Wie im ersten Teil beschrieben, entstand der Kernberglauf als kleiner Bruder des Rennsteiglaufs. Nicht nur durch diese unmittelbare Bindung, die sich auf der Ausschreibung durch den Untertitel „GutsMuths-Rennsteiglauf-Revanche“ ausdrückte, wurde der rasche Anstieg der Teilnehmerzahlen in den ersten Jahren begünstigt. Auch die rasante Entwicklung der Laufbewegung in der damaligen DDR insgesamt trug dazu bei. Die gesellschaftlichen Umstände, die durch ein mehr an Freizeit und eine verstärkte bewegungsarme Arbeitswelt als Rahmen gekennzeichnet waren und ein verstärktes Gesundheitsbewusstsein trugen dazu bei, dass viele Männer und Frauen vor allem ab dem 40. Lebensjahr wieder mit dem Sporttreiben begannen. Vorbilder in der westlichen „Jogging-Bewegung“ schlugen sich auch im Volkssport der DDR nieder, der durch die sogenannte Meilenlaufbewegung vor allem von den Sportjournalisten gefördert wurde. Dabei wurde das regelmäßige Laufen über eine Strecke von ca. zwei Kilometern (die jeweilige Jahreszahl in Metern) propagiert.
Der Rennsteiglauf und weitere Läufe in dessen Nachahmung entstandenen dagegen als „Landschaftsläufe“ mit Streckenlängen bis zu 100 Kilometer, was anfangs geradezu ein Gegenentwurf zur Meilenbewegung war. Diese Landschaftsläufe fielen besonders in den Altersklassen über 40 auf fruchtbaren Boden, was sich in der Teilnehmerstruktur auch beim Kernberglauf bemerkbar machte. Von der sozialen Zusammensetzung überwogen dabei Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Hoch- und Fachschulabschlüssen. Eine eigenständige Altersklasseneinteilung, die deutlich von der Wertung in der Leichtathletik abwich, hatte drei Altersklasse: AK I bis 34, AK II bis 44, AK III über 44.
Für die Verbreitung der ersten Ausschreibungen des Kernberglaufs spielte das Turn- und Sportfestes 1977 in Leipzig eine wichtige Rolle. Einige Jenaer Ausdauerläufer vom Organisationskomitee des Kernberglaufs nahmen in der Bezirksdelegation Gera als Meilenläufer am Sportfest teil. Da ihnen der Sportfestmeilenlauf zu kurz war, organisierten sie selbstständig einen Sportfest-Marathon. Die Laufzeit spielte dabei keine Rolle, es ging nur ums Durchhalten, was bei der Hitze, die damals in Leipzig herrschte, schon eine Leistung war. Zu dem Lauf waren Läufer aus allen übrigen Bezirksdelegationen eingeladen worden. Über 100 Männer und einige Frauen gingen an den Start.
Der Lauf war nicht als Wettkampf mit hohem Lauftempo geplant. Etwa vier Stunden sollten geschafft werden, so dass unterwegs genügend Zeit war, sich über den bevorstehenden Kernberglauf zu unterhalten. Nach bisherigen Recherchen und Fotos konnten als HSG-Teilnehmer an diesem Sportfest-Marathon Bernd Löschner, Dr. Hans-Georg Kremer, Gerhardt Rötzschke, Dr. Rüdiger Grunow und Lothar Seifarth ermittelt werden. Nach dem Lauf wurde an alle Teilnehmer und auch an Laufinteressierte Zuschauer die Ausschreibung vom Kernberglauf verteilt.
Zur Unterstützung des Kernberglaufprojektes wurden der Bereich Sportmedizin der Sektion Sportwissenschaft mit seinem umtriebigen Leiter, Dr. Jochen Scheibe und der Sportpsychologe Dr. Manfred Möller gewonnen. Sie nahmen vor und nach dem Lauf verschiedene Untersuchungen vor, die später bei Tagungen publiziert wurden. Auf Vorschlag vom Schirmherrn und Vorsitzenden der Unisportkommission Prof. Dr. Willi Schröder wurde dem Kernberglauf noch ein weiterer Untertitel zugeordnet. Dr. Günter Völksch erinnerte sich noch genau an die dazu geführten Diskussionen und an die etwas „opportunistische“ Formulierung, die man fand. Der Lauf hieß bis zur Wende „Jenaer Kernberglauf zum Gedenken an Magnus Poser“. Dies sollte einen „sozialistischen“ Traditionshintergrund und damit eine engere Anbindung an die „Politik“ des Deutschen Turn- und Sportbundes (DTSB) bei gleichzeitiger Entwicklung von „Breite und Vielfalt des Freizeit- und Erholungssports“ ohne zentrale Einmischung gewährleisten. Der Hintergedanke, der sich dann in der Praxis auch durchsetzte, war, dass niemand, nicht einmal die Presse, diesen langen Namen auf Dauer verwenden würde. So war schon sehr bald im Sprachgebrauch die Bezeichnung „Jenaer Kernberglauf“ bzw. einfach „Kernberglauf“ üblich. Zu einigen Kernbergläufen konnte man die Witwe von Magnus Poser für die Übernahme der Siegerehrung gewinnen.
Der Untertitel half den Organisatoren, manches Problem bei der Vorbereitung des Laufs zu lösen. So kann man noch im September 1989 in einem Freistellungsschreiben des Vorsitzenden des DTSB-Kreisvorstandes, Erhard Menz, als Begründung lesen: „Grund der Freistellung von Lothar Seifarth von der Arbeit für den Freitag, den 20.10.1989: Durchführung 13. Jenaer Kernberglauf am Sonnabend, den 21.10.1989 zu Ehren von Magnus Poser“. Lothar Seifarth war damals der Verantwortlicher für die Versorgung auf der Strecke. Er nutzte seinerseits bei seinen Anträgen zum Zweck der Bereitstellung von Fahrzeugen an die Gesellschaft für Sport und Technik (GST) des Kombinates VEB Carl Zeiss Jena die Formulierung: „Liebe Sportfreunde, am 21. 10. 1989 führen die HSG Uni Jena, die BSG Carl Zeiss Jena-Süd und die ASG Vorwärts Jena den 13. Jenaer Kernberglauf zum Gedenken an den Antifaschisten Magnus Poser durch.“
Solchen Bitten um Unterstützung konnten sich staatliche Stellen und gesellschaftliche Institutionen im Prinzip nicht entziehen, was mit dazu beitrug, dass der Kernberglauf trotz eines sehr niedrigen Startgeldes (12,00 Mark) für die 50- bzw. später 40-Kilometer bis 1989 nie in finanzielle Schwierigkeiten kam.