Feinster Sandstrand, Party Tag und Nacht, ein reichhaltiges Kulturangebot, Humus und selbstbewusste junge Menschen – eine bunte Vielfalt an Gegensätzen – das ist Tel Aviv-Jaffa, die israelische Metropole am Mittelmeer. Nicht gerade der erste Ort, bei dem man als Europäer an einen Marathon denkt. Aber warum eigentlich nicht? Vielleicht sind es die für westliche Menschen ungewohnte hohen Temperaturen. Das Thermometer zeigte am 27. Februar in der Mittagssonne 29 Grad Celsius. Doch selbst bei diesem Klima wagten sich nur die Surfer unter den Israelis in ihren Neoprenanzügen in das kühle Nass, so dass die Mehrzahl der Badegäste mit einem Touristenvisum ausgestattet war.
Oder wagt sich die große mitteleuropäische Läuferschar aus Angst vor dem Nahostkonflikt nicht an die Pforte des Orients? Während der gesamten Rundreise durch das Heilige Land habe ich mich nicht ängstlich oder gar bedroht gefühlt, weder bei meinem Aufenthalt in Jerusalem – dem Schmelztiegel schlechthin – noch beim Tel Aviv Marathon, immerhin mit 40.000 Läufern und 150.000 Zuschauern das größte Sportevent Israels und eine echte Massenveranstaltung.
Alles war bei diesem Lauf sehr gut organisiert. Die Anmeldung drei Monate zuvor lief reibungslos und auch die Abholung der Startunterlagen bei der Marathon-Expo stellte trotz der hebräischen Sprache und Schrift keine Hürde dar. Alle, wirklich alle Menschen können beinahe perfekt Englisch wenn nicht sogar ein bisschen Deutsch. Seit den dreißiger Jahren wanderten viele deutsche Juden nach Israel und speziell nach Tel Aviv ein und heute absolvieren viele Israelis ihr Studium zeitweise in Deutschland.Der Marathon ist ein malerischer Stadtlauf, dessen Highlight zweifellos zwischen Kilometer 10 und 21 liegt, wenn man ununterbrochen dem goldschimmernden Sand der Strandpromenade entlang folgt. Doch zuerst musste ich um 4:30 Uhr den Weg von meinem Hotel im Stadtzentrum zum Start im Ha Yarkon Park im Norden der Stadt ohne Bus und Bahn bewältigen. Nach den sieben Kilometern war ich zumindest warmgelaufen.
Vom Park aus ging es um Punkt 5:45 Uhr nördlich in Richtung Industriehafen und von dort auf der schönsten Passage bis ganz in den Süden zum ursprünglichen Tel Aviv der Antike. Jaffa heißt das uralte Hafenviertel, welches einen romantischen Charme versprüht und zu den ältesten Häfen der Welt zählt. Heute sind Jaffa und Tel Aviv zu einer Stadt verschmolzen. Auf dem Weg zum malerischen Fischerhafen lässt man den Fels der Andromeda zu seiner Rechten im Meer liegen, während die glutrote Sonne sich langsam über ihn erhebt.
Anschließend führte der weitere Weg abseits des Mittelmeeres durch die Hauptstraßen der Stadt. Hier kreuzten sich dann Marathon, Halbmarathon und 10 km Läufer, ohne sich über den Haufen zu rennen. Hier, wo sich Wolkenkratzer und Hotels mit verträumten Cafés und bunten Märkten abwechseln, bot der Veranstalter an vielen Ecken musikalische Unterhaltung und kleine Nebenprogramme.Mindestens alle vier Kilometer wurde Wasser gereicht. Eine Versorgung mit Essbarem gab es allerdings nur drei Mal auf der gesamten Distanz. Für mich, dessen Frühstück nur aus einer Banane, einem Stück Gebäck und einem Espresso bestand, nicht die besten Voraussetzungen, den Energiehaushalt auf einem vernünftigen Niveau zu halten. Schlussendlich kam ich getrieben durch die warmen Worte meiner größtenteils israelischen und palästinensischen Läuferkollegen nach 4 Stunden 55 Minuten ins Ziel. Allein Durchhalten war meine eigene Vorgabe und gerade im Angesicht der unbarmherzigen Februarsonne war ich durchaus zufrieden.
Wegen der ungewöhnlich hohen Temperaturen wurde der Lauf gegen 10 Uhr abgebrochen. Die meisten, der zu diesem Zeitpunkt noch auf der Strecke verbliebenen Läufer, quälten sich dennoch ins Ziel, um stolz ihre verdiente Medaille abzuholen. Einen Sieger gab es auch. William Kiprono aus Kenia kam mit der Rekordzeit von 2 Stunden 10 Minuten 30 Sekunden wieder am Ha Yarkon Park an. Da war ich gerade auf der Hälfte der Strecke und noch mit dem Meerblick in Jaffa beschäftigt.
Im Ziel genoss ich dann ausgiebig den entspannten Teil eines Marathons im Läuferzelt mit kühlem Eis, Obst und Joghurt bevor es sieben Kilometer zurück zum Badestrand ging – diesmal jedoch mit dem Bus. Ein Bad im erfrischenden Mittelmeer war der Lohn eines anstrengenden Vormittags.