Kaum zu glauben, schon die 13.Auflage dieses Bleilochlaufs und ich war zum dritten Male dabei. Zeitig im Frühjahr und deshalb natürlich „sehr wetteranfällig“. Ich hatte nun das zweite Mal einen nassen Lauf dort erlebt, meiner Begeisterung für diese Strecke tut das keinen Abbruch. Das spricht sich in der Szene rum und die Teilnehmerzahlen steigen jährlich – es wird der Light (12 km), der Classic (24 km) und natürlich der Ultra (48 km) angeboten – das ist mein Lauf. Nur nicht täuschen lassen, ein Lauf (mehr oder weniger) um den See lasse oft auf flaches Geläuf hoffen. Das trifft hier keinesfalls zu, es sind hier 1.150 Höhenmeter zu bewältigen – das bedeutet hier, dass es kaum längere ebene Kilometer gibt und wenn doch, dann sind diese Wege sehr schmal, direkt am Abgrund zum See, übersät mit Wurzeln und Steinen. Das Ganze garniert mit der Nässe, die von oben kommt, ergibt eine mitunter gefährliche Mischung.
Ab Bayreuth hatte es zu regnen begonnen, zuerst nur kleine Intervalle, dann eher dauerhaft. Die Bleilochtalsperre liegt kurz hinter der früheren innerdeutschen Grenze nahe der A9, Ausfahrt Schleiz. Dann ist man auch bald da und kommt glücklicherweise von der Seite, wo die Brücke nicht gesperrt war – die Laufstrecke ging nachher über diese Brücke bzw darunter, denn der Fußweg unterhalb der Straße war laufbar – das werden wir bald erfahren.
Die Bleilochtalsperre ist der größte Stausee Deutschlands mit einem Fassungsvolumen von 215 Mio m³, wurde bereits 1926-1932 erbaut und wird von einer Staumauer mit 65 Meter Höhe und 205 Meter Länge begrenzt. Der Name entstand durch die Bergbauvergangenheit, hier wurde also eifrig nach Blei gebuddelt. Später entstand hier ein Naherholungsgebiet und Touristenmagnet vor allem für Wassersportler. So wundert es nicht, dass unsere Anlaufstelle das Seesport- und Erlebnispädagogische Zentrum Kloster (SEZ) war – ganz nah am See. Dort war die Startunterlagenausgabe, Start, Zielverpflegung und Duschen. Auf der Wiese nebenan wurde geparkt und in wenigen Minuten hatte man alles, was der Läufer zum Start braucht.
Beim Warmlaufen entdeckte ich Daniela Oemus – sie hatte im letzten Jahr die Gesamtkonkurrenz düpiert und alle Männer hinter sich gelassen. Dieses Kunststück sollte ihr heute, obwohl nur eineinhalb Minuten langsamer, nicht gelingen, sie wurde Vierte der Gesamtwertung.
Zur Startaufstellung um 9 Uhr gab es ein paar launige Worte des Moderators, gestern sei die Strecke noch sehr gut laufbar gewesen – na ja, bis auf ein paar Matschstellen. Dann folgten ein paar entschuldigende Worte zum Wetter und ein ironisches: „Nun aber mal los – bevor es noch aufhört zu regnen“. Ultras sind „Galgenhumor“ gewöhnt, es gab nicht nur ein Schmunzeln, auch Applaus war zu vernehmen.
Schon ging es auf die ersten, asphaltierten Kilometer u.a. unter der Brückenbaustelle hindurch. Auf dem provisorischen Fußweg war es nicht einfach zu laufen und der Baulärm war allgegenwärtig. Doch nach wenigen Minuten ging es auf Feld- und Waldwegen dem ersten Trailabschnitt entgegen. In der Ausschreibung stand: Es erwarten euch ca. 2 Kilometer Asphalt, 39 Kilometer auf Wald- und Forstwegen, ein technischer 2 Kilometer Trail und noch mal – das wird (von mir) noch nicht verraten. Ich hatte gegenüber vielen Neustartern den Vorteil, dass ich die Strecke kannte – das ist nicht nur ein psychologisches Plus!
Wieder mal war ich auf den ersten 10 Kilometer überrascht, wie viele Mitläufer mich relativ locker überholten; bin ich so langsam unterwegs? Ich lief solange es nicht heftig hoch ging eine 5:30 Pace – den Umständen entsprechend (Wetter und Laufstrecke) war ich damit zufrieden. Also waren wohl doch mehr gute Läufer auf diesen Geheimtipp aufmerksam geworden … oder?
Die Höhenmeter – positiv und negativ, nahmen an Intensität zu – mich konnte das nicht überraschen, gut so! Es gibt richtig heftige Kilometer, die knapp 100 Höhenmeter am Stück beinhalteten, dann dieser sogenannte „technische Trail“ – war wohl das, was das „Trailer-Herz“ höher schlagen lässt. Das bedeutete für mich stark vereinfacht: Pass auf, wohin Du trittst und verliere dabei nicht zuviel Zeit. Dies galt abwärts fast noch mehr, wie aufwärts. Dann kam ein sehr bekanntes Stück, da hatte ich mir etwas vorgenommen: Es ging ca 1,5km steil auf kleiner Asphaltstraße in Serpentinen mit zwei Kehren bergauf – ich weiß in der ersten Kehre ging es einige Meter eben, die man gut laufen und Schwung mitnehmen konnte für die nächste Steigung. Das war der entscheidende Vorteil auf diesem Teilstück – ich setzte meine Idee in die Praxis um – mit dem Anlauf überholte ich auf der weiteren Steigung 3 Läufer – das war der Knackpunkt. Von nun an überholten mich kaum noch Läufer, aber ich schnappte mir einen nach dem anderen.
An Verpflegungspunkten ließ ich immer wieder mal einige zurück, die wohl einfach „überpaced“ hatten – so auch den Schloßberg hoch waren wieder ein paar Läufer am Ende! Zwei schnelle Getränke an der Verpflegungsstelle und weiter ging es – ich wusste, dass noch ein hartes Stück Arbeit bis zum Finale kommt. Ich versuchte, keine Schwächephase zuzulassen. Irgendwann entdeckte ich den letzten Verpflegungspunkt: Hurra – einen Becher Cola, einen Kilometer ebenen Feldweg und dann…
Die letzten 4 bis 5 Kilometer lief man auf einem Radweg, der gut ausgebaut, geteert, quasi ständig leicht bergab ging – ja meine Erinnerung trügte nicht. Ich sammelte alle Körner, die ich glaubte noch zu haben und nun wurde einfach drauf los geballert – was war noch drin? Die Uhr zeigte einen beendeten KM an – 5:08, das konnte es noch nicht gewesen sein; die nächsten KM: 4:55; 4:48 und 4:51 – das machte Laune! Ein Läufer vor mir kam immer näher – ich konnte ihn wohl noch kriegen, kannte ich Ihn vielleicht? Nein, ein recht junger Läufer war das, ich machte ihn wohl nervös; er schien seinen Vorsprung gefährdet zu sehen – Recht hatte er. Ich entschied mich aber, ihm seinen hart erkämpften Vorsprung zu lassen und zügelte mich. Und doch: Auf dem Weg zur Ziellinie erst merkte ich, das dies mein schnellster Bleilochlauf-Ultra werden sollte, der erste unter 4:30 Stunden!
Auch der vor mir ins Ziel kam, Frank Ziehm, noch nicht mal 30 Jahre alt, blieb bei seinem Ultra-Debütunter unter dieser Schwelle – immerhin ist er zuvor schon einige Marathons gelaufen. Er freute sich so sehr darüber, da war ich wirklich froh, dass ich ihm den Vortritt gelassen hatte. Das fühlte sich besser an als umgekehrt! Wir unterhielten uns noch ein wenig, genossen die Nudeln mit Gemüse und Tomatensauce sowie ein leckeres Bier. Nachdem ich frisch geduscht und die späteren Finisher begrüßt hattee, holte ich mir noch meine Soforturkunde und stärkte mich an der reichhaltigen Kuchenauswahl.
Es hatte zwar endlich zu regnen aufgehört, jedoch fegte der kalte Wind immer wieder unter dem großen Pavillion im Zielbereich durch. Ich ging zum Auto und freute mich auf warme Luft aus der Heizung und eine gemütliche Heimfahrt. Ich war bestimmt nicht zum letzten Mal beim Bleilochseelauf.
Sieger über 12 Kilometer wurden Jana Richter (LATV Plauen)und Chunky Liston (TSV Krofdorf Gleiberg), über 24 Kilometer Julia Stephan und Lucas Schädlich (X-Runners Jena) und über 48 Kilometer Daniela Oemus (SV Blau-Weiß Bürgel) und Frank Merrbach (LG Nord Berlin Ultrateam).