Am Rande der Mitgliederversammlung des GutsMuths-Rensteiglaufvereins verabredete ich mich mit dem Thüringer Topläufer Christian Seiler zu einem Interview. Seine Erfolge auf dem Rennsteig sind vielen Laufsportfreunden bekannt. Doch ich wollte vor allem wissen, wie es zu dieser Entwicklung kam, wie er sein Training heute gestaltet und welche sportlichen Ziele er hat.
„Jugend trainiert für Olympia“
Christian, wie bist du zum Laufen gekommen?
Es war in der sechsten oder siebenten Klasse. Die Lehrer an meiner Schule in Zeulenroda suchten noch jemanden, der bei „Jugend trainiert für Olympia“ mitlaufen könnte und haben mich angesprochen. Es machte Spaß und ich war vorn mit dabei. Den Ausscheid in Ostthüringen konnte ich sogar gewinnen. Von jener Zeit an begann ich mit dem regelmäßigen Lauftraining.
Irgendwann kam dann der Wechsel zum Sportclub nach Erfurt?
Ja, im 2. Halbjahr der 11. Klasse wechselte ich an das Erfurter Sportgymnasium und schloss mich der Trainingsgruppe von Dieter Herrmann an. In einem starken Trainingsteam konnte ich mich hier weiterentwickeln. In Fragen der Trainingsmethodik habe ich in den folgenden Jahren von ihm viel gelernt.
Ich las, 2001 und 2002 hast du zweimal als Junior an den Crosslauf-Europameisterschaften teilgenommen. Wie ging es dann weiter?
Nach dem Abitur – in Erfurt war der Unterrichtsstoff wegen der Konzentration auf den Sport über drei Jahre verteilt – habe ich Wehrdienst geleistet, anschließend bin ich an die Verwaltungsschule nach München gegangen. Das war aber irgendwie nicht das Richtige für mich. 2006 begann ich dann in Eisenach an der Berufsakademie ein Ingenieurstudium auf dem Gebiet Maschinenbau/Kunststofftechnik, welches ich 2009 erfolgreich abschloss.
Trainingsplan von Dieter Herrmann
In diesen Jahren bist du auf der Straße auch deine aktuellen Bestzeiten gelaufen. Wie hast du zu dieser Zeit trainiert?
Meine Trainingspläne bekam ich weiterhin von Dieter Herrmann. Ein oder zwei Mal in der Woche bin ich zu wichtigen Einheiten nach Erfurt gefahren, um in der Gruppe zu trainieren. Die anderen Einheiten habe ich selbstständig am Studienort absolviert. Das hat ganz gut geklappt.
Wie sind deine persönlichen Bestwerte?
Über 10 Kilometer lief ich 2008 zur DM in Karlsruhe 29:42 Minuten, das war damals Thüringer Rekord. Meine Halbmarathon-Bestzeit schaffte ich ein Jahr zuvor in Bad Liebenzell bei der DM mit 1:06:34 Stunden. Beim Berlin-Marathon 2009 kam ich nach 2:18:11 Stunden ins Ziel.
Bei Deutschen Meisterschaften im Halbmarathon wurdest du 2007 und 2008 jeweils Vierter, in Thüringen bist du aber viel bekannter als Seriensieger des Rennsteiglaufes. Wie kam es zu deiner ersten Teilnahme an diesem Lauf?
Beim Rennsteiglauf war ich 2004 das erste Mal dabei. Ich hatte zuvor eine längere Verletzungspause und mir den Halbmarathon als Formtest und Wiedereinstieg ausgesucht. Allerdings wusste ich nicht, was mich erwartet. Auch mit dem Sieg hatte ich damals nicht gerechnet.
Nach dem Erfolg hattest du sicherlich den Ehrgeiz, bei weiteren Teilnahmen auch wieder ganz vorne zu sein. Wie hast du dich da vorbereitet?
Als Titelverteidiger bin ich natürlich mit einer anderen Erwartung in die weiteren Rennsteigläufe gegangen und habe die Vorbereitung entsprechend intensiviert. Vor den ersten beiden Marathons erhöhte ich zum Beispiel die Umfänge recht ordentlich, so dass ich deutlich über 150 Kilometer in der Woche kam.
Der Supermarathon ist am schwersten
Du hast mittlerweile acht Siege auf dem Rennsteig gesammelt, Erfolge auf allen drei Strecken. Welcher Erfolg war der schönste, welcher fiel dir am schwersten?
Bei den Halbmarathon-Starts war ich noch sehr jung für Langstrecken und hatte in diesen Jahren noch die meisten Probleme mit der Konkurrenz. Echte Arbeitssiege, dementsprechend groß war die Freude im Ziel.
Die Marathon-Serie begann ich 2007 mit meinem ersten Marathon überhaupt. Sehr schwer war dieser, weil Neuland für den Körper. Bei den drei Läufen war ich auch immer irgendwie angeschlagen bzw. hatte mich unterwegs verletzt, weshalb ich – wenn schon nicht mit den anderen Läufern – heftig mit meinem Körper zu kämpfen hatte. Es ging aber immer gut und im Ziel war die Freude riesengroß.
Die Supermarathons schließlich sind natürlich allein wegen der Streckenlänge das Schwerste, was ich auf dem Rennsteig bislang unter die Füße nahm. Jedes Mal außerordentlich anstrengend, aber ebenso unbeschreiblich emotional im Moment des Zieleinlaufs.
Und was hast du auf dem Rennsteig noch vor? Ich las im Buch von Dietmar Knies, worin er alle Rennsteiglaufsieger vorstellt, dass du bei diesem Lauf immer dabei sein möchtest, wenn du kannst.
2014 werde ich wieder Supermarathon laufen, soviel steht schon Mal fest. Welche Strecken in den darauf folgenden Jahren in Frage kommen, kann ich jetzt noch nicht sagen. Aber ja, grundsätzlich will ich im Mai immer im Wald mit dabei sein.
Keine „leeren“ Kilometer mehr
Du arbeitest als Ingenieur in Zeulenroda, bist dabei auch oft beruflich unterwegs. Wie organisierst du heute dein Training?
Mit inzwischen 16 Läuferjahren habe ich viel Erfahrung gesammelt, was den Trainingsaufbau betrifft. Ich habe mittlerweile ein Gefühl dafür bekommen, welches Training ich in den verschiedenen Phasen des Formaufbaus benötige und plane es selbst. Aufgrund der Arbeit bin ich natürlich zeitlich begrenzt und konzentriere mich auf wichtige und effektive Trainingsmittel. Im Jahr komme ich auf einen Wochenschnitt von 110 Laufkilometern.
Zum Vergleich: Meiner Marathon- und Halbmarathon-Bestzeit gingen damals jeweils drei Monate mit durchschnittlich 160 Kilometern pro Woche voraus. Im vergangenen Jahr konnte ich bis auf 10 Sekunden an meine Halbmarathonbestzeit heranlaufen – und das bei einem Wochenschnitt von weniger als 120 Kilometern. Ich habe mir die vielen „leeren“ Kilometer abgewöhnt.
Noch ein Satz zu den nächsten Wettkämpfen, was sind deine Höhepunkte im kommenden Frühjahr? Mit dem Marathon-DM-Dritten Christian König ist ein weiterer Topläufer zum Rennsteiglaufverein gewechselt, da könnt ihr gemeinsam mit Marcel Bräutigam bei Deutschen Meisterschaften zukünftig mit einer sehr starken Mannschaft an den Start gehen.
Ja, es ist geplant, dass wir gemeinsam bei den Deutschen Halbmarathonmeisterschaften im April 2014 in Freiburg starten. Danach steht natürlich im Mai der Rennsteiglauf bei mir auf dem Plan. Wie es zu den Deutschen Marathonmeisterschaften im Herbst wird, muss ich noch entscheiden. Zunächst werde ich in diesem Jahr noch beim Silvesterlauf in Erfurt dabei sein.
Na, dann viel Erfolg weiterhin!
Sehr schönes Interview. Dann drücken wir unseren Thüringer Topläufern mal die Daumen für die nächste Saison.
Danke für das Interview !
Interessante Fragen und Antworten. Auch sympathisch.