Spannender hätten die Autoren das DM-Drehbuch in Erfurt nicht schreiben können. Der zweite Wettkampftag bestach durch mitreißende Duelle. So gab es gleich zwei Wimpernschlag-Entscheidungen mit Thüringer Beteiligung. Dass es am Ende zwei Medaillen wurden, daran hatten auch die 13.600 Zuschauer im Steigerwaldstadion ihren Anteil.
Doch der Reihe nach. Insgesamt gab es im Laufbereich vier Medaillen für die TLV-Athleten. Zum Auftakt sorgten am Sonntag die U20-Staffeln der Erfurter Startgemeinschaft für mächtig Furore. Zunächst die weibliche Jugend über 3×800 Meter, die mit Kira Reinhardt, Laura Hohenstein und Lena Posniak aussichtsreich ins Rennen gingen.
„Bei der Vorstellung mit der Kamera fühlt man sich wie bei Olympia“, befand Startläuferin Kira Reinhardt, die die Staffel in eine gute Position brachte. Die zwei Runden vergingen „erstaunlich schnell“. Sie übergab als Zweite an Laura Hohenstein, die ihre Aufgabe trotz starker Konkurrenz souverän löste. Nur der Wechsel auf Schlussläuferin Lena Posniak funktionierte nicht wie gewünscht. „Ich habe Lena nicht gleich erkannt“, erklärte Laura Hohenstein. Auf der letzten Runde gab Lena Posniak wie immer alles. Der Abstand zu den drei vor ihr laufenden Athletinnen wurde zwar geringer, aber im Ziel stand zunächst in 6:41,97 Minuten der vierte Platz zu Buche.
Zunächst, denn nach einigen Minuten lief Kira Reinhardt aufgeregt zu ihren Teamkolleginnen in die Mixed-Zone und berichtete, dass sie durch eine Disqualifikation Dritte geworden sind. Große Freude beim Trio, die sich glücklich in den Armen lagen. „Das ist das Sahnehäubchen“, sagte Kira Reinhardt, die die anschließende Siegerehrung mit dem Team sehr genoss.
Beflügelt von einer großartigen Kulisse legte die U20-Staffel über 3×1000 Meter nur wenige Minuten mit einer weiteren Medaille nach. Mit ihren blauen Haaren waren Leopold Stefanski, Franz Rott und Max Körner der Hingucker des Teilnehmerfeldes. „Wir sollten uns bei der Heim-DM etwas einfallen lassen. So sind wir in Gesprächen auf die Idee gekommen – blaues Trikot, blaue Haare“, erklärte Leopold Stefanski die Idee. Als Startläufer ging die vorher besprochene Taktik auf, er konnte sich etwas absetzen und gab als Führender an Franz Rott, der die Position behauptete. Max Körner konnte diese trotz enormer Energieleistung nicht halten, Jonathan Schmidt (Dresdner SC) war an diesem Tag zu stark und holte vor den Erfurtern die Goldmedaille.
Das Finale über 3000 Meter Hindernis entwickelte sich erst in der letzten Runde. Zuvor übernahm Philipp Reinhardt (LC Jena) die Initiative und rannte mutig vorne weg. Dann kam die Schlussrunde, in der Mitfavorit Martin Grau (LC Höchstadt/Aisch) angriff und sich etwas von der Konkurrenz löste. Team-Europameister Tim Stegemann (LAC Erfurt Top-Team) mobilisierte die letzten Kräfte, getragen von der Euphorie der Haupttribüne, und legte einen furiosen Schlussspurt hin.
Er entschied das Wimperschlagfinale gegen Martin Grau in 8:43,40 Minuten für sich. „Ich kann es noch gar nicht richtig fassen. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl“, sagte er zu seinem ersten Deutschen Meistertitel. Philipp Reinhardt, der lange geführt hatte, fehlten auf den letzten Metern die Körner, um noch entscheidend in die Medaillenplätze einzugreifen. „Das Rennen war nicht mega schnell. Ich habe gut trainiert, meine Form ist sehr gut. Als der Angriff kam, konnte ich nicht mehr mithalten“, resümierte er das Rennen, das er in 8:52,78 Minuten als Sechster beendete.
Wimpernschlag-Entscheidung auch über 800 Meter. Dort ging es weniger um Gold und Silber, als um Bronze und Platz vier. Mittendrin Kevin Stadler (LAC Erfurt Top-Team), der auf Grund zweier Absagen von Startern nach dem Vorlauf noch in das Finale rutschte. Chancen, die sich bieten, sollst du nutzen. So oder so ähnlich hätte sein Motto für das Rennen lauten können. Der Erfurter nutzte die sich ihm bietende Möglichkeit. Und auch hier trieb die Haupttribüne den Lokalmatadoren nach vorn. Er stürzte sich ins Ziel, nicht wissend, ob Dritter oder Vierter. Bange Sekunden vergingen. Eine Hundertstel trennten ihn schlussendlich vom Vierten Denis Bäuerle (LG farbtex Nordschwarzwald; 1:49,02 min). „Heute hätte jeder Deutscher Meister werden können. Der, der es geworden ist, hat es auch verdient. Ich habe insgeheim auf den dritten Platz gehofft. Für mich bedeutet die Platzierung, dass ich weiter im Leistungssport gefördert werde“, sagte Kevin Stadler überglücklich.
Ein richtig hartes Rennen lag hinter Sebastian Keiner (LAC Erfurt Top-Team), der über 1500 Meter nach einer Medaille greifen wollte. „Ich habe nicht erwartet, dass es so schnell wird. Der Trainingsrückstand hat sich doch bemerkbar gemacht. Mir fehlt einfach die Tempohärte“, analysierte er und zeigte sich angesichts dessen mit dem Rennen in 3:42,29 Minuten (SB) als Sechster einigermaßen zufrieden. „Ohne das Publikum wäre es nicht annähernd so gut geworden. Das war einfach nur cool und ein geiles Gefühl“, beschrieb er die „Wohnzimmer“-Atmosphäre.
Es waren spannende, mitreißende und attraktive DM-Tage im Steigerwaldstadion. Das TLV-Präsidium bedankt sich beim Deutschen Leichtathletikverband, der Arena GmbH, der Stadt Erfurt sowie den Kampfrichtern und den unzähligen freiwilligen Helfern, denn ohne deren Engagement wäre eine solche Meisterschaft nicht möglich gewesen. Ebenso ein großer Dank an die Athleten und 25.900 Zuschauer, die diese Tage zu einer unvergesslichen Veranstaltung haben werden lassen.
Fotogalerie (Fotos: S. Arm, St. Meyer)