Das Südtirol Ultra Skyrace gilt mit seinen 121 Kilometern und 7554 Höhenmetern als eines der härtesten Extremberglaufrennen in den südlichen Alpen, das gerade auch deshalb schon in der Vergangenheit viele Thüringer Trailrunning-Spezialisten angezogen hat. Tobias Oemus aus Königsee versuchte sich im letzten Jahr auf der Langdistanz und musste das Rennen nach der Hälfte der Strecke aufgeben, weil ihm noch eine Erkältung in den Knochen steckte. Seine Frau Daniela hält seit 2017 den Streckenrekord bei den Frauen auf der 69-Kilometer-Strecke, die immerhin auch noch fast 4000 Höhenmeter aufzuweisen hat. Die attraktive Veranstaltung lockte immer mehr Teilnehmer ins schöne Bozen nach Südtirol. Über einen neuen Rekord von 850 Läuferinnen und Läufer aus 27 Nationen konnten sich die Veranstalter im Vorfeld freuen. Die 7. Auflage des Rennens an diesem Wochenende wurde allerdings von einem tragischen Unglück überschattet.
Eine 44-jährige norwegische Läuferin wurde auf der 121-Kilometer-Strecke gegen 19 Uhr im Bereich des Kratzberger Sees von einem Blitz getroffen und dabei tödlich verletzt. Rund 30 Minuten vor dem Unglück war das Rennen nach Angaben der Veranstalter wetterbedingt unterbrochen und die Teilnehmer an mehreren Kontrollpunkten aufgehalten worden. Einige Athleten befanden sich in diesen Streckenabschnitten jedoch außerhalb der Reichweite der Streckenposten. So auch jene Gruppe mit der verunglückten Norwegerin. Läufer, die das Unglück beobachtet hatten, setzten den Notruf ab. Die Verunglückte wurde nach der Erstversorgung mit dem Rettungshubschrauber ins Krankenhaus Bozen geflogen, erlag jedoch ihren Verletzungen.
Die Thüringer Teilnehmer, darunter eine Gruppe vom USV Erfurt, befanden sich zu dem Zeitpunkt schon im Ziel. Sie waren alle auf den kürzeren Distanzen unterwegs. Vom Unglück erfuhren sie erst am nächsten Tag durch die Absage der Siegerehrung. „Wir sind schockiert und tief betroffen, unser Mitgefühl gehört den Angehörigen der norwegischen Läuferin“, erklärte der Leiter der Laufgruppe, Frank Becker, der selbst wenige Minuten vor dem Gewitter als Dritter seiner Altersklasse beim 69-Kilometer-Ultralauf das Ziel in Bozen erreicht hatte. Den ganzen Sonntag diskutierten die Teilnehmer untereinander und in den sozialen Netzwerken über das Unglück. Im Gegensatz zum Wetterexperten Jörg Kachelmann, der den Veranstaltern vorwarf, das Rennen nicht abgesagt zu haben, sahen das die Läufer mehrheitlich anders.
„Das Wetter war in den ersten 20 Stunden nach dem Start am Freitagabend sogar sehr gut zum Laufen“, sagte Frank Becker im Ziel. Längere Vorhersagen seien in den Bergen ohnehin schwierig. Zudem hätten die Organisatoren im Briefing vor dem Start am Freitag auf die Möglichkeit von Gewittern ab Samstagnachmittag hingewiesen und für den Fall des Eintretens klare Regeln formuliert. Jeder Teilnehmer sollte per SMS auf sein Handy die Benachrichtigung „Code Yellow“ als Signal für die Rennunterbrechung erhalten. Da sich danach noch immer einige der mit GPS ausgestatteten Teilnehmer weiterbewegten, habe man versucht diese anzurufen. Nach dem Unglück wurde das Rennen mit „Code Red“ abgebrochen und die Läufer mit ihren jeweiligen Zwischenzeiten gewertet.
Auf den kürzeren Strecken, die nicht vom Abbruch betroffen waren, kamen nahezu alle Starter ins Ziel. Frank Becker belegte mit seiner Zeit von 10:55:33 Stunden den 50. Rang unter 169 Finishern auf der 69-Kilometer-Strecke, bester Thüringer über die Marathon-Distanz (2.862 Höhenmeter) war Adrian Panse als 24. in 5:27:44 Stunden und Babette Udhardt (alle USV Erfurt) kam als neuntschnellste Frau in 3:23:40 Stunden über die 27-Kilometer-Distanz (1.067 Höhenmeter) ins Ziel. Auf der Marathon-Strecke erreichten noch Raimond Scheler (SV Mihla), Christof Meyer (GMRLV), Thoralf Held und Jens Panse erfolgreich das Ziel, Jens Finger (alle USV Erfurt) absolvierte die 27 Kilometer.
Ob das Rennen überhaupt noch einmal stattfinden wird, ist derzeit unklar. „Wir haben in den sieben Jahren einen großen Aufwand betrieben, um höchste Sicherheitsstandards zu erreichen. Und doch kommen wir zur Erkenntnis, dass ein Restrisiko stets bestehen bleibt. Deshalb werden wir uns nach diesem traurigen Unglück auch die Frage stellen: Wollen wir das noch eingehen?“, sagte OK-Chef Josef Günther Mair im Interview mit sportnews.bz.
Tragik oder Risiko – Ein Kommentar von Jens Panse
„Du läufst so was jetzt hoffentlich nicht mehr“, sagte meine Schwester am Telefon nach meiner Rückkehr aus Südtirol zu mir. „Doch, natürlich“, entgegnete ich. Zum einen liebe ich die Berge und zum anderen das Laufen. Also werde ich es wieder tun – so lange mich die Füße tragen. Auch wenn ich in meinem Alter keine Chance auf Rekorde oder Podiumsplatzierungen habe – der Weg ist das Ziel und umso steiniger, umso besser.
Was man sich aber trotz aller Erfahrung bewahren sollte, ist der Respekt vor den besonderen Herausforderungen der Berge. Ich war froh, als ich am Samstag beim Marathon-Rennen die Verpflegungsstelle auf 2.186 Metern Höhe erreicht hatte und das Hochgebirge angesichts des aufkommenden Gewitters wieder verlassen konnte. Wer sich für ein solches Rennen anmeldet, weiß in der Regel genau was ihn da erwarten kann und geht kein leichtfertiges Risiko ein. Das Mitführen der Pflichtausrüstung und eine sorgfältige Vorbereitung gehören selbstverständlich dazu, wie das Befolgen der Anweisungen der Rennleitung.
Wir Ultra-Läufer halten uns manchmal für Superathleten, weil wir Strecken laufen, die die meisten Menschen nicht mal mit dem Fahrrad absolvieren würden. Es tut gut, uns etwas in Demut zu üben. Seien wir dankbar für jede Stunde, in der wir gesund unseren Sport ausüben können und gelassener gegenüber äußeren Faktoren, die wir nicht beeinflussen können. Ultra-Trailrunning ist kein extremer Risiko-Sport, auch wenn er besonders wetterabhängig ist. Ein Restrisiko bleibt deshalb immer, trotz aller Vorsichtsmaßnahmen. Jeder Teilnehmer entscheidet mit seiner Unterschrift für den Haftungsausschluss selbst die Verantwortung dafür zu tragen. Was am Wochenende in Südtirol passierte ist tragisch, aber auch im normalen Leben nicht auszuschließen. Kein Veranstalter kann für das Wetter in Haftung genommen werden, sonst könnten solche Veranstaltungen nicht mehr stattfinden und das wäre schade für den Sport.