Es war mal wieder mächtig was los im „schönsten Ziel der Welt“ – und dass sich hinter diesem Satz mehr als nur eine Floskel verbirgt, das bewies der 49. GutsMuths-Rennsteiglauf nach einer knapp zwei Jahre andauernden, corona-bedingten Durststrecke einmal mehr in eindrucksvoller Manier. Tausende erschöpfte aber glückliche kleine und große Läufer, Nordic Walker und Wanderer, unzählige ebenso topmotivierte wie unermüdliche Helfer und ein Meer an stimmungsvollen Zuschauern von nah und fern verwandelten Schmiedefeld am Rennsteig in ein echtes Tollhaus. Bei der Party am Abend, mit der die neue Halle endlich eingeweiht werden konnte, war alles wieder wie früher. „Im nächsten Jahr, sind wir alle wieder da“, klang es vielstimmig zu den Klängen der Partyband Hess.
Während sich sowohl das Wetter als auch die Strecken von ihrer besten Seite präsentierten, bestand bei den Siegern hinterher Einigkeit: der GutsMuths-Rennsteiglauf mit seiner einmaligen Atmosphäre hat seinem Ruf als einer der beliebtesten und schönsten Crossläufe Europas im Jahr 2022 wieder alle Ehre gemacht. Dank des großen Andrangs an den Nachmeldeständen in Eisenach, Neuhaus am Rennweg und Oberhof kletterte die Gesamtzahl aller registrierten Starter vor Beginn des 49. GutsMuths-Rennsteiglaufs am Samstagmorgen auf 12.572. Tatsächlich gingen schließlich 10.149 kleine und große Läufer, Nordic Walker und Wanderer auf die Strecken.
LOTTO Thüringen Supermarathon: Tina Gebhardt und Frank Merrbach triumphieren
Auf der Königsdisziplin über 73,9 Kilometer sicherte sich bei den Frauen Tina Gebhardt von der LG Itzum in 6:26:57 Stunden den Sieg – vor Nicole Keßler (Salomon / 6:54:12) und Jana Seel (7:04:12). Den LOTTO Thüringen Supermarathon der Männer gewann Frank Merrbach (LG Nord Berlin Ultrateam) in 5:19:19 und verwies Sören Becker (Glücksbrunn Schweina / 5:43:30) sowie Thomas Ungethüm (LG Vogtland / 5:46:16) auf die Plätze zwei und drei. Beide Gewinner profitierten dabei auch von der frühzeitigen Aufgabe namhafter Konkurrenten: Juliane Totzke und Marcel Bräutigam konnten ihr Rennen jeweils nicht zu Ende bringen. Marcel Bräutigam führte bei Km 30 auf dem Inselsberg mit mehr als vier Minuten Vorsprung. An der Ebertswiese war der Vorsprung auf zwei Minuten geschrumpft. Kurz darauf war bei dem Deutschen 50-Kilometer-Meister Schluss. „Ich hatte eine leichte Erkältung und Husten. Trotzdem wollte ich es versuchen“, sagte er im Ziel und gratulierte dem Sieger herzlich.
„Mit Marcel Bräutigam hatte ich bis Kilometer 41 einen starken Konkurrenten vor mir. Ich habe einfach mein Ding gemacht und mich ganz auf mich konzentriert. Nach seinem Ausstieg war der Weg zum dritten Sieg frei. Ich hätte es aber auch ihm gegönnt. Unterwegs hatte ich kein richtiges Tief und so konnte ich zum Schluss noch unter die 5:20 Stunden rutschen, ein geiles Ding.“ Die frühere Triathletin Tina Gebhardt aus Hildesheim bilanzierte im Ziel: „Es war der schlimmste Tag meines Lebens auf der Strecke und jetzt ist es der schönste Tag meines Lebens im Ziel.
Nach dem Ausstieg der Favoritin war der Druck groß, weil ich wusste, dass ich vorn liege und ab dem Grenzadler wurde es richtig hart. Nach dem vierten Platz bei meinem Supermarathon im Oktober war das Treppchen mein Ziel, dass es am Ende der Sieg wurde, ist ein Traum.“ Beide bedankten sich im Ziel bei ihren prominenten Radbegleiterinnen Victoria Carl bzw. Uta Jurkschat, für die der Rennsteigsupermarathon auf dem Rad eine ungewohnte Herausforderung war.
INTERSPORT Marathon: Anna Hahner verteidigt ihren Titel, Ruedi Becker sorgt für Schweizer Sieg
Auf der Marathondistanz über 42,2 Kilometer gelang Vorjahressiegerin Anna Hahner (Adidas Terrex) in 3:05:31 Stunden das Projekt Titelverteidigung. Anna Barber (LC RON-HILL Berlin / 3:19:18) und Isabell Otto (München / 3:30:47) schafften den Sprung aufs Podium. Derweil gewann der aus Thun im Schweizer Kanton Bern stammende Ruedi Becker (two peaks endurance) den INTERSPORT Marathon der Männer in einer Zeit von 2:39:02 Stunden – vor Theodor Popp (TSV 1880 Gera-Zwötzen / 2:42:19) und Eric Breitbarth (Berlin Track Club / 2:42:36) auf den Plätzen zwei und drei.
„Mein Rennen ist super aufgegangen und ich bin hochzufrieden über einen perfekten Lauf“, bilanzierte der Schweizer Sieger im Ziel. „Im letzten Jahr war natürlich entsprechend weniger los an der Strecke und im Ziel – in diesem Jahr wollte ich deshalb unbedingt einmal erleben, wie es ist, hier vor Zuschauern einzulaufen. Gänsehaut pur und ein guter Grund, um nochmal wiederzukommen!“ Das hat auch die Frauensiegerin Anna Hahner vor. „Beim ersten Sieg im Oktober war es schon schön, aber diesmal war es der Hammer. Es reizt mich nach zwei Siegen, zum Jubiläum den Hattrick zu machen. Den 13. Mai 2023 habe ich mir deshalb dick im Kalender angestrichen.“
Thüringer Marathonis zufrieden
Während bei den Frauen die beste Thüringerin Cindy Kammler erst auf Platz 8 einlief, waren bei den Männern gleich vier Thüringer unter den ersten acht. „Ich habe lange Zeit mit dem Marathon gewartet. Dass ich gleich im ersten Anlauf als Zweiter ins Ziel gekommen bin, macht mich stolz“, sagte der beste von ihnen, der 30-jährige Geraer Theodor Popp im Ziel. „Es war ein spannendes Rennen in der Verfolgergruppe. Dann hat sich einer nach dem anderen verabschiedet. Mit Platz 4 muss ich heute zufrieden sein. Man wird nicht jünger“, so Marcel Krieghoff (SC Im.puls Erfurt). Adrian Panse vom USV Erfurt lief hingegen in 2:50:01 neue persönliche Rennsteiglaufbestzeit. „Ich habe die Verfolgergruppe ziehen lassen und bin allein mein Rennen gelaufen. Das war wohl auch besser so.“ Der zehnmalige Rennsteiglaufsieger Christian Seiler sprach von einem schönen entspannten Lauf, bei dem er sein Trainingstempo durchgelaufen sei. „Ich brauche das Laufen als Ausgleich“.
TEAG Halbmarathon: Roman Freitag und Nadine Hübel die ersten Sieger im Ziel
Beim TEAG Halbmarathon krönte sich Roman Freitag (Erfurter LAC) auf der Halbmarathon-Distanz in 1:13:09 Stunden zum Sieger und verwies Tom Thurley (Potsdamer Laufclub / 1:13:40) sowie Florian Borchert (TSVE 1890 Bielefeld / 1:17:06) auf die Plätze zwei und drei. Bei den Frauen konnte Nadine Hübel vom TV 1924 Dipperz in 1:29:55 Stunden ihren Titel aus dem Vorjahr verteidigen – vor Ilka Wienstroth (TSVE 1890 Bielefeld / 1:30:55) und Laura Hampel (Adidas Terrex/ 1:31:42).
Der 20-jährige Roman Freitag lief bei seiner vierten Rennsteiglauf-Teilnahme vom Start weg an der Spitze. Der Birxsteig war für ihn dabei genau der richtige Warmmacher. „Schön knackig“, freute sich der Bauingenieurstudent aus der Landeshauptstadt im Nachgang. Auf den Rennsteiglauf hatte er sich mit kurzen Strecken vorbereitet. Sein eigentliches Saisonziel waren die Deutschen Meisterschaften im 10.000 Meter-Lauf vor zwei Wochen, wo er in 31:20 Minuten Platz vier belegte. Den Rennsteiglauf in der Heimat wollte Roman Freitag aber unbedingt mitnehmen und es klappte hervorragend. Nach Platz vier 2018 und Platz drei 2021 sprang er diesmal nach ganz oben aufs Treppchen und siegte mit 31 Sekunden Vorsprung auf Tom Thurley, der auf dem zweiten Streckenabschnitt nach der Schmücke noch einmal deutlich Boden gutmachte. „Ich hätte vielleicht noch zwei Kilometer gebraucht, dann wäre es nochmal ganz eng geworden“, meinte ein erschöpfter aber zufriedener Thurley, der nach eigenem Bekunden „kein Freund der Berge“ sei.
Nadine Hübel aus Fulda wiederholte bei bestem Laufwetter am Samstagvormittag und idealen Bedingungen auf der Strecke ihren Vorjahressieg und war im Ziel happy über ihren ersten Rennsteiglauf mit Publikum: „Die Stimmung an der Strecke und im Ziel war sensationell.“ Allerdings hatte sie anfangs stark zu kämpfen, um ihren Rhythmus zu finden. „Der Birxsteig mit dem weichen Untergrund hat mir mächtig zugesetzt. Ich brauchte rund fünf Kilometer, um mich zu erholen.“ Dabei ist ihr das bergige Gelände aus der heimatlichen Rhön bestens vertraut. Am Ende setzte sie sich mit einer Minute Vorsprung auf die Bielefelderin Ilka Wienstroth durch, die drittplatzierte Laura Hampel folgte weitere 47 Sekunden später.
Nicole Kruhme beste Thüringerin
Hochzufrieden zeigte sich die Viertplatzierte und damit beste Thüringerin Nicole Kruhme, die in der Vergangenheit viermal beim Rennsteiglauf triumphieren konnte. Nach einem schwierigen Jahr 2021 hatte sie sich erst sehr kurzfristig für die Teilnahme am TEAG Halbmarathon entschieden. „Ein überraschender Sieg bei einem Volkslauf an der Ostsee und der 2. Platz bei den Thüringer Meisterschaften im Berglauf haben mich zusätzlich motiviert. „Ich habe jetzt wieder richtig Spaß am Laufen.“ Katja Voigtmann (VfB Torpedo Ichtershausen) folgte als 5. knapp dahinter. Auch die Vorjahreszweite und zweifache Rennsteiglauf-Siegerin Kristin Hempel vom USV Erfurt war nach überstandener Erkrankung froh über ihren 11. Platz. Als 24. und bester Schmiedefelder Starter kam der Zweite vom 2015 Christoph Weigel ins Ziel. „Ich hatte eigentlich für den Marathon gemeldet, aber mich aus gesundheitlichen Gründen gestern für die Ummeldung auf den Halbmarathon entschieden – und das war auch gut so.“ In einem waren sich wohl alle einig: Im nächsten Jahr zum 50. Rennsteiglauf am 13. Mai wollen sie alle wieder da sein.
Text: Thomas Waap/ Jens Panse
Fotos: Jens Panse/ Kevin Voigt
Redaktionelle Bearbeitung und Auswahl der Fotos sind Spitze, auch weil an Jubilare und ältesten Teilnehmer gedacht wurde. Das nächste Mal bitte die Jüngsten nicht vergessen, unsere Hoffnung bis zum 100.