Seit dem legendären „Taschenlampenstart“ beim GutsMuths-Rennsteiglauf 1975 kann man von einem Massenlauf sprechen, so dass in diesem Jahr die 40. Auflage als Massenlauf gefeiert werden kann. Einer, der 1975 dabei war und im Gegensatz zu den meisten anderen Teilnehmern nach 1975 nie wieder beim Rennsteiglauf an den Start ging, ist Dr. Wilfried Zapfe. Er war auf der Hälfte der Strecke noch an der Spitze über die 82 Kilometer lange Strecke. Nach einem „Verläufer“ bei Oberhof schaffte Zapfe Platz 17, in 7:02:11 Stunden. In der Studentenwertung kam er auf Platz vier.
In Oelze bei Katzhütte 1946 geboren, ging Wilfried Zapfe anfangs in Keilhau in eine Einklassenschule. Da er auf Grund einer Erkrankung mit drei Jahren stark hörgeschädigt war, musste er aber nach Gotha in eine Internatsschule. Sportlich war er Turner, was er ein bisschen von seinem Vater abgeschaut hatte. Wilfried machte sein Abitur in Berlin, an der einzigen Oberschule der DDR für Hörgeschädigte, wo er seit der neunten Klasse lernte. Ein Sportplatz lag direkt gegenüber der Schule, so dass man ihn dort hin und wieder beim Lauftraining sah.
Als er bei den Berliner Crosslauf-Meisterschaften den Jugendmeistertitel holte, wurde er von mehreren Trainern angesprochen, ob er nicht aktiv Leichtathletik trainieren wolle. Er ging zum TSC Berlin und trainierte sehr eifrig, so dass er zum Leidwesen seines Vaters teilweise seine schulischen Aufgaben vernachlässigte. Als er dann auch noch Berliner Meister über 3.000 Meter Hindernislaufen wurde, sprach ihn ein Funktionär des Deutschen Verbandes für Versehrtensportler an, ob er denn auch für diesen Verband starten würde, was er in der Folge auch regelmäßig bei speziellen Wettkämpfen gegen andere „Schwerhörigenschulen“ im Ausland machte.
Angebote von Berliner Sportclubs, eine Kaderstelle als Leistungssportler anzunehmen, schlug er aus. Er wollte nach einem „normalen“ Studium einen „normalen“ Beruf ergreifen. Seine erste Aufnahmeprüfung für ein Chemiestudium an der Uni Jena verpatzte er, weil er die chemische Formel für den Kalkabsatz bei einem Wasserkocher nicht parat hatte. Er nutzte das freie Jahr bis zur nächsten Aufnahmeprüfung für eine Ausbildung als Betonbauer. Die zweite Prüfung für ein Architekturstudium schaffte er in Weimar. Hier fand er auch gleich einen Lauffreund, Ingo Heisch und einen Trainer, Wilfried Simmat, der spezielle Trainingspläne für ihn erarbeitete.
1973 wurde Zapfe DDR-Studentenmeister über 3000-Meter Hindernis in 9:02,7 Minuten, was Weltrekord bei den Hörgeschädigtensportlern bedeutete. Für die Sportfunktionäre war damit eine Goldmedaille bei den Weltspielen der Hörgeschädigten in Malmö „Pflicht“. Für Zapfe war dies die Chance auf eine West-Reise, was nach eigenen Aussagen: „…ganz schön an meinen Nerven zehrte.“ Dazu wurde er als Mannschaftskapitän gewählt und durfte die DDR-Fahne bei der Eröffnungsveranstaltung in das Stadion tragen. Außer 1973 in Malmö ging er noch 1977 in Bukarest und 1981 in Köln bei den Weltspielen an den Start. Ein besonderes Erlebnis war 1981 der Einmarsch im Kölner Müngersdorfer Stadion, wo die Sportler von Soldaten der damaligen Bundeswehr eskortiert wurden und der IOC-Präsident, Juan Antonio Samaranch die Begrüßung vornahm.
Wilfried Zapfe holte sich bei allen drei Weltmeisterschaften den Titel über 3.000 Meter. In der ewigen Bestenliste der deutschen Gehörlosensportler steht er noch heute über 1.500 Meter auf Platz zwei mit 3:56,6 Minuten (1971), über 2.000 Meter ebenfalls Platz zwei in 5:37,6 Minuten (1974) und drei Mal auf Platz eins über 3.000 Meter in 8:34,4 Minuten (1971), 5.000 Meter in 14:42,2 Minuten (1973) und 3.000 Meter Hindernis in 9:02,8 Minuten (1973).
Beruflich war er nach Abschluss des Studiums und einer Promotion als Architekt beim Kombinat Carl Zeiss in Jena gelandet, wo er zeitweilig sogar als Abteilungsleiter für Bauinvestitionen zuständig war. Diese Aufgabe hatte er aber auf Grund seiner Schwerhörigkeit abgegeben. Seine berufliche Tätigkeit führte zu einer Reduzierung des Trainings. Dazu kam, dass der Generaldirektor von Zeiss Biermann ihn nicht als Reisekader für das westliche Ausland zulassen wollte, obwohl er als Sportler in alle Länder fahren durfte. Erst die Drohung mit einer Kündigung führte zum Einlenken. 1987 verließ Dr. Zapfe Zeiss, um beruflich wieder nach Weimar zu gehen. Nach der politischen Wende kam er im Auftrage seiner Firma von 1994 – 2006 wieder nach Jena, als Bauleiter für den Um- und Neubau der Fachhochschule.
Sportlich ist er auch heute noch beim HSV in Weimar aktiv.