann. Das ist mein Wohnzimmer“, formuliert er sein Ziel. Gerade auch vor der Familie, die auf der Tribüne sitzen und kräftig anfeuern wird. „Es ist für mich ein schönes Gefühl, wenn die Familie dabei ist. Es belastet mich nicht oder lenkt mich keineswegs ab.“
Bereits in dieses Tagen überwiegt die Vorfreude auf sein „Heimspiel“. „Gerade auch nach der Verletzung gibt mir der Gedanke daran die Extraportion Motivation im Training, sich darauf vorzubereiten.“ Bei den nationalen Meisterschaften greift er über 1500 Meter, seiner Spezialstrecke, an. Vorab wird es Rennen geben, wo er auf der Unterdistanz (800 m) testen wird. Auf Grund der Verletzung und der späte Einstieg ins Training wird der erste Wettkampf unter freiem Himmel die Deutsche Hochschul-Meisterschaft in Kassel (25. Mai) sein. Folgen werden zwei, drei weitere Rennen in Vorbereitung auf die Heim-DM.
Parallel zur Vorbereitung auf die Freiluftsaison, feilt Keiner an seiner beruflichen Zukunft. Er ist an der Technischen Universität Ilmenau eingeschrieben und studiert Ingenieurinformatik in Teilzeit. Die Strecke von Erfurt, seinem Wohnort, nach Ilmenau pendelt er mit der Bahn. Und lässt dabei sicherlich mal den Blick aus dem Fenster schweifen. Thüringen ist für ihn Heimat, in Suhl ist Keiner geboren und aufgewachsen. Im Schulsport sichtete Veronika Hesse, sie ist eine ehemalige Skilanglauf-Weltmeisterin, ihn für die Leichtathletik. Aus dem einst schüchternen kleinen Jungen, der sich langsam anpasste, ist über die Jahre ein selbstbewusster Athlet geworden, der Verantwortung übernimmt und an Erfahrung gereift ist.
Vor 13 Jahren hat sich sein Lebensmittelpunkt durch den Sport nach Erfurt verlagert. Hier fühlt er sich wohl. „Es ist sehr schön hier und entspannt. Für mich optimal, um mal abzuschalten. Ich empfinde es nicht so hektisch wie in anderen Städten“, schwärmt Keiner, der sich „nicht so einfach vorstellen kann, mich woanders niederzulassen.“ Heimat ist für ihn Zuhause und Familie, die ihn stets nach den vielen Rückschlägen unterstützte und wieder aufbaute. Gelernt hat er in dieser schwierigen Zeit unter anderem Geduld, Demut und vor allem Durchhaltevermögen sowie Willenskraft. Und das Aufgeben keine Option ist.